Englisch: distal radius fracture
Unter der distalen Radiusfraktur, kurz DRF, versteht man einen Knochenbruch, der maximal drei Zentimeter proximal des Handgelenks lokalisiert ist.
Die distale Radiusfraktur macht ein Viertel aller Frakturen aus. Sie ist die häufigste Fraktur des erwachsenen Menschen. Die Inzidenz beträgt bei Personen über 35 Jahren 0,37 % (Frauen) bzw. 0,09 % (Männer).[1] Bei über 50-Jährigen steigt die Inzidenz auf 15 % (Frauen) bzw. 2 % (Männer).
Die distale Radiusfraktur kann durch indirekte und direkte Gewalteinwirkung hervorgerufen werden. Am häufigsten ist die direkte Gewalteinwirkung durch einen Sturz auf die Hand.
Nach der aktuellen AO-Klassifikation zählt die distale Radiusfraktur zur Regio 2R3.[2] Weiterhin wird unterschieden zwischen extraartikulären, partiell-artikulären und intraartikulären Frakturen. 50 % der distalen Radiusfrakturen sind intraartikulär.
Fraktur | Komplexität |
---|---|
A: Extraartikuläre Fraktur |
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B: Partiell-artikuläre Fraktur |
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C: Artikuläre Fraktur |
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Die Galeazzi-Fraktur zählt nicht zu den distalen Radiusfrakturen, sondern zu den Radiusschaftfrakturen.
Typische Symptome der distalen Radiusfraktur sind:
Bei einer distalen Radiusfraktur sind diverse Begleitverletzungen möglich, z.B.:
Der Unfallhergang sowie die Klinik weist häufig schon auf die Diagnose hin. Im Rahmen der klinischen Untersuchung sollten periphere Durchblutung, Motorik und Sensibilität (pDMS) überprüft werden.
Die Diagnosesicherung erfolgt anhand von Röntgenbildern in zwei Ebenen (p.a. und streng seitlich, wobei das distale Unterarmdrittel komplett abgebildet sein sollte):
Je nach Situation können weitergehende diagnostische Methoden notwendig sein:
Neben einer initialen schmerzadaptierten Analgesie sowie einer Hochlagerung und Kühlung der betroffenen Extremität sollte eine Ruhigstellung mittels Unterarmschiene erfolgen. Nach Diagnosesicherung ergeben sich je nach Situation konservative oder operative Therapiemöglichkeiten.
Eine konservative Therapie kann im ambulanten Setting erfolgen
Dabei wird unter Fortführung der Analgesie und regelmäßigen Verlaufskontrollen eine Ruhigstellung im fixierenden Unterarmverband für 4 bis 6 Wochen empfohlen. Nach ungefähr drei Monaten ist bei unkompliziertem Verlauf mit einer uneingeschränkten Belastbarkeit zu rechnen.
Bei allen dislozierten Frakturen, die nicht notfallmäßig operiert werden müssen, sollte frühzeitig eine geschlossene Reposition durchgeführt werden. Dabei sind mehrfache Versuche zu vermeiden, da hierdurch das Risiko für ein komplexes regionales Schmerzsyndrom (CRPS) ansteigt. Unter intravenöser Analgesie, Bruchspalt-, Regionalanästhesie oder Kurznarkose erfolgt die Reposition mittels manuellem Zug. Eine Person fixiert den abduzierten Oberarm in 90°-Flexion im Ellenbogengelenk, wobei der Unterarm flach auf der Unterlage liegen soll. Die andere Person reponiert unter Zug an der Hand und mit Daumendruck auf das distale Radiusfragment.
Alternativ kann die Hand für 15 Minuten über Mädchenfänger aufgehangen werden. Anschließend erfolgt eine Reposition durch Daumendruck auf das distale Radiusfragment.
Nach erfolgter Reposition wird ein fixierter Unterarmverband angelegt und eine Röntgenkontrolle durchgeführt. Im Verband sollte optimalerweise eine Handgelenksextension von 20 bis 30° vorliegen. Des Weiteren sollte der Verband palmar bis an die Beugefalte, dorsal bis auf Höhe der Fingergrundgelenke reichen.
Eine Operation ist notfallmäßig indiziert bei:
Des Weiteren sollte am Unfall- oder Folgetag bzw. sekundär 5 bis 7 Tage nach einer geschlossenen Reposition eine operative Therapie erfolgen bei:
In der Regel ist hierfür eine stationäre Aufnahme für ca. 2 Tage notwendig. Je nach Verfahren erfolgt postoperativ eine Ruhigstellung, z.B. in dorsaler Unterarmgipsschiene.
Die Spickdraht- bzw. Kirschner-Draht-Osteosynthese ist indiziert bei extraartikulären Frakturen ohne große Trümmerzone bei guter Knochenqualität, d.h. insbesondere bei Kindern.
Nach Reposition unter Röntgenkontrolle werden meist zwei Kirschner-Drähte perkutan oder über eine Stichinzision in einem Winkel von 30 bis 45° zur Radiuslängsachse implantiert und in der Gegenkortikalis verankert. Nach einer Gipsruhigstellung und regelmäßigen Nachkontrollen kann das Material nach 4 bis 6 Wochen entfernt werden.
Spezifische Risiken der Spickdrahtosteosynthese sind eine Schädigung des Ramus superficialis des Nervus radialis sowie eine Drahtwanderung, insbesondere bei zu schnellem Einbringen der Kirschner-Drähte.
Die Schraubenosteosynthese wird insbesondere bei Frakturen des Processus styloideus radii angewendet. Der Zugang erfolgt über eine ca. 3 cm lange radiale Längsinzision über dem Processus. Das restliche Vorgehen ähnelt der Spickdrahtosteosynthese, wobei mindestens ein Kirschner-Draht überbohrt und durch kanülierte Zugschrauben ersetzt wird.
Postoperativ können frühfunktionelle Übungen ohne Belastung durchgeführt werden (übungsstabil). Ab der vierten Woche kann mit dem Belastungsaufbau begonnen werden, ab der 8. Woche ist mit einer uneingeschränkte Bewegung und Belastung zu rechnen. Nach erfolgter Konsolidierung der Frakturenden kann das Material entfernt werden.
Als spezifische Risiken dieses Verfahrens sind die Schädigung des Ramus superficialis des Nervus radialis sowie der Sehen des Musculus abductor pollicis longus und Musculus extensor pollicis brevis zu beachten.
Die Plattenosteosynthese erfolgt i.d.R. mit einer winkelstabilen Platte. Dabei unterscheidet man eine palmare von einer dorsalen Plattenosteosynthese. Erstere wird sehr häufig eingesetzt, z.B. bei Flexionsfrakturen, aber auch bei komplexeren Extensionsfrakturen. In der Regel ist postoperativ eine frühfunktionelle Behandlung ohne Belastung möglich (übungsstabil) und eine Materialentfernung nicht notwendig. Die restliche Nachsorge gleicht der einer Schraubenosteosynthese.
Bei einem ausgedehnten Weichteilschaden, offenen oder infizierten Frakturen bzw. bei Polytrauma kann temporär oder als definitive Versorgung ein Fixateur externe notwendig sein.
Die Schwere der Fraktur bestimmt die Prognose. Bei einfachen Frakturen ist sie gut, bei komplizierten Frakturen mit ausgeprägter Gelenkbeteiligung kann eine Funktionseinschränkung verbleiben oder sich eine Arthrose entwickeln. Die Inzidenz eines CRPS beträgt ca. 3 %.[3]
Diese Seite wurde zuletzt am 20. Oktober 2021 um 10:58 Uhr bearbeitet.
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