Chronische Pankreatitis
Englisch: chronic pancreatitis
Definition
Die chronische Pankreatitis ist eine anhaltende Entzündung der Bauchspeicheldrüse (Pankreas). Der entzündlich bedingte bindegewebige Umbau des Organs führt zu einem progredienten Verlust der exokrinen und endokrinen Drüsenfunktion (Pankreasinsuffizienz).
Epidemiologie
Da die chronische Pankreatitis in der Mehrzahl der Fälle alkoholbedingt ist, korreliert die Prävalenz der Erkrankung mit dem durchschnittlichen Alkoholkonsum der jeweiligen Bevölkerung.
Ätiologie
Für die Entstehung einer chronischen Pankreatitis gibt es unterschiedliche Ursachen und Erklärungsmodelle. Als wichtigste Ursache wird in 50 bis 84 % der Fälle ein Alkoholabusus angesehen. Des Weiteren sind erbliche Formen der chronischen Pankreatitis bekannt, bei der Mutationen in Genen für Verdauungsenzyme (u.a. PRSS1, SPINK1, CPA1) bestehen.
Weitere Risikofaktoren sind:
In einigen Fällen lässt sich kein Auslöser finden, man spricht dann von einer idiopathischen chronischen Pankreatitis. Für eine genetische Prädisposition spricht in dem Fall ein frühzeitiger Krankheitsbeginn und eine positive Familienanamnese.
Eine biliäre Genese auf dem Boden einer Cholelithiasis ist für die chronische Pankreatitis nicht bekannt.
Pathophysiologie
Die genaue Pathogenese der chronischen Pankreatitis ist noch nicht bekannt (2022). Die pathophysiologische Grundlage der Pankreatitis ist die Aktivierung der proteolytischen Pankreasenzyme, die zu einer Autodigestion des Organs und damit zu lokalen und systemischen Entzündungsreaktionen führt. Der genaue Ablauf der alkoholbedingten Schädigung ist ebenfalls noch Gegenstand der Forschung.
Folgende weitere Faktoren scheinen an der Pathogenese beteiligt zu sein:
- Infiltration von Entzündungszellen
- überschießende pankreatische Fibrogenese
- verschiedene Keimbahnmutationen
Durch rezidivierende Entzündungsschübe kommt es zu einem bindegewebigen Umbau des Organs und in der Folge zu einem Funktionsverlust der Drüsenfunktion. Diese äußert sich zunächst als exokrine und im Krankheitsverlauf auch als endokrine Pankreasinsuffizienz.
Bislang (2022) ist nicht vollständig geklärt, wie es zu den Schmerzen im Rahmen der Pankreasentzündung kommt. Man vermutet eine multifaktorielle Genese, bei der strukturelle Organveränderungen – wie beispielsweise Pankreasgangstenosen – beteiligt sind. Im Verlauf tritt wahrscheinlich eine neuropathische Komponente des Schmerzes dazu.
Eine weitere, seltene Form einer chronischen Pankreatitis ist die Autoimmunpankreatitis (AIP). Sie tritt isoliert oder im Rahmen von autoimmunen Multisystemerkrankungen auf und verläuft dann meist parallel zum Krankheitsschub akut mit gürtelförmigen Oberbauchschmerzen, Gewichtsverlust und Ikterus. Die Autoimmunpankreatitis spricht gut auf eine Therapie mit Glukokortikoiden an.
Klinik
Ein Großteil der Patienten berichtet über starke, rezidivierende, nicht kolikartige Oberbauchschmerzen, die gürtelförmig verlaufen und beidseitig ausstrahlen.
Durch die exokrine Pankreasinsuffizienz kommt es zu einer Maldigestion und dadurch bedingt zu:
- Gewichtsverlust
- Steatorrhö (Fettstuhl)
- Flatulenz
- Durchfall
Eine endokrine Pankreasinsuffizienz führt zu einer diabetischen Stoffwechsellage und den damit verbundenen Symptomen.
Ein Ikterus kann im Rahmen einer entzündlich bedingten distalen Gallengangsstenose auftreten.
Diagnostik
Die Diagnostik der chronischen Pankreatitis besteht in einer Evaluation der exokrinen Pankreasfunktion mittels Funktionstests in Kombination mit einer Bildgebung zur Beurteilung der morphologischen Veränderungen.
