(Weitergeleitet von Sudeck-Syndrom)
Synonyme: Morbus Sudeck, Sudeck Krankheit, Sudeck'sche Dystrophie, Sudeck-Dystrophie, Sudeck-Syndrom, Algodystrophie, Sympathalgie, Komplexes regionales Schmerzsyndrom, Sympathische Reflexdystrophie (SRD), Reflex Sympathetic Dystrophy Syndrome (RSD)
Englisch: CRPS
CRPS, kurz für Complex Regional Pain Syndrome (engl. für komplexes regionales Schmerzsyndrom), ist eine chronische neurologische Erkrankung, die unter anderem mit Schmerzen, Sensibilitätsstörungen und trophischen Störungen einhergeht. Sie tritt nach Weichteil- oder Nervenverletzungen einer Extremität auf, häufig in Zusammenhang mit einer Fraktur oder Quetschung.
Für das CRPS vom Typ I wird häufig noch die ältere Bezeichnung Morbus Sudeck verwendet – benannt nach ihrem Entdecker Paul Sudeck (1866–1945), einem Hamburger Chirurgen.
Die Pathogenese des CRPS ist nicht vollständig geklärt. Es handelt sich um einen irregulären Heilungsverlauf des verletzten Gewebes. Das Auftreten eines CRPS ist dabei nicht von der Schwere der Verletzung abhängig - die Verletzung kann sogar so geringfügig sein, dass der Patient sich nicht an sie erinnert. Infolge der Verletzung kommt es zu einer Fehlregulation des sympathischen Nervensystems, die den normalen Heilungsverlauf blockiert und stattdessen einen Circulus vitiosus von Schmerz und nachfolgender Sympathikusreaktion in Gang setzt.
Derzeit (Stand 2022) wird diskutiert, dass es bei der CRPS zu einer Entzündungsreaktion kommt, bei der ein Überschuss an Mediatoren (z.B. Substanz P, CGRP) ausgeschüttet wird, der nicht mehr abgebaut werden kann und dadurch die neurogene Entzündungsreaktion verlängert. Diese Dysregulation soll auch im ZNS auftreten, wodurch es ebenfalls zu einer Sensibilisierung der zentralen schmerzverarbeitenden Neuronen kommen soll.
Ähnlich wie beim Phantomschmerz scheint es auch bei der CRPS zu einer Veränderung der neuronalen Verarbeitung der somatosensiblen Reize im Cortex zu kommen ("kortikale Reorganisation"). Diese Mechanismen würden die Ausweitung der Schmerzen über ein bestimmtes neuronales Versorgungsgebiet erklären.
Das CRPS tritt nach Frakturen bei etwa 1-2% der Patienten auf, nach peripheren Nervenverletzungen bei ungefähr 2-5% der Patienten. Frauen sind häufiger betroffen als Männer, ebenso Personen zwischen dem 40. und 70. Lebensjahr. Die Erkrankung zeigt sich häufiger an den Armen als an den Beinen: Das häufigste Trauma, das eine CRPS auslöst, ist die distale Radiusfraktur. Hier werden Inzidenzen zwischen 7% und 37% berichtet.
Die Symptome des CRPS sind anfangs unspezifisch und werden oft falsch interpretiert bzw. vom behandelnden Arzt nicht ernst genommen. Sie können darüber hinaus stark variieren. Bei der CRPS handelt es sich jedoch um eine Krankheit, nicht um eine Befindlichkeitsstörung. Typische Krankheitszeichen sind:
Die sensorischen Störungen treten regional auf und sind nicht streng auf das Versorgungsgebiet eines Nerven beschränkt. Sie können bei emotionaler Belastung oder Stress zunehmen. Der Schmerz führt häufig dazu, dass Patienten eine Schonhaltung einnehmen und den Gebrauch der betroffenen Extremität einschränken.
Fortgeschrittene Symptome des CRPS sind Osteoporose und Gelenkversteifung (Ankylose). Im Endstadium kommt es zur Atrophie bzw. Dystrophie der betroffenen Extremität.
