Stellatumblockade
Definition
Unter einer Stellatumblockade versteht man die gezielte therapeutische Lokalanästhesie (Nervenblockade) des Ganglion stellatum.
Hintergrund
Das Ganglion stellatum übernimmt die sympathische Hauptversorgung der oberen Extremität. Auch die sympathischen Nerven des Kopfes und Halses stehen i.d.R. mit dem Ganglion stellatum in Verbindung. Eine Läsion des Ganglion stellatum führt somit zu einer Denervierung dieser Bereiche und kann ein Horner-Syndrom verursachen. Die Stellatumblockade ist eine Behandlungsoption beim komplexen regionalen Schmerzsyndrom der oberen Extremität. Bereits eine partielle Läsion des Ganglions kann zu einer langfristigen und guten Schmerzlinderung führen. Weitere Effekte der Sympathikusblockade sind eine Vasodilatation und einer verminderte Schweißsekretion (Anhidrose).
Indikationen
Eine Stellatumblockade ist indiziert bei:
- CRPS Typ I der oberen Extremität und der Kopf-Hals-Region (meist posttraumatisch oder postoperativ)
- Schmerzsyndrome der Kopf-Hals-Region und der oberen Extremität, die durch eine Tumorinfiltration verursacht sind (z.B. Pancoast-Tumore, HNO-Tumoren)
Kontraindikationen
Mögliche Kontraindikationen sind:
- anatomische Besonderheiten der Arteria vertebralis, wenn sich das Gefäß auf dem Zugangsweg befindet
- übliche Kontraindikationen bei interventionellen Eingriffen: z.B. Antikoagulation, Blutgerinnungsstörungen, Infektionen, Allergien
- Kontralateraler Pneumothorax
- Zustand nach Lungenresektion auf der Gegenseite
- kontralaterale Parese des Nervus phrenicus oder Nervus laryngeus recurrens
- Grenzwertig kompensierte respiratorische Insuffizienz
- AV-Block
Durchführung
Die Stellatumblockade wird stets nur einseitig unter permanenter Überwachung der Vitalparameter durchgeführt (Puls, Blutdruck, Blutgase). Die bilaterale Blockade kann eine lebensgefährliche Stimmband- oder Zwerchfelllähmung auslösen.
Früher wurde die Stellatumblockade anhand von anatomischen Leitstrukturen durchgeführt. Heutzutage erfolgt sie in der Regel bildgesteuert (meist mittels CT). Dadurch kann ein transskalenaler Zugang benutzt werden. Man unterscheidet Blockaden mit Lokalanästhetika von Alkoholneurolysen und Radiofrequenzneurolysen.
Materialien
- Desinfektionsmittel für die Hautdesinfektion
- Einmalkanüle 22 G
- Einmalspritze
- 5 - 10 ml Lokalanästhetikum, z.B.
- Bupivacain (0,25 % - 0,5 %)
- Mepivacain (1 %)
Sondierung
Bei der konventionellen Methode erfolgt die Punktion von vorne am liegenden Patienten (Rückenlage). Zunächst wird die Arteria carotis palpiert. Der Einstich wird 1 bis 2 cm lateral des Ringknorpels senkrecht in Richtung auf den Querfortsatz des 6. Halswirbels gesetzt. Die Arteria carotis wird dabei mit dem Finger nach lateral verdrängt und die Nadel medial am Finger vorbei geführt. Nach dem Knochenkontakt zieht man die Nadel 1 bis 2 mm zurück und aspiriert. Ist die Aspiration negativ, kann das Lokalanästhetikum injiziert werden. Nach erfolgter Injektion wird der Patient aufgesetzt, um ein Abfließen der Injektionsflüssigkeit nach kaudal zu erreichen.
Bei der inzwischen gängigen bildgesteuerten Punktion werden nach Erstellen eines CT-Topogramms axiale CT-Bilder mit 2,5 mm Schichtdicke von C6–Th2 mit intravenöser Kontrastmittelinjektion angefertigt, um das Ganglion stellatum und mögliche naheliegende Gefäßstrukturen wie die Arteria vertebralis zu lokalisieren. Anschließend wird der sicherste Weg für die Sonde gewählt (meist anterolateral, alternativ anterior oder lateral). Dann wird die Haut des Patienten desinfiziert und ein steriles Abdecktuch aufgelegt. Nun wird ein Lokalanästhetikum am Eintrittspunkt verabreicht. Man schiebt die Sonde langsam und vorsichtig schrittweise unter CT-Steuerung vor, bis die Sondenspitze etwas vor dem Processus transversus des Wirbelkörpers von HWK 7 oder BWK 1 und unmittelbar hinter der Arteria vertebralis liegt. Um naheliegende Strukturen zu verschieben und schmale Durchgangswege zu erweitern, eignet sich die Injektion von Kochsalzlösung, kombiniert mit einer lateralen Verschiebung und Rotation der Kanülenspitze (Bevel-Edge-Rotation).
Lokalanästhetikum
Eine Blockade mit Lokalanästhetika empfiehlt sich, um bei unklarer Diagnose festzustellen, ob der Schmerz des Patienten tatsächlich sympathischen Ursprungs ist, bevor eine definitive Blockade durchgeführt wird. Dabei nutzt man normalerweise die Höhe C7. Die Sondenposition wird durch Injektion von verdünntem Kontrastmittel kontrolliert. Meist werden dabei 66 bis 88 mm lange 22-G-Einwegnadeln verwendet. An der Zielstelle wird eine Mischung aus schnell und langsam wirkendem Lokalanästhetikum injiziert, z.B. 0,5 bis 2 ml Lidocain 1 % und 0,5 bis 2 ml Ropivacain 0,25 %. Die durchschnittliche Dauer des Eingriffs beträgt dabei ungefähr 15 Minuten.
