WHO-Klassifikation der ZNS-Tumoren
Definition
Die WHO-Klassifikation der Tumoren des zentralen Nervensystems beruht auf histologischen, immunhistochemischen und molekularbiologischen Eigenschaften der Tumoren des Nervensystems und liegt aktuell (2023) in der 5. Auflage aus dem Jahr 2022 vor. Neben der allgemeinen Klassifikation existiert zudem ein Gradierungsschema der WHO.
siehe auch: WHO-Klassifikation von Tumoren
Hintergrund
Die erste Fassung der WHO-Klassifikation der Tumoren des Nervensystems wurde 1986 veröffentlicht. Sie basierte auf Beobachtungen von tumorspezifischen Wachstumsmodalitäten von 1926 durch Bailey und Cushing. Seither hat die WHO-Klassifikation mehrere Editionen durchlaufen. Die 5. Edition ist vor allem durch die neueren molekularbiologischen Erkenntnisse der Tumorgenomik geprägt. Entsprechend werden jetzt Tumorentitäten auch anhand bestimmter Mutationen oder Genfusionen unterschieden.
Graduierung
Neben der allgemeinen WHO-Klassifikation existiert zusätzlich ein Gradierungsschema. In der alten WHO-Klassifikation von 2016 war es wie folgt definiert:
- WHO Grad I: Benigne Tumoren – kurative Therapie ist durch operative Resektion der Raumforderung möglich. Beispiel: Schwannom
- WHO Grad II: Benigne Tumoren – dennoch infiltratives Wachstum und Gefahr der Destruierung von umliegendem Gewebe. Neigung zu Rezidiven. Bei entsprechender Therapie keine Einschränkung der Lebenszeit. Beispiel: Oligodendrogliom
- WHO Grad III: Maligne Tumoren – Verminderung der Lebenszeit ist sehr wahrscheinlich. Beispiel: anaplastisches Astrozytom
- WHO Grad IV: Hochmaligne Tumoren – signifikante Verkürzung der Lebenszeit. Häufig keine effektive Therapie möglich (aufgrund der Lage). Beispiel: Glioblastom
Dieses Gradierungsschema ist in der 5. Auflage weitgehend verändert worden: Das Grading erfolgt nun wie bei Nicht-ZNS-Tumoren jeweils innerhalb einer Tumorentität, d.h. jeder Tumor wird anhand seiner eigenen Merkmale eingestuft. Entsprechend kann die niedriggradige Version eines bestimmten Tumors aggressiver sein als eine höhergradige Version eines anderen Tumors. Weiterhin werden die römischen Ziffern durch arabische ersetzt.
Allerdings ist diese neue Systematik nicht ganz konsistent. So hat das IDH-mutierte Astrozytom keinen Grad 1, während das IDH-Wildtyp-Glioblastom ausschließlich als Grad 4 vorkommt. Um diese Unterschiede zum Grading anderer Tumoren zu verdeutlichen, sollte deshalb vom "ZNS-WHO-Grad" gesprochen werden.
Klassifikation
Die WHO-Klassifikation von 2021 ist deutlich heterogener als ihre Vorläufer. Während einige Tumoren primär aufgrund ihrer pathohistologischen Eigenschaften eingeordnet werden, ist bei anderen Tumoren nur noch der molekularbiologische Befund ausschlaggebend.