Der Krankheitsverlauf ist individuell sehr unterschiedlich. Milde Verlaufsformen können nach Wochen spontan zurückgehen. In anderen Fällen nimmt die Erkrankung an Intensität zu und kann schließlich so gravierend werden, dass sie die normale Lebensführung des Patienten stark einschränkt. Eine weitere Form des Krankheitsverlaufs ist der Wechsel zwischen Remission und Exazerbation.
Die Einteilung in Schweregrade ist nicht immer trennscharf, da sich einzelne Symptome überschneiden können und das Fortschreiten der Erkrankung interindividuell sehr unterschiedlich ist.
Von einigen Autoren wird zusätzlich noch ein Grad 4 definiert, der durch Störungen des Immunsystems, generalisierte Ödeme und den Wechsel von Hypotonie und Hypertonie gekennzeichnet ist.
Die Diagnose wird in der Regel klinisch gestellt. Wegweisend ist das Missverhältnis zwischen Gewebeschädigung und Symptomatik.
Es gibt kein einfaches apparatives Testverfahren, um die Diagnose "CRPS" zu sichern. Hilfsweise eingesetzte Diagnoseverfahren sind:
Nach den modifizierten Budapest-Kriterien kann die Diagnose CRPS gestellt werden, wenn der Patient folgende Punkte erfüllt:
Das therapeutische Vorgehen bei CRPS ist abhängig von der Schwere des Krankheitsbilds. Die möglichen Maßnahmen sind sehr breit gefächert, da es keinen Therapieansatz gibt, der für sich allein befriedigende Ergebnisse liefert. Empfohlen wird eine multimodale Therapie, welche die verschiedenen Aspekte der Erkrankung adressiert.
Die ganglionäre Opioid-Analgesie (GLOA) am Ganglion Stellatum mit Buprenorphin (Temgesic®) - nicht zu verwechseln mit der Stellatumblockade - ist ein relativ effektiver Behandlungsansätze mit guter klinischer Wirkung. Er ist bisher noch nicht weit verbreitet.
Im Rahmen der Ergotherapie des CRPS versucht der Ergotherapeut durch gezielte aktive Bewegungen, auch handwerklicher Einsatz von z.B. Ton ist möglich, die aktive Muskulatur zu erhalten und dadurch Bewegungseinschränkungen zu vermindern. Die Ergotherapie arbeitet mit Hilfe der Ödemreduktion oder auch Lymphdrainage, um Schwellungen zu beseitigen. Ebenso ist zu bedenken, dass die Mobilisierung der angrenzenden Gelenke erfolgen muss, da durch Schmerz meist unbewusst Kompensationsbewegungen entstehen. Diese können wiederum dazu führen, dass neue Schmerzen in anderen Gelenken oder auch Verspannungen in der oberen Extremität entstehen.
Zur Förderung des Kraftaufbaus können Ergotherapeuten in der chronischen Phase spezielle Schienen (Dynamische Schienen) anpassen.
Eine Hauptaufgabe der Ergotherapie in diesem Einsatzgebiet ist die Hilfsmitteladaption, um das alltägliche Leben zu erleichtern.
Wärme- oder Kälteanwendungen sind beim CRPS kontraindiziert, auch passive Bewegung verschlechtert das Krankheitsbild. Beübung in den Schmerz verschlimmert das Bild zusehends, wobei schmerzarme aktive Bewegungen die Muskelverhältnisse normalisieren und die Nerven positiv anregen.
Die Physiotherapie kann mittels manueller Lymphdrainage und vorsichtiger Kompressionstherapie das Krankheitsbild positiv beinflussen. Ziel ist es dabei, den Lymphabfluss zu beschleunigen und den Lymphstau zu reduzieren, damit die Beweglichkeit und Stoffwechselsituation vor Ort verbessert wird.
Weitere Therapiemöglichkeiten sind u.a.:
siehe auch: Volkmann'sche Kontraktur
Fachgebiete: Allgemeinmedizin, Orthopädie
Diese Seite wurde zuletzt am 6. Dezember 2022 um 10:18 Uhr bearbeitet.
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