Fibrat
Definition
Fibrate sind eine Gruppe von Arzneistoffen, die zur Therapie einer Hyperlipidämie eingesetzt werden.
Chemie
Fibrate gehören chemisch betrachtet zur Gruppe der Fibrinsäuren und ihren Abkömmlingen und damit zur chemischen Klasse der Carbonsäuren (organische Säuren).
Wirkmechanismus
Der genaue Wirkungsmechanismus der Fibrate ist bis heute noch nicht umfassend aufgeklärt. Als wahrscheinlich gelten aber drei verschiedene Varianten, mit denen Fibrate den Fettstoffwechsel beeinflussen:
- Fibrate blockieren – ähnlich den Statinen – die überwiegend nachts stattfindende Cholesterinsynthese in der Leber. Diese verläuft unter der Wirkung dieser Arzneimittel wesentlich langsamer. Außerdem blockieren Fibrate die ebenfalls durch die Leber induzierte Freisetzung von VLDL. Diese Lipoproteine transportieren Cholesterin von der Leber in die Peripherie, wo es an arteriosklerotischen Prozessen beteiligt ist.
- Fibrate verstärken die Aktivität des Enzyms Lipoproteinlipase. Es hat die Aufgabe, locker aufgebautes VLDL in dichter gepackte LDL-Partikel zu überführen. Teilweise wandelt es LDL in das noch dichter strukturierte HDL um. Je lockerer ein Lipoproteinmolekül aufgebaut ist, desto mehr potenziell schädliches Cholesterin kann es aufnehmen und im Körper verteilen. Durch die stärkere Aktivität der Lipoproteinlipase steigt der Gehalt an dichtgepackten Transportteilchen, die nur wenig Cholesterin transportieren können.
- Fibrate und ihre Abkömmlinge sorgen innerhalb der Peroxisomen für eine Steigerung des Fettsäureabbaus. Dazu binden sie intrazellulär an PPAR-alpha, den Peroxisom-Proliferator-aktivierten Rezeptor. Nach der Bindung kommt es zu einer sofortigen Dimerisierung des Rezeptors mit anschließender Anlagerung an einen bestimmten DNA-Komplex. Molekularbiologisch betrachtet besteht hier eine sehr große Ähnlichkeit mit der Wirkungsweise bzw. dem Mechanismus des Glukokortikoidrezeptors. Auch dieser bindet intrazellulär an die DNA im Zellkern. Die Bindung des PPAR-Alpha an eine DNA-Sequenz führt dann zu einem stark erhöhten Abbau des LDL-Cholesterins. Gleichzeitig kommt es zu einer Hemmung und Abnahme der VLDL-Synthese.
Wirkstoffe
Die wichtigsten Wirkstoffe aus der Klasse der Fibrate sind:
- Fenofibrat
- Bezafibrat
- Gemfibrozil
- Etofibrat
- Etofyllinclofibrat (außer Handel)
- Clofibrat (außer Handel)
Klinische Wirkung
Fibrate senken das VLDL- und LDL-Cholesterin, letzteres um ca. 5 bis 20 %. Weiterhin kommt es zu einem Anstieg des HDL-Cholesterins um knapp 5 bis 20 %. Triglyzeridkonzentrationen werden um 20 bis 40 % unter den Wert vor der Behandlung gesenkt.
Im Gegensatz zu den Statinen ist die Anwendung der Fibrate seit vielen Jahren umstritten, da sie bisher keine signifikant lebensverlängernde Wirkung zeigen konnten. Daher werden sie weltweit deutlich seltener zur Behandlung von Hyperlipidämien eingesetzt als Statine. In einigen Staaten wie den USA, Australien oder Großbritannien gelten seit vielen Jahren Indikationseinschränkungen für Fibrate.
Indikation
Fibrate werden zur medikamentösen Therapie von Fettstoffwechselstörungen eingesetzt. Sie werden insbesondere bei Hypertriglyzeridämie eingesetzt, um rezidivierende Pankreatitiden zu verhindern. Weiterhin kommen sie bei einer Hypercholesterinämie in Kombination mit Statinen zur Anwendung, um der Entwicklung einer Atherosklerose und den daraus resultierenden, kardiovaskulären Erkrankungen vorzubeugen. Fibrate werden aber auch dann eingesetzt, wenn der Patient bereits einen Herzinfarkt oder Schlaganfall hatte (Sekundärprophylaxe).
Nebenwirkungen
- gastrointestinale Beschwerden
- Gallensteine: Anstieg der Cholesterinkonzentration der Galle, sodass der lithogene Index zunimmt
- Myalgie bis Myositis mit CK-Anstieg: insbesondere bei Nierenerkrankungen mit Hypoalbuminämie
Kontraindikationen
Alle Medikamente aus der Gruppe der Fibrate verändern die Zusammensetzung der Gallenflüssigkeit. Daraus resultiert ein erhöhtes Risiko für die Bildung von Gallensteinen. Zu den Kontraindikationen zählen:
- Erkrankungen der Gallenblase
- schwere Niereninsuffizienz
- schwere Leberinsuffizienz
- Schwangerschaft, Stillzeit
Wechselwirkungen
Die gleichzeitige Einnahme bestimmter Medikamente kann bei der Therapie mit Fibraten deutliche Wechselwirkungen hervorrufen:
- Statine, Ciclosporin A, Niacin: erhöhtes Myopathierisiko
- Marcumar, DOAKs: verstärkte Blutgerinnung
- orale Antidiabetika, Insulin: verstärkte Blutzuckersenkung
- Antazida, Colestipol, Colestyramin: verminderte Wirkung der Fibrate
Fibrate verdrängen andere Albumin-gebundene Arzneistoffe aus ihrer Plasmaeiweißbindung, sodass deren Plasmakonzentration erhöht wird.