Waterhouse-Friderichsen-Syndrom
nach dem englischen Arzt Rupert Waterhouse (1873-1958) und dem dänischen Kinderarzt Carl Friderichsen (1886-1979)
Englisch: Waterhouse-Friderichsen syndrome
Definition
Das Waterhouse-Friderichsen-Syndrom, kurz WFS, ist die Komplikation einer fulminanten Sepsis, meist ausgelöst durch eine Infektion mit Neisseria meningitidis. Das WFS führt zu einer disseminierten intravasalen Gerinnung (DIC) mit Multiorganversagen, Schock und Koma.
- ICD10-Code: A39.1+
Hintergrund
Früher wurde die Blutung in die Nebennieren mit der daraus resultierenden akuten Nebenniereninsuffizienz als zentraler Pathomechanismus des Waterhouse-Friderichsen-Syndroms angesehen. Hierbei handelt es sich jedoch nur um eine sekundäre Störung im Rahmen des WFS.
Epidemiologie
Das Waterhouse-Friderichsen-Syndrom tritt gehäuft bei Kleinkindern, Menschen mit Immunsuppression und bei Asplenie auf.
Ätiologie
Das Syndrom wird meist durch eine Infektion mit Neisseria meningitidis (Meningokokken) ausgelöst, aber auch durch Pneumokokken, Hämophilus influenzae oder Staphylokokken. Es kann im Rahmen eines OPSI-Syndroms auftreten.
Pathogenese
Beim Waterhouse-Friderichsen-Syndrom kommt es zu einer massiven Überschwemmung des Körpers mit Erregern, ohne dass eine spezifische Immunreaktion ausgelöst wird. Die von den Erregern freigesetzten Endotoxine führen zur Liberation von Zytokinen. Dadurch wird das Gerinnungs- und Komplementsystems aktiviert. Die überschießende Aktivierung des Gerinnungssystems triggert eine disseminierte intravasale Gerinnung (DIC) und schließlich einen septischen Schock.
Symptome
Die Erkrankung verläuft foudroyant und kann innerhalb weniger Stunden zum Exitus führen. Erste unspezifische Symptome sind Blässe, Fieber, Erbrechen und Kopfschmerzen. Ein Meningismus kann vorhanden sein, aber auch fehlen.
- Haut: Auf Haut und Schleimhäuten bilden sich zunächst rötliche, typhoide Makeln, die kurz darauf in eine Purpura fulminans mit Petechien, Suffusionen und Sugillationen übergehen. Die einzelnen Herde konfluieren. Die graurote Farbe kann dabei an Leichenflecke erinnern.
- Kreislauf: Es entwickelt sich rasch eine ausgeprägte Hypotension, die in einen Schock mit deutlicher peripherer Zyanose übergeht.
- Atmung: Dyspnoe, respiratorische Insuffizienz
- ZNS: Das Bewusstsein ist eingetrübt, die Patienten sind apathisch, im fortgeschrittenen Zustand komatös. Es können Krämpfe auftreten.
- Nieren: Oligurie oder Anurie
- Zeichen einer Nebenniereninsuffizienz
Diagnostik
Durch die fehlende spezifische Immunreaktion beim Waterhouse-Friderichsen-Syndrom weichen die diagnostischen Befunde teilweise von der normalerweise bei einer Meningokokkeninfektion erwarteteten Konstellation ab.
- Bakteriologie
- Mikroskopischer Nachweis von Diplokokken in Blut, Liquor oder Hautläsionen
- Erregerbestimmung mittels Blutkultur oder PCR
- Differentialblutbild: Leukozyten leicht erhöht oder normal. Auch eine Leukopenie ist möglich und prognostisch ungünstig.
- Thrombozytopenie (< 30.000/µl)
- C-reaktives Protein: erhöht oder normal
- Liquoruntersuchung: fehlende Liquorpleozytose trotz Bakteriennachweis
Therapie
Das Waterhouse-Friderichsen-Syndrom erfordert eine sofortige intensivmedizinische Therapie. Sie umfasst u.a.
- Kalkulierte Antibiotikatherapie mit einem Cephalosporin der 3. Generation (z.B. Cefotaxim 200 mg/kgKG/Tag in 3 Einzeldosen). Zur Abdeckung einer möglichen Listerien- oder Enterokokkenlücke kann zusätzlich das Aminopenicillin Ampicillin gegeben werden.
- Schockbekämpfung mit parenteraler Volumengabe und Gabe von Katecholaminen. Bei persistierendem Schock zusätzlich Vasopressin und Milrinon.
- Therapie der DIC durch Gabe von Thrombozytenkonzentraten sowie Substitution von Antithrombin und Protein C
Bei ZNS-Beteiligung können supportiv Glukokortikoide gegeben werden. Bei rein septischem Verlauf bringen sie wahrscheinlich keine Vorteile.
Prognose
Das Waterhouse-Friderichsen-Syndrom führt in ca. 90% aller Fälle zum Tode des Patienten. Unbehandelt beträgt die Letalität fast 100%.
Prävention
Präventiv wirken Meningokokkenimpfung, HIB-Impfung und Pneumokokkenimpfung. Bei Auslandsreisen in Gebiete mit hoher Meningitis-Prävalenz ist eine Impfung mit quadrivalentem Meningokokken-Impfstoff gegen die Serogruppen A, C, W135 und Y empfehlenswert.
Infizierte Personen sollten nach Beginn der Antibiotikatherapie für mindestens 24 Stunden isoliert werden. Allen engen Kontaktpersonen (Familie, Gemeinschaftseinrichtungen) wird eine Chemoprophylaxe mit Rifampicin, Ciprofloxacin oder Ceftriaxon über 2 Tage empfohlen.
Meldepflicht
Gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 IfSG ist der Krankheitsverdacht, die Erkrankung sowie der Tod durch Meningokokken-Sepsis namentlich gegenüber dem zuständigen Gesundheitsamt meldepflichtig. Nach § 7 Abs. 1 IfSG erstreckt sich die Meldepflicht auch auf den direkten Nachweis von Neisseria meningitidis aus Liquor, Blut oder hämorrhagischen Hautinfiltraten, soweit er auf eine akute Infektion hinweist. Die Meldungen müssen dem Gesundheitsamt spätestens 24 Stunden nach erlangter Kenntnis vorliegen.
Literatur
- Altmeyer P et al.: Basiswissen Dermatologie. 2009. Springer Verlag
- Ehlen, M: Allgemeine und spezielle diagnostische und therapeutische Prinzipien: Teil II Pädiatrische Intensivmedizin 2014, Thieme Verlag
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