Labormedizin
Zur labormedizinischen Beurteilung der exokrinen Pankreasfunktion hat sich die Bestimmung von Elastase-1 im Stuhl bewährt. Ein Wert von < 100 μg Elastase-1/g Stuhl spricht für eine exokrine Pankreasinsuffizienz. Des Weiteren besteht die Möglichkeit eines Mixed-Triglycerid-Atemtests mit 13C-markierten Lipiden.
In der Blutuntersuchung zeigt sich ggf.:
- Hypokalzämie
- erhöhte Tumormarker (z.B. CEA)
- verminderte Komplementwerte (C3, C4)
Bildgebung
Das bildgebende Verfahren der Wahl im Rahmen der Basisdiagnostik ist die transabdominelle Sonographie, die zur Erhöhung der Sensitivität um eine Endosonographie ergänzt wird. Liefern diese Untersuchungen keinen eindeutigen Befund, lassen sich morphologische Pankreasveränderungen sowie die Komplikationen einer chronischen Pankreatitis auch mittels CT, MRT, MRCP und ERCP nachweisen.
Molekulargenetik
Bei Hinweisen auf eine genetische Ursache erfolgt eine humangenetische Beratung und eine molekulargenetische Untersuchung.
Pathohistologie
Histologische Kennzeichen einer chronischen Pankreatitis sind fibrotische Umbauprozesse, die zunächst perilobulär, später auch intralobulär erfolgen und zu einem Verlust von Acinuszellen führen. Dabei sind die befallenen Areale weniger stark von Entzündungszellen durchsetzt als bei der akuten Pankreatitis: es kommen mehr Lymphozyten und Plasmazellen, aber weniger Granulozyten vor. Außerdem zeigen sich Zeichen einer Atrophie, sowie Veränderungen in den Pankreasgängen.
Komplikationen
- Stenosen von Ductus pancreaticus, Ductus choledochus
- Cholangitis
- Milzvenenthrombose
- Fistelbildungen
- Bildung von Pankreaspseudozysten mit entsprechenden Komplikationen (Ruptur, Fistelbildung, Obstruktion von Nachbarorganen)
- Pankreaskarzinom
- Gefäßarrosion
- Infektionen
Therapie
Konservative Therapie
Essentieller Bestandteil der Therapie der chronischen Pankreatitis ist die Alkoholabstinenz. Die Schmerztherapie erfolgt analog zum WHO-Stufenschema. Im akuten Schub orientiert sich die Behandlung an der einer akuten Pankreatitis.
Besteht eine klinisch manifeste exokrine Pankreasinsuffizienz, ist die Substitution von Pankreasenzymen durch die Gabe von Pankreatin indiziert. Eine adäquate Ernährung mit der Abdeckung der notwendigen Nährstoffe ist insbesondere bei bestehendem Gewichtsverlust wichtig. Gegebenenfalls erfolgt unterstützend eine Ernährungstherapie sowie die Substitution von defizitären Vitaminen und Spurenelementen.
Bei einer endokrinen Pankreasinsuffizienz kann eine antidiabetische Therapie notwendig sein.
Interventionelle Therapie
Die endoskopisch interventionelle Therapie mittels Stenteinlage wird laut der aktuellen S3-Leitlinie (Stand 2022) insbesondere bei sekundär auftretenden Gallengangsstenosen empfohlen. Dabei kommen vollummantelte selbstexpandierende Metallstents (fully covered self expanding metal stent, FC-SEMS) zum Einsatz. Bei einer Cholangitis auf dem Boden eine distalen Gallengangsstenose sollte zeitnah (innerhalb von 24 Stunden) eine endoskopische Drainage erfolgen.
Bei Pankreasgangsteinen kann eine interventionelle Lithotripsie, z.B. mittels extrakorporaler Stoßwellenlithotripsie, pankreatikoskopischer elektrohydraulischer Lithotripsie (EHL) oder Laserlithotripsie, erwogen werden. Bei der opiatpflichtigen obstruktiven chronischen Pankreatitis ist allerdings frühzeitig eine operative Therapie indiziert.
Operative Therapie
Die operative Therapie ist das Mittel der ersten Wahl bei einer chronischen Pankreatitis, die einer dauerhaften Schmerztherapie bedarf. Unter anderem wird die duodenumerhaltende Pankreaskopfresektion angewendet. Bei bestehendem Tumorverdacht sollte jedoch primär eine onkologische Pankreasresektion (Kausch-Whipple-Operation) durchgeführt werden.