Hirnmetastase
Synonyme: Gehirnmetastase, zerebrale Metastase
Definition
Eine Hirnmetastase ist die im Hirngewebe angesiedelte Tochtergeschwulst (Metastase) eines malignen Tumors, der außerhalb des Gehirns lokalisiert ist. Hirnmetastasen sind häufiger als primäre Hirntumoren und haben in der Regel eine schlechte Prognose.
Abgrenzung
Von Hirnmetastasen abgegrenzt werden Absiedelungen von Tumorzellen in die Liquorräume des ZNS (Meningeosis neoplastica) und die diffuse Infiltration des Hirngewebes durch Tumorzellen eines ZNS-fremden Tumors (Karzinose).
Ferner unterscheidet man im ZNS topografisch Hirnmetastasen und Rückenmarkmetastasen.
Klassifikation
Ätiologie
Folgende fünf Primärtumoren sind für 80 % der Hirnmetastasen verantwortlich:
Lokalisation
80 % der Metastasen sind in den Großhirnhemisphären, 15 % im Kleinhirn und 3 % in den Basalganglien lokalisiert. Häufig finden sie sich an der Mark-Rinden-Grenze zwischen grauer und weißer Substanz.
Pathogenese
Hirnmetastasen entstehen meist durch hämatogene Metastasierung. Einzelne Tumorzellen oder Tumorzellcluster erreichen das Gehirn über die Hirnarterien und setzen sich im Bereich der Endstrombahn in kleineren Arteriolen oder Blutkapillaren fest. Dort beginnt dann die Extravasation der Tumorzellen und die Invasion des Nervengewebes. Die Blut-Hirn-Schranke wird dabei lokal zerstört. Da die extrazelluläre Matrix des Hirngewebes nur einen geringen Kollagenfaseranteil hat, können sich die Tumorzellen relativ schnell ausbreiten.
Klinik
In bis zu 75 % d.F. weisen die Patienten mit Hirnmetastasen zum Diagnosezeitpunkt keine Symptome auf. Umgekehrt können Hirnmetastasen auch klinisch manifest werden, bevor der Primärtumor entdeckt wurde. Bei etwa einem Drittel der Patienten mit Hirnmetastasen ist zum Zeitpunkt der Diagnosestellung kein Tumorleiden bekannt. In Einzelfällen kann der Primärtumor trotz intensiver Suche verborgen bleiben (CUP).
Ein häufiges, jedoch unspezifisches Begleitsymptom von Hirnmetastasen sind Kopfschmerzen. Ansonsten ist die Symptomatik in erster Linie von der Größe und Lokalisation der Metastase(n) abhängig.
Hirnmetastasen im Bereich des Großhirns können epileptische Anfälle, Paresen, Sensibilitätsstörungen, Gesichtsfeldausfälle, Sprachstörungen oder Persönlichkeitsveränderungen auslösen. Bisweilen kommt es zur Ausbildung eines akuten organischen Psychosyndroms mit paranoiden oder aggressiven Zügen.
Bei einer Lokalisation im Bereich des Kleinhirns oder Stammhirns können Ataxie, Schwindel oder Hirnstammsyndrome auftreten. Bei einer Hirndrucksteigerung kann es zu Apathie, Müdigkeit und Bewusstseinstrübungen kommen.
Ferner können sich die Patienten mit den Symptomen eines Schlaganfalls präsentieren, wenn es zu einer Einblutung in die Hirnmetastase kommt. Vermehrte hämorrhagische Neigungen zeigen vor allem Hirnmetastasen, die von Melanomen oder Chorionkarzinomen ausgehen.
Diagnostik
Hirnmetastasen werden i.d.R. radiologisch im Rahmen eines Tumorstagings erkannt. In einigen Fällen ist eine Biopsie notwendig.
Radiologie
Hirnmetastasen weisen ein variables Erscheinungsbild in der Bildgebung auf. Einige Metastasen neigen zur Einblutung, insbesondere maligne Melanome, Nierenzell-, Chorion-, Schilddrüsen-, Bronchial- und Mammakarzinome.
Computertomographie
Hirnmetastasen können in der Computertomographie (CT) sowohl hypodens als auch isodens oder hyperdens (v.a. Melanom) erscheinen. Das Ausmaß des umgebenden vasogenen Ödems und das Kontrastmittel-Enhancement (z.B. punktförmig, nodulär, ringförmig) sind ebenfalls variabel.
Magnetresonanztomographie
In der Magnetresonanztomographie (MRT) zeigen Hirnmetastasen folgende Charakteristika:
- T1w: oft iso- bis hypointens. Bei Einblutung und bei Melaninablagerungen hohes Signal.
- T2w: meist hyperintens.
- FLAIR: meist hyperintens. Umgebendes hyperintenses Ödem.
- DWI/ADC: überproportionales Ödem mit erleichterter Diffusion (dunkel in DWI, hell in ADC)
MR-Spektroskopie
Die MR-Spektroskopie zeigt folgende unspezifische Befunde:
- erhöhter Cholin-Peak (im Tumor, nicht im Ödem)
- erhöhte Lipide bei Tumornekrose
- fehlender N-Acetylaspartat-Peak
Nuklearmedizin
Die FDG-PET kann Metastasen ab einer Größe von 1,5 cm detektieren. Metastasen bei Lungen-, Mamma-, Kolorektal- und Schilddrüsenkarzinomen sowie bei Melanomen und Kopf-Hals-Tumoren sind i.d.R. hypermetabolisch. Eine verminderte Stoffwechselaktivität zeigen muzinöse Adenokarzinome und Nierenzellkarzinome. Gliome und Lymphome weisen ein variables Erscheinungsbild auf. Hinweisend auf eine Nekrose ist ein zentrales hypometabolisches Areal.
Differenzialdiagnose
Radiologisch müssen Hirnmetastasen von folgenden Differenzialdiagnosen unterschieden werden:
- primärer Hirntumor (v.a. Glioblastom): Zentrum v.a. in der weißen Substanz; erstreckt sich auf die ependymale Oberfläche; NAA-Peak fehlt nicht komplett.
- Hirnabszess: zentrale Diffusionsrestriktion; Dual Rim Sign; glatter, vollständiger Randsaum mit geringer Intensität in der SWI
- subakuter Hirninfarkt: Gyriformes Enhancement; korrelierendes vaskuläres Versorgungsgebiet.
- Meningeom: Extraaxiale Lokalisation; homogenes Enhancement; Dural Tail Sign
- iatrogen (nach Operation oder Radiatio): anfangs hypermetabolisch, im Verlauf hypometabolisch im FDG-PET
Therapie
Bei Hirnmetastasen kommt je nach Art, Lokalisation und Ausmaß sowohl eine Bestrahlung (externe Ganzhirnbestrahlung, stereotaktische Bestrahlung) als auch eine Chemotherapie oder eine chirurgische Resektion in Frage. Mit Ausnahmen von Keimzelltumoren, Leukämien und Lymphomen ist eine kurative Therapie nur selten möglich.
Symptomatisch werden Glukokortikoide zur Ödemreduktion, Antikonvulsiva bei Krampfanfällen und Mannitol bei erhöhtem Hirndruck eingesetzt. In einigen Fällen wird supportiv Methylphenidat oder Modafinil zur Verbesserung von Fatigue und der kognitiven Leistung eingesetzt.
Prognose
Patienten mit Hirnmetastasen haben ohne Therapie eine mittlere Überlebenszeit von einem Monat, mit Therapie von unter einem Jahr.
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