Dysembryoplastischer neuroepithelialer Tumor
Englisch: dysembryoplastic neuroepithelial tumor
Definition
Ein dysembryoplastischer neuroepithelialer Tumor, kurz DNET, ist ein benigner (ZNS-WHO-Grad 1), langsam wachsender glioneuronaler Tumor. Er entsteht in der grauen Substanz und ist in 80 % d.F. mit einer kortikalen Dysplasie verbunden.
Epidemiologie
Dysembryoplastische neuroepitheliale Tumoren werden meist bei Kindern oder jungen Erwachsenen diagnostiziert. Eine Assoziation mit dem Noonan-Syndrom wird vermutet.
Lokalisation
DNETs treten in über 65 % d.F. im Temporallappen auf. Weitere häufige Lokalisationen sind der Frontallappen (20 %), der Nucleus caudatus, das Kleinhirn und der Pons.
Klinik
Patienten mit DNETs werden i.d.R. durch therapierefraktäre fokale Krampfanfälle auffällig. Der erste Krampfanfall tritt meist vor dem 20. Lebensjahr auf. Bei Lokalisation im Kleinhirn beklagen die Patienten oft eine Ataxie.
Diagnostik
Pathologie
Makroskopie
Makroskopisch zeigen DNETs eine heterogene, oft gallertartige Schnittfläche mit festeren Knötchen.
Mikroskopie
Pathohistologisch sind DNETs gemischte glioneuronale Tumoren mit multiplen Knötchen und heterogener zellulärer Zusammensetzung. Säulenförmige Axonbündel, das sog. "spezifische glioneuronale Element" (SGNE), sind von Oligodendrozyten-ähnlichen Zellen umgeben, die rechtwinklig zur darüberliegenden Großhirnrinde ausgerichtet sind. Zwischen den Säulen befinden sich "schwimmende Neuronen" und sternförmige Astrozyten. DNETs sind häufig mit einer fokalen kortikalen Dysplasie (FKD) assoziiert.
Histologisch werden drei Formen unterschieden:
- einfach: nur SGNE
- komplex: SGNE mit glialen Knötchen und multinodulärer Architektur
- unspezifisch: keine SGNE trotz klinischen und neuroradiologischen Zeichen eines komplexen DNETs
Immunhistochemie
Die sternförmigen Astrozyten innerhalb der SGNE sind positiv für GFAP. Die Oligodendrozyten-ähnlichen Zellen sind S100- und OLIG2-positiv. Weiterhin können sie NOGO-A und Myelin-Oligodendrozyten-Glykoprotein (MOG) exprimieren. Die schwimmenden Neuronen sind NeuN-positiv.
DNETs zeigen keine IDH- oder TP53-Mutation und keine 1p/19q-Kodeletion. Dadurch können sie von IDH-mutierten Astrozytomen und 1p/19q-kodeletierten Oligodendrogliomen differenziert werden.
Molekulargenetik
Bei dysembryoplastischen neuroepithelialen Tumoren ist häufig eine Duplikation der FGFR1-Tyrosinkinase nachweisbar.
Radiologie
Computertomographie
DNETs zeigen sich in der Computertomographie (CT) als hypodense Raumforderungen mit minimaler oder fehlender Kontrastmittelanreicherung. Sie sind i.d.R. im Bereich der Großhirnrinde lokalisiert und können die Tabula interna umformen ohne sie zu erodieren. Verkalkungen kommen in 30 % d.F. vor.
Magnetresonanztomographie
In der Magnetresonanztomographie (MRT) zeigt die kortikale Läsion kaum ein umgebendes vasogenes Ödem. Die Raumforderung weist folgende Charakteristika auf:
- T1w: hypointens im Vergleich zum angrenzenden Hirnparenchym
- T2w: hyperintens, oft bläschenartiges Erscheinungsbild ("bubbly")
- FLAIR: gemischte Signalintensität mit Bright Rim Sign. Einige "Blasen" sind partiell supprimiert.
- T1w-KM: In 20-30 % der Fälle Enhancement (heterogen oder wandständig nodulär)
- SWI: Verkalkungen sind relativ häufig, Blutungen bzw. Hämosiderinablagerungen eher selten.
- DWI: keine Diffusionsrestriktion
- MR-Spektroskopie: unspezifisch, ggf. Vorhandensein von Laktat
Differenzialdiagnosen
- Gangliogliom: häufigeres Kontrastmittel-Enhancement. Verkalkungen in 50 %, kein blasiges Erscheinungsbild
- Pleomorphes Xanthoastrozytom: deutliches Enhancement. Dura-Schwanz-Zeichen
- Diffuses low-grade-Astrozytom, IDH-mutiert: kein SGNE
- Oligodendrogliom, IDH-mutiert und 1p/19q-kodeletiert: kein SGNE
- Desmoplastisches infantiles Gangliogliom/Astrozytom: Kleinkinder, deutliche Beteiligung der Dura, große, meist multiple Läsionen.
- Multinodulärer vakuolisierender neuronaler Tumor: ebenfalls blasiges Erscheinungsbild, jedoch i.d.R. in der juxtakortikalen weißen Substanz lokalisiert.
- Neuroepitheliale Zyste
- Fissura-choroidea-Zyste
Therapie
Dysembryoplastische neuroepitheliale Tumore wachsen nur sehr langsam. Eine maligne Transformation ist eine Rarität. Aufgrund der rezidivierenden Krampfanfälle wird bei einigen Patienten eine chirurgische Resektion empfohlen.