Anaplastisches Astrozytom
Englisch: anaplastic astrocytoma
Definition
Anaplastische Astrozytome ist eine ältere Bezeichnung für ein histologisches Erscheinungsbild eines diffusen Astrozytoms vom Grad III. In der 5. Auflage der WHO-Klassifikation der ZNS-Tumoren wird dieser Tumor nicht mehr als eigenständige Entität aufgeführt. Vielmehr werden er nun, je nach molekularen Markern, als IDH-mutiertes Astrozytom Grad 3 oder 4 oder als Glioblastom Grad 4 bezeichnet.
Epidemiologie
Anaplastische Astrozytome machen etwa 30 % aller Astrozytome aus. Das Haupterkrankungsalter liegt zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr. Bei Kindern gehört das anaplastische Astrozytom jedoch zu den vier häufigsten Tumoren. Männer erkranken bevorzugt.
Ätiologie
Alle Astrozytome entstehen durch pathologische Vermehrung von veränderten Astrozyten. Als genetische Alterationen sind bei anaplastischen Astrozytomen Mutationen der Tumorsuppressorgene p53 und p16 (> 20 %) sowie eine Deletion auf Chromosom 19q (50 %) gefunden worden.
Lokalisation
Anaplastische Astrozytome breiten sich entlang von Fasertrakten innerhalb der weißen Substanz aus. Die Metastasierung erfolgt transependymal über den Liquor cerebrospinalis. Alle Gehirnstrukturen können betroffen sein.
Pathologie
Entscheidende Merkmale von anaplastischen Astrozyomen, die bei niedriggradigen Tumoren fehlen, sind Mitosenreichtum und zellulärer Pleomorphismus. Nekrosen und Gefäßproliferationen finden sich nicht. Einblutungen, Zysten und vereinzelte Verkalkungen können vorkommen.
Klinik
Die Symptomatik kommt vor allem durch Kompression benachbarter Strukturen zustande. Je maligner der Tumor, desto ausgeprägter ist die Reaktion des umgebenden Parenchyms in Form eines raumfordernden perifokalen Ödems. Dieses bestimmt in großem Maße das klinische Bild, sodass viele Patienten nach pharmakologischer Ödemreduktion vorübergehend symptomfrei werden. Bei Blutung oder Verlegung des Liquorabflusses können noch Symptome eines Schlaganfalls oder Hydrozephalus hinzukommen.
Diagnostik
Der Verdacht eines anaplastischen Astrozytoms wird radiologisch gestellt. Die Diagnose kann histologisch entweder durch eine Biopsie oder durch eine histopathologische Untersuchung des während der Tumorexstirpation gewonnenen Gewebes (Schnellschnitt) abgesichert werden.
Computertomographie
In der Computertomographie (CT) zeigt sich eine inhomogene Hypodensität mit variabler, oft randbetonter Kontrastmittelaufnahme und ausgeprägtem perifokalem Ödem.
Magnetresonanztomographie
Anaplastische Astrozytome zeigen ein ähnliches Signalverhalten in der Magnetresonanztomographie (MRT) wie niedriggradige Astrozytome, jedoch mit dem Unterschied, dass sie Kontrastmittel aufnehmen:
- T1w: hypointens im Vergleich zur weißen Substanz
- T2w: hyperintens. Bei Tumorblutung und Verkalkungen inhomogen
- FLAIR: relativ hypointens mit hyperintensem Rand (T2-FLAIR-Mismatch)
- T1w-KM: variables Ausmaß an Kontrastmittel-Enhancement. Ein ringförmiges Enhancement ist hinweisend auf eine zentrale Nekrose, was (nach früherer WHO-Klassifikation) für ein Glioblastom sprechen würde.
- MR-Perfusion: erhöhtes zerebrales Blutvolumen
MR-Spektroskopie
In der MR-Spektroskopie finden sich folgende Befunde:
- erhöhte Cholin-Kreatin-Ratio
- normales oder gering erniedrigtes N-Acetylaspartat (NAA)
- intermediäres Myoinositol (niedriger als bei niedriggradigen Astrozytomen und höher als bei Glioblastomen)
Differenzialdiagnosen
Radiologische Differenzialdiagnosen sind u.a.:
- niedriggradiges Astrozytom: kein Enhancement (Ausnahme gemistozytisches Astrozytom). Eher homogen. Höheres Myoinositol in MR-Spektroskopie. Meist jüngere Patienten.
- Glioblastom: deutliches Enhancement und nekrotische Areale ohne Enhancement. Meist ältere Patienten. Erniedrigtes NAA und fehlendes Myoinositol in der MR-Spektroskopie.
- Hirnmetastasen: meist multipel und v.a. am Übergang von grauer zu weißer Substanz. Fehlendes NAA und Myoinositol in MR-Spektroskopie. Ringförmiges Enhancement. Meist ältere Patienten.
- Subakuter Hirninfarkt: Gyriformes Enhancement. Korrelierendes Gefäßterritorium.
- Tumefaktive demyelinisierende Läsion (TDL): Kontrastmittel-Enhancement in Form eines "offenen Rings".
Therapie
Eine möglichst vollständige Entfernung verbessert die Prognose, ist jedoch wegen des infiltrativen Wachstums in der Regel nicht möglich. Daher ist zumindest eine deutliche Verkleinerung der Tumormasse anzustreben. Nach der Operation kann eine Strahlen- und/oder Chemotherapie erfolgen.
Bei Inoperabilität kann eine Gamma-Knife-Behandlung vorgenommen werden. Das ausgeprägte perifokale Ödem kann durch Mannitol- und hochdosierte Steroidgabe reduziert werden.
Prognose
Die Prognose ist trotz Behandlung ausgesprochen schlecht, die mediane Überlebenszeit beträgt 2 bis 3 Jahre.
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