IDH-mutiertes Astrozytom
Synonym: Astrozytom, IDH mutiert
Englisch: astrocytoma, IDH-mutant
Definition
Als IDH-mutierte Astrozytome werden bei Erwachsenen auftretende Hirntumoren des ZNS-WHO-Grads 2 bis 4 bezeichnet. Es handelt sich um diffus infiltrierende astrozytäre Tumoren.
Terminologie
In der 5. Auflage der WHO-Klassifikation der ZNS-Tumoren hat sich die Terminologie von Astrozytomen grundlegend geändert. Bisherige Bezeichnungen wie "diffuses Astrozytom", "anaplastisches Astrozytom" oder "sekundäres Glioblastom" wurden zusammengefasst. Die Diagnose basiert nun auf dem Vorliegen einer IDH-Mutation und dem nachgewiesenen Fehlen einer 1p/19q-Kodeletion, welche ein Oligodendrogliom definieren würde.
Die 5. Auflage hat weiterhin Änderungen im Graduierungsystem vollzogen. Das Grading gilt nicht mehr tumorübergreifend, sondern nur noch für den jeweiligen Tumor. Ein Tumor Grad IV hätte bisher einem Glioblastom entsprochen. Nun gibt es jedoch ein IDH-mutiertes Astrozytom Grad 4.
Die Begriffe fibrilläres, protoplasmatisches und gemistozytäres Astrozytom sind keine eigenständigen Entitäten mehr. Das gemistozytäre Gewebemuster bleibt jedoch ein histologisches Merkmal.
Epidemiologie
Das durchschnittliche Alter zum Diagnosezeitpunkt beträgt 36-38 Jahre. Männer sind ca. 1,5-mal häufiger betroffen.
Klinik
IDH-mutierte Astrozytome bleiben lange Zeit asymptomatisch. Sie manifestieren sich am häufigsten in Form eines Krampfanfalls. Oft werden auch Kopfschmerzen beklagt. Je nach Größe und Lokalisation können weitere fokal-neurologische Defizite vorkommen.
Diagnostik
Pathologie
Diffuse Astrozytome vom Erwachsenentyp bestehen meist aus einer mikrozystischen Tumormatrix mit eingebetteten fibrillären neoplastischen Astrozyten mit leichten Kernatypien in geringer Zelldichte. Mikrozystische Räume mit muzinöser Flüssigkeit sind typisch für die früher als fibrillären und protoplasmatischen Astrozytomen bezeichneten Tumorentitäten. Gelegentlich können Gemistozyten auftreten. Ab einem Gemistozten-Anteil von 20 % sprach man auch von einem gemistozytischen Astrozytom, das eine deutlich schlechtere Prognose aufweist.
Grading
IDH-mutierte Astrozytome werden anhand von histologischen und molekulargenetischen Markern in Grad 2 bis 4 eingeteilt:
- Grad 2: gut differenziert; geringe Mitoseaktivität; keine Nekrose oder mikrovaskuläre Proliferation; keine homozygote Deletion von CDKN2A/B
- Grad 3: Anaplasie; signifikante Mitoseaktivität; keine Nekrose oder mikrovaskuläre Proliferation; keine homozygote Deletion von CDKN2A/B
- Grad 4: Nekrose und/oder mikrovaskuläre Proliferation und/oder homozygote Deletion von CDKN2A/B
Radiologie
Computertomographie
Niedriggradige Astrozytome erscheinen in der Computertomographie (CT) typischerweise als iso- oder hypodense Raumforderungen ohne Kontrastmittel-Enhancement. Höhergradige Tumore oder Astrozytome mit gemistozytärer Differenzierung können eine leichte Anreicherung aufweisen. Zystische bzw. Flüssigkeits-isodense Anteile können vorkommen, insbesondere bei gemistozytärer oder protoplasmatischer Differenzierung.
Magnetresonanztomographie
In der Magnetresonanztomographie (MRT) zeigen IDH-mutierte Astrozytome folgende Merkmale:
- T1w: iso- bis hypointens im Vergleich zur weißen Substanz. Meist nur in der weißen Substanz lokalisiert mit folglicher Verbreiterung der umgebenden Hirnrinde.
- T2w/FLAIR: hyperintens in T2w mit korrelierender Suppression in der FLAIR-Sequenz (T2-FLAIR-Mismatch). Das hohe T2-Signal entsteht durch Ödem, Demyelinisierung und andere degenerative Veränderungen.
- DWI/ADC: Diffusionserhöhung. Die ADC-Werte korrelieren mit dem Grad des Astrozytoms:[1]
- Grad 2: 1.273 ± 293 x 10-6 mm2/s
- Grad 3: 1.067 ± 276 x 10-6 mm2/s
- Grad 4: 7.45 ± 135 x 10-6 mm2/s
- T1w-KM: kein Kontrasmittel-Enhancement bei Grad 2. Solide Areale mit Anreicherung und/oder Nekrosen deuten auf einen höheren Grad hin.
- Perfusions-MRT: Das relative zerebrale Blutvolumen (rCBV) ist bei Grad 2 normal, bei Grad 4 meist erhöht.
MR-Spektroskopie
In der MR-Spektroskopie zeigen sich oft folgende Befunde:
- erhöhter Cholin-Peak und erhöhte Cholin-Kreatin-Ratio
- erniedrigtes N-Acetylaspartat (NAA)
- erhöhtes Myoinositol und erhöhte Myoinositol-Kreatin-Ratio
- meist kein Laktat-Peak. Laktat würde für eine Nekrose bzw. Grad 4 sprechen.
Nuklearmedizin
In der Positronenemissionstomographie (PET) haben IDH-mutierte Astrozytome im Allgemeinen eine ähnliche 18F-2-FDG-Aufnahme wie die restliche weiße Substanz. Areale mit vermehrter FDG-, 18F-Cholin- und 11C-Cholin-Aufnahme weisen auf eine erhöhte Stoffwechselrate und stärkere Entdifferenzierung hin. Diese Information ist nützlich für die Planung einer diagnostischen Biopsie.
Differenzialdiagnosen
Radiologische Differenzialdiagnosen sind:
- Glioblastom: In der Bildgebung schwierige Abgrenzung zum Astrozytom Grad 4 (früher auch als sekundäres Glioblastom bezeichnet). Letzteres weist eine IDH-Mutation auf, während das Glioblastom nicht mutiert ist (IDH-Wildtyp). Das Glioblastom tritt eher bei älteren Patienten auf.
- Infarkt: meist korrelierend zur territorialen Gefäßversorgung
- Herpes-simplex-Enzephalitis, ADEM
- Kortikale Hirntumore: Oligodendrogliom, angiozentrisches Gliom
Therapie
Die Therapie ist abhängig von den klinischen Symptomen, dem Tumorgrad sowie von der Größe und der Lokalisation des Tumors. Niedriggradige Tumore werden meist neurochirurgisch reseziert und bei Progress oder Rezidiv einer Bestrahlung zugeführt. Bei hochgradigen Tumoren erfolgt eine möglichst maximale Resektion mit gleichzeitiger Radiochemotherapie (Stupp-Protokoll).
Prognose
Die mediane Überlebenszeit unter Therapie für IDH-mutierte Astrozytome beträgt ca. 9,3 Jahre (Grad 2 und 3) bzw. 3,6 Jahre (Grad 4).
Quellen
- ↑ Hilario A et al. The added value of apparent diffusion coefficient to cerebral blood volume in the preoperative grading of diffuse gliomas, AJNR Am J Neuroradiol. 2012 Apr;33(4):701-7, abgerufen am 16.03.2022