Gliome, glioneuronale Tumoren, neuronale Tumoren
Zur Gruppe der Gliome, glioneuronalen und neuronalen Tumoren zählen folgende Typen:
Typ | Subtypen |
---|---|
Diffuse Gliome des Erwachsenentyps |
|
Diffuse low-grade-Gliome des pädiatrischen Typs | |
Diffuse high-grade-Gliome des pädiatrischen Typs | |
Umschriebene astrozytäre Gliome | |
Glioneurale und neuronale Tumoren |
|
Ependymale Tumoren
Zu den ependymalen Tumoren zählen folgende Typen:
- Supratentoriales Ependymom
- Supratentoriales Ependymom, ZFTA-Fusion
- Supratentoriales Ependymom, YAP1-Fusion
- Ependymom der hinteren Schädelgrube
- Ependymom der hinteren Schädelgrube, PFA-Gruppe
- Ependymom der hinteren Schädelgrube, PFB-Gruppe
- Spinales Ependymom
- Spinales Ependymom, MYCN-amplifiziert
- Myxopapilläres Ependymom
- Subependymom
Choroidalplexustumoren
Die WHO unterscheidet folgende Tumoren des Plexus choroideus:
Embryonale Tumoren
- Medulloblastom, genetisch definiert
- Medulloblastom, histologisch definiert
- klassisch
- desmoplastisch/nodulär
- mit extensiver Nodularität
- großzellig/anaplastisch
- Atypischer teratoider/rhabdoider Tumor
- Cribriformer neuroepithelialer Tumor
- Embryonaler Tumoren mit mehrschichtigen Rosetten
- ZNS-Neuroblastom, FOXR2-aktiviert
- ZNS-Tumor mit interner BCOR-Tandem-Duplikation
- Embryonaler ZNS-Tumor (NOS)
Pinealistumoren
Zu den Pinealistumoren zählen:
- Pineozytom
- Pinealisparenchymtumor mit intermediärer Differenzierung
- Pineoblastom
- Papillärer Tumor der Pinealisregion
- Desmoplastischer myxoider Tumor der Pinealisregion, SMARCB1-mutiert
Tumoren der Hirn- und Spinalnerven
Tumoren der Hirnnerven und Spinalnerven werden weiter eingeteilt in:
- Schwannom
- Neurofibrom
- Perineurinom
- Hybrider Nervenscheidentumor
- Maligner melanozytischer Nervenscheidentumor
- Maligner peripherer Nervenscheidentumor
- Paragangliom
Meningeome
Bei den Meningeomen unterscheidet man 15 Subtypen:
- Angiomatöses Meningeom
- Atypisches Meningeom (Grad 2)
- Anaplastisches (malignes) Meningeom (Grad 3)
- Chordoides Meningeom (Grad 2)
- Klarzelliges Meningeom (Grad 2)
- Fibröses Meningeom
- Lymphoplasmazellreiches Meningeom
- Meningotheliales Meningeom
- Metaplastisches Meningeom
- Mikrozystisches Meningeom
- Papilläres Meningeom
- Psammomatöses Meningeom
- Rhabdoides Meningeom
- Sekretorisches Meningeom
- Transitionales Meningeom
Mesenchymale, nicht meningotheliale Tumoren
Zu den mesenchymalen, nicht meningothelialen Tumoren zählen:
Weichteiltumoren | Fibroblastische und myofibroblastische Tumoren | |
Gefäßtumoren |
| |
Skelettmuskeltumoren | ||
Unklare Differenzierung |
| |
Chondro-ossäre Tumoren | Chrondrogener Tumor |
|
Notochordale Tumoren | ||
Melanozytäre Tumoren | Diffuse, meningeale, melanozytäre Neoplasien | |
Umschriebene, meningeale, melanozytäre Neoplasien |
Hämatolymphoide Tumoren
Bei den hämatolymphoiden Tumoren unterscheidet man:
- Lymphome:
- Primäres DLBCL des ZNS
- Immundefizienz-assoziiertes ZNS Lymphom
- Lymphomatoide Granulomatose
- Intravaskuläres großzelliges B-Zell-Lymphom
- MALT-Lymphom der Dura
- andere low-grade-B-Zell-Lymphome des ZNS
- Anaplastisches großzelliges Lymphom
- T-Zell-Lymphome, NK/T-Zell-Lymphome
- Histiozytäre Tumoren
Keimzelltumoren
Die Keimzelltumoren werden differenziert in:
- Teratom: reifzellig, unreifzellig, mit maligner somatischer Transformation
- Germinom
- Embryonales Karzinom
- Dottersacktumor
- Chorionkarzinom
- Gemischer Keimzelltumor
Tumoren der Sella-Region
Die WHO unterscheidet folgende Tumoren der Sella-Region:
- Adamantinöses Kraniopharyngeom
- Papilläres Kraniopharyngeom
- Pituizytom, Granularzelltumor der Sella-Region, Spindelzell-Onkozytom
- Hypophysenadenom (pitNET)
- Hypophysäres Blastom
ZNS-Metastasen
- Metastasen des Gehirns und Rückenmarks
- Metastasen der Dura und Leptomeninx
Literatur
- Louis et al. The 2021 WHO Classification of Tumors of the Central Nervous System: a summary, Neuro-Oncology, 2021
um diese Funktion zu nutzen.