Gemfibrozil
Handelsnamen: Gevilon u.a.
Englisch: Gemfibrozil
Definition
Gemfibrozil ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der Fibrate, der zur Behandlung von Fettstoffwechselstörungen eingesetzt wird.
Wirkmechanismus
Der genaue Wirkmechanismus der Fibrate ist bis heute (2020) noch nicht umfassend aufgeklärt. Vermutlich stimuliert Gemfibrozil die Aktivität der Lipoproteinlipase und somit den Abbau von VLDL und Chylomikronen. Weiterhin wird der Fettsäureabbau über Bindung an den Peroxisom-Proliferator-aktivierten Rezeptor (PPAR-alpha) erhöht. Außerdem blockiert es die Cholesterinsynthese in der Leber.
Insgesamt senkt Gemfibrozil das VLDL- und LDL-Cholesterin. Weiterhin kommt es zu einem Anstieg des HDL-Cholesterins und zur Reduktion der Triglyzeridkonzentrationen.
Pharmakokinetik
Gemfibrozil wird nach oraler Gabe mit einer Bioverfügbarkeit von fast 100 % resorbiert. Die maximalen Plasmaspiegel werden 1-2 Stunden nach Einnahme erreicht. Das Verteilungsvolumen im Steady-State beträgt 9-13 Liter. Gemfibrozil liegt im Blut zu 97 % an Plasmaproteine gebunden vor.
Gemfibrozil wird durch eine Ringmethylgruppe oxidiert und bildet einen Hydroxymethyl- und einen Carboxymetaboliten. Letzterer hat eine geringe Wirksamkeit und eine Eliminationshalbwertszeit von ca. 20 Stunden. Die dabei beteiligten Enzyme sind jedoch nicht bekannt. Weiterhin wird Gemfibrozil über eine Glucuronidierung metabolisiert.
Ungefähr 70 % der angewendeten Dosis wird mit dem Urin ausgeschieden, hauptsächlich in Form von Konjugaten von Gemfibrozil und seiner Metaboliten. Maximal 6 % der Dosis wird unverändert renal ausgeschieden, weitere 6 % finden sich in den Fäzes. Die Eliminationshalbwertszeit beträgt 1,3 bis 1,5 Stunden.
Indikationen
Gemfibrozil ist indiziert als unterstützende Therapie neben einer Diät oder anderen nicht medikamentösen Behandlungen (z.B. Gewichtsabnahme) für folgende Erkrankungen:
- schwere Hypertriglyzeridämie
- gemischte Hyperlipidämie, wenn ein Statin kontraindiziert ist oder nicht vertragen wird
- primäre Hypercholesterinämie, wenn ein Statin kontraindiziert ist oder nicht vertragen wird
Darreichungsform
Gemfibrozil ist als Filmtablette mit 600 und 900 mg Wirkstoff verfügbar.
Dosierung
Gemfibrozil wird i.d.R. in einer Dosis von 900 bis 1.200 mg/d eingenommen. Die Einnahme sollte eine halbe Stunde vor einer Mahlzeit erfolgen.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Nebenwirkungen
Gemfibrozil kann zu Myositis und Myopathie bis hin zur Rhabdomyolyse führen, insbesondere bei Kombination mit Statinen. Erhöht sich die Konzentration der Kreatinkinase (CK) auf das Fünffache des Normwertes, muss Gemfibrozil abgesetzt werden. Risikofaktoren einer Rhabdomyolyse sind u.a. eine eingeschränkte Nierenfunktion, eine Hypothyreose, ein Alkoholmissbrauch und ein Alter > 70 Jahre.
Weitere Nebenwirkungen von Gemfibrozil sind:
- Gallensteine: durch Erhöhung der Cholesterinausscheidung in die Gallenflüssigkeit
- paradoxe Erhöhung des Gesamt- und LDL-Cholesterins bei Patienten mit Hypertriglyzeridämie
- Erhöhung von AST, ALT, AP, LDH, CK und Bilirubin
- Anämie, Leukopenie, Thrombopenie, Eosinophilie und Hypoplasie des Knochenmarks
- Depressionen
- Verringerung der Libido
- Schwindel, Kopfschmerzen
- Dyspepsie, Obstipation, Diarrhö, Übelkeit, Erbrechen
- Pankreatitis, Hepatitis
- Ekzem, Angioödem
- Müdigkeit
- erhöhtes Karzinomrisiko und reduzierte männliche Fertilität in Tierexperimenten
Wechselwirkungen
Gemfibrozil besitzt ein komplexes Wechselwirkungsprofil und verursacht eine erhöhte Exposition von zahlreichen Arzneimitteln, insbesondere von CYP2C8-, CYP2C9-, CYP2C19-, CYP1A2-, UGTA1-, UGTA3- und OATP1B1-Substraten.
Weiterhin können bei Anwendung von Gemfibrozil mit oralen Antidiabetika und Insulin hypoglykämische Reaktionen auftreten. Weiterhin kann Gemfibrozil die Wirkung von Phenprocoumon verstärken.
Kontraindikationen
- Überempfindlichkeit gegenüber dem Wirkstoff oder einen sonstigen Bestandteil
- Leberfunktionsstörungen
- schwere Niereninsuffizienz
- gleichzeitige Anwendung von Repaglinid, Dasabuvir oder Simvastatin
- bekannte Gallenblasen- oder Gallenwegserkrankung mit Cholelithiasis
- photoallergische oder phototoxische Reaktionen unter Behandlung mit Fibraten in der Anamnese
- Schwangerschaft, Stillzeit