Hämangioblastom
Synonyme: kapilläres Hämangioblastom, Lindau-Tumor
Englisch: hemangioblastoma
Definition
Hämangioblastome gehören zu den vaskulären Neoplasien des zentralen Nervensystems (ZNS) und kommen vor allem bei jungen Erwachsenen vor. Es handelt sich um einen benignen, überwiegend im Kleinhirn lokalisierten Tumor.
Einteilung
Hämangioblastome sind gutartig (WHO Grad I).
Ätiologie
Hämangioblastome entstehen aus der Pia mater und pathologischen Kapillaren. Die zur Transformation führenden Faktoren sind aktuell (2021) noch Gegenstand der Forschung. Vermutlich steht eine gestörte Funktion des VHL-Proteins im Vordergrund, die zu einer Deregulation von HIF führt. Infolge werden vermehrt Wachstumsfaktoren wie VEGF gebildet und somit Angiogenese und Tumorwachstum gefördert.
Rund 80 % der Hämangioblastome entstehen sporadisch, 20-25 % sind mit dem Von-Hippel-Lindau-Syndrom assoziiert. Patienten mit Von-Hippel-Lindau-Syndrom entwickeln in ca. 60 % d.F. ein Hämangioblastom.
Epidemiologie
Hämangioblastome machen 2 % aller intrakraniellen und 10 % der innerhalb der hinteren Schädelgrube wachsenden Tumoren aus. Die meisten Patienten erkranken zwischen dem 20. und 40. Lebensjahr, wobei Männer vermehrt erkranken.
Lokalisation
Die häufigste Lokalisation sind mit 80 % die Kleinhirnhemisphären oder der Kleinhirnwurm, das zervikale Rückenmark mit 10 % und der Hirnstamm mit 3 %. Weiterhin kommen retinale Hämangioblastome vor.
Extrem selten sind extrakranielle Hämangioblastome, dann v.a. in der Niere.
Pathophysiologie
Spinale Hämangioblastome sind in 70 % d.F. mit einer Syringomyelie assoziiert, die für die Symptome primär verantwortlich ist. Weiterhin können sie Erythropoetin produzieren und dadurch eine sekundäre Polyzythämie verursachen.
Obwohl Hämangioblastome stark vaskularisiert sind, treten Blutungen nur selten auf.
Symptomatik
Je nach Lokalisation unterscheiden sich die Symptome. Möglich sind z.B.
Spinale Tumoren führen u.a. zu sensorischen und motorischen Ausfällen.
Diagnostik
Das Hämangioblastom wird radiologisch mittels MRT und ggf. CT diagnostiziert.
Pathologie
Makroskopie
Makroskopisch erscheint der Tumor zu 60 % zystisch, 40 % sind von fester Konsistenz. Er ist rundlich und hat aufgrund des hohen Fettgehaltes eine gelbliche Farbe. Häufig entsteht durch Exsudation aus der soliden vaskulären Komponente des Tumors eine assoziierte Zyste.
Mikroskopie
Mikroskopisch zeigen sich in der HE-Färbung zahlreiche dünnwandige Kapillaren mit hyperplastischen Endothelzellen und Perizyten, die von Stromazellen mit reichlich zytoplasmatischen Lipidvakuolen umgeben werden. Zudem ist der Gehalt an Retikulin sehr hoch. Mitosen werden nicht, Verkalkungen, Einblutungen und Nekrosen selten beobachtet.
Im Gegensatz zum Nierenzellkarzinom sind Hämangioblastome immunhistochemisch positiv für Vimentin und negativ für das endotheliale Membranantigen (EMA). Weitere Marker sind:
- positiv: S100, N-CAM1 (CD56), Inhibin-alpha, Aquaporin 1, TFE3, Retikulin
- negativ: AE1/AE3, CAM5.2, RCC, PAX8, PAX2, CD10, NSE, GFAP
Radiologie
- CT: Der solide Knoten ist isodens zum Gehirn und zeigt ein intensives homogenes Kontrastmittel-Enhancement. Die Zyste ist mit Flüssigkeit gefüllt und zeigt kein Enhancement.
- MRT: Hypo- bis isointenser (T1-Wichtung) bzw. hyperintenser Knoten (T2-Wichtung), Zyste ist isointens zum Liquor. Enhancement des Knotens, jedoch nicht der Zystenwand. Flow Void in 60-70 % im Randbereich der Zyste.
Differenzialdiagnosen
- Metastasen eines klarzelligen Nierenzellkarzinoms: Mitosen, Nekrosen. Positiv u.a. für AE1/AE3, CAM5.2, EMA. Negativ u.a. für Inhibin-alpha und N-CAM1.
- Ependymom
- pilozytisches Astrozytom
- Glioblastom
- Meningeom
- Medulloblastom
Therapie
Eine radikale Exstirpation stellt einen potentiell kurativen Ansatz dar. Präoperativ kommt eine Embolisation in Frage. Bei inkompletter Resektion kann eine adjuvante Bestrahlung erwogen werden.
Prognose
Nach einer kompletten Resektion kann von einer sehr guten Prognose ausgegangen werden. Mit einem Rezidiv ist in bis zu 25 % der Fälle zu rechnen.
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