Alkoholneurolyse
Auch bei der Alkoholneurolyse wird eine 22-G-Sonde verwendet und die korrekte Position der Sondenspitze durch Injektion von verdünntem Kontrastmittel kontrolliert. Jedoch wird die Mischung aus kurz- und langwirksamen Lokalanästhetikum gemeinsam mit Kontrastmittel injiziert. Dadurch kann die mögliche Verteilung des Alkohols eingeschätzt werden. Außerdem erfolgt die Alkoholneurolyse nur bei einem positiven Blocktest, d.h. bei einer sofortigen Minderung der Schmerzen oder bei Auftreten eines Horner-Syndroms. Anschließend wird sehr langsam 0,3 - 0,5 ml hochprozentiger Alkohol injiziert.
Radiofrequenzneurolyse
Bei der Radiofrequenzneurolyse werden zwei 22-G-Radiofrequenzkanülen an die Zielorte C7 und Th1 positioniert. Sobald die Nadelspitzen positioniert sind, wird 1 ml verdünntes Kontrastmittel injiziert, um die genaue Platzierung der Sondenspitze zu kontrollieren und um eine versehentliche arterielle Punktion zu vermeiden. Danach wird der Stimulationsmodus verwendet: Um sicherzustellen, dass sich die Sondenspitze in einem sicheren Abstand von den motorischen Nervenfasern befindet, sollten bei der motorischen Stimulation keine Faszikulationen bei 2 V und 2 Hz festgestellt werden. Eine Mischung aus kurz- und langwirksamen Lokalanästhetikum wird vor Beginn der Neurolyse appliziert. Im nächsten Schritt wird die Radiofrequenzelektrode in die Kanüle eingeführt und mit dem Generator verbunden. Die gewünschte thermische Läsion wird bei einer Temperatur von 55 - 80°C in 60 s erreicht. Dieser Vorgang kann bis zu dreimal wiederholt werden. Dabei wird die Kanüle jedes Mal um 1–3 mm vor- und zurückbewegt. Das Verfahren dauert ca. 35 bis 45 min.
Nachsorge
Eine Stellatumblockade wird ambulant durchgeführt. Normalerweise werden die Patienten nach dem Eingriff für etwa 20 Minuten überwacht und vor der Entlassung eine Blutdruckkontrolle durchgeführt. Häufig wird eine Kontrolluntersuchung ca. einen Monat nach dem Eingriff empfohlen.
Komplikationen
Es können die bei interventionellen Eingriffen üblichen Komplikationen wie Hämatombildung, Infektionen, Nerven- oder Plexusläsionen auftreten. Des Weiteren kann der Eingriff zu einer Pleuraläsion oder einem Pneumothorax führen. Dies ist bei CT-gesteuerter Intervention jedoch sehr selten.
Weiterhin kann ein Horner-Syndrom auftreten, wobei dieser Effekt bei einer guten Sondenpositionierung zu erwarten ist. Das Horner-Syndrom ist bei Blockade mit Lokalanästhetikum und selbst bei Radiofrequenzablationen in der Regel reversibel.
Weitere mögliche Komplikationen sind Heiserkeit (Rekurrenslähmung) und Gefäßverletzungen (Vena jugularis, Arteria carotis, Arteria vertebralis).
Outcome
Die Stellatumblockade mit Lokalanästhetika hat im Allgemeinen eine positive mittelfristige Wirkung mit einer durchschnittlichen Schmerzlinderung von ca. 40 Tagen, wenn sie bei CRPS Typ I durchgeführt wird. Langzeiteffekte wurden nur selten systematisch untersucht.
Die Effizienz der Alkoholneurolyse wurde bisher (2024) ebenfalls nicht genau untersucht. Die verfügbaren Studien zeigen eine höhere Rate eines permanenten Horner-Syndroms bei gleichzeitig positiver Langzeitwirkung in Bezug auf die Schmerzlinderung. Da Alkohol fett- und wasserlöslich ist, besteht die Gefahr der Diffusion in den epiduralen und subduralen Raum und in die umgebenden motorischen Nervenstrukturen. Daher wird die Alkoholneurolyse nur bei strenger Indikationsstellung durchgeführt, insbesondere bei behandlungsresistenten, tumorbedingten Schmerzen.
Die Radiofrequenzneurolyse weist bessere Langzeitergebnisse bei Patienten mit CRPS Typ I im Vergleich zu Typ II oder zu Neuralgien der oberen Extremität auf. Sie ist nach 2 Jahren noch bei 67 % der Patienten mit CRPS Typ I wirksam. Die Komplikationsrate ist mit ca. 1,7 % sehr gering. Am häufigstens sind ein meist reversibles Horner-Syndrom und ein prävertebrales lokales Hämatom. Darüber hinaus bewirkt eine Radiofrequenzneurolyse eine partielle Neurolyse und zerstört daher nicht die gesamte Ganglionfunktion. Das Therapieansprechen ist höher bei frühzeitigem Therapiebeginn.
Literatur
- Niesel et al.: Lokalanästhesie, Regionalanästhesie, Regionale Schmerztherapie. 2003. Thieme Verlag
- Maratos Y, Kastler A, Kastler B. Tomografisch gestützte Ganglion-stellatum-Neurolysen zur Behandlung regionaler Schmerzsyndrome. In: Grönemeyer D, Hrsg. Mikrotherapie - Wirbelsäule. 1. Auflage. Stuttgart: Thieme; 2023
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