Rucaparib
Handelsname: Rubraca®
Englisch: rucaparib
Definition
Rucaparib ist ein antineoplastischer Arzneistoff aus der Klasse der PARP-Inhibitoren zur Behandlung des Ovarialkarzinoms.
Chemie
Rucaparib enthält vier zyklische Teilelemente, darunter ein Benzol und ein Fluor-Benzen. Die Summenformel lautet C19H18FN3O; das Molekulargewicht beträgt 330,7 g/mol.[1]
Wirkmechanismus
Rucaparib ist ein Inhibitor von Poly(ADP-ribose)-Polymerase-Enzymen (PARPs), einschließlich PARP-1, PARP-2 und PARP-3. Der Wirkstoff bindet an das aktive Zentrum der PARPs, die mit der DNA assoziiert sind, und verhindert so deren Dissoziation ("PARP trapping"). Die PARPs verbleiben an der DNA und blockieren den Platz für Enzyme der Basenexzisionsreparatur (BER). Wenn die Replikationsgabeln auf das PARP-DNA-Addukt stoßen, kommt es zu einem Doppelstrangbruch.[1]
In normalen Körperzellen können Doppelstrangbrüche durch homologe Rekombination repariert werden. Bei Tumorzellen ist das meist nicht der Fall. Ihnen fehlen Komponenten der homologen Rekombinationsreparatur (HRR), z.B. BRCA1 oder BRCA2. Doppelstrangbrüche können daher nicht suffizient repariert werden. Alternativ werden von der Krebszelle fehleranfällige Reparaturwege wie die nicht-homologe Endverknüpfung (NHEJ) angestoßen. Das führt zu einer Anhäufung von DNA-Schäden und damit zu einer erhöhten genomischen Instabilität. Nach mehreren Replikationsrunden wird die genomische Instabilität so groß, dass die Zelle die Apoptose einleitet. Klinisch kommt es dann zur Regression des Tumors.
Pharmakokinetik
Die mittlere absolute orale Bioverfügbarkeit von Rucaparib nach einer Einzeldosis von 12 bis 120 mg beträgt etwa 36 %. Die Wirkung von Nahrungsmitteln auf die Pharmakokinetik wird als klinisch nicht signifikant angesehen. In vitro wird Rucaparib vorwiegend von CYP2D6, zu einem geringeren Teil von CYP1A2 und CYP3A4 metabolisiert. Die Elimination erfolgt zum größeren Teil über die Fäzes (> 70 %), zu einem kleineren Teil renal (< 20 %). Der steady state wird nach 1 Woche der Anwendung erreicht.[1]
Indikationen
- Monotherapie für die Erhaltungstherapie bei erwachsenen Patientinnen mit fortgeschrittenem (FIGO Stadien III und IV) high-grade epithelialem Ovarial-, Eileiter- oder primärem Peritonealkarzinom, die nach Abschluss einer platinbasierten Erstlinien-Chemotherapie in Remission sind (vollständig oder partiell).[1]
- Monotherapie für die Erhaltungstherapie bei erwachsenen Patientinnen mit platinsensitivem, rezidiviertem, high-grade epithelialem Ovarial-, Eileiter- oder primärem Peritonealkarzinom, die nach platinbasierter Chemotherapie in Remission sind (vollständig oder partiell).[1]
Darreichungsform
Rucaparib wird oral in Form von Filmtabletten mit 200, 250 oder 300 mg Wirkstoff verabreicht.[1]
Dosierung
Die empfohlene Dosis beträgt 600 mg zweimal täglich, entsprechend einer Tagesgesamtdosis von 1.200 mg.[1]
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Nebenwirkungen
Folgende Nebenwirkungen können häufig (≥ 1/100, < 1/10) oder sehr häufig (≥ 1/10) auftreten:[1]
- Myelodysplastisches Syndrom (MDS), Akute myeloische Leukämie (AML)
- Anämie, Neutropenie, Thrombozytopenie, Leukopenie, Lymphopenie, febrile Neutropenie
- Exanthem, Photosensibilität
- Inappetenz
- Schwindel, Dysgeusie
- Dyspnoe
- Erbrechen, Diarrhö, Übelkeit, Dyspepsie, Abdominalschmerz
- Fatigue
- Anstieg des Serumkreatinins, erhöhte ALAT und ASAT, Hypercholesterinämie
Wechselwirkungen
Rucaparib ist ein moderater Inhibitor von CYP1A2 und ein schwacher Inhibitor von CYP2C9, CYP2C19 und CYP3A ist. Rucaparib hemmt darüber hinaus in geringem Umfang P-gp im Darm.[1]
- Bei gleichzeitiger Gabe von Substanzen, die ebenfalls über CYP1A2 metabolisiert werden (z.B. Tizanidin, Theophyllin), ist ggf. eine Dosisanpassung notwendig.
- Bei gleichzeitiger Gabe von Warfarin muss eine Überwachung des INR-Werts in Betracht gezogen werden, bei Gabe von Phenytoin eine Überwachung des therapeutischen Arzneimittelspiegels.
- Vorsicht ist geboten bei gleichzeitiger Gabe von Arzneimitteln, die CYP3A-Substrate mit einer engen therapeutischen Breite sind, z.B. Alfentanil, Astemizol, Cisaprid, Ciclosporin, Dihydroergotamin, Ergotamin, Fentanyl, Pimozid, Chinidin, Sirolimus, Tacrolimus, Terfenadin.
Kontraindikationen
- Überempfindlichkeit gegen den Wirkstoff[1]
- Schwangerschaft[1]
Zulassung
Nutzenbewertung
Das Nutzenbewertungsverfahren für Rucaparib wurde am 06.06.2024 abgeschlossen. Auf der Basis der vom IQWiG gesichteten Daten kam der G-BA zu der Einschätzung, dass ein Zusatznutzen nicht belegt sei.[2]
Kosten
Die Jahrestherapiekosten pro Patientin für Rucaparib betragen laut IQWIG etwa 56.995 €.[3]
Quellen
- ↑ 1,00 1,01 1,02 1,03 1,04 1,05 1,06 1,07 1,08 1,09 1,10 1,11 European Medicines Agency (EMA). Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels (Rubraca®), abgerufen am 03.12.2024
- ↑ Gemeinsamer Bundesausschuss (G-BA). Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Arzneimittel-Richtlinie: Anlage XII – Nutzenbewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen nach § 35a SGB V: Rucaparib (Neues Anwendungsgebiet: Ovarialkarzinom, Eileiterkarzinom oder primäres Peritonealkarzinom, Erhaltungstherapie nach Erstlinientherapie). Berlin: G-BA; 6. Juni 2024, verfügbar unter: www.g-ba.de, abgerufen am 5.12.2024.
- ↑ IQWiG. Rucaparib (Ovarialkarzinom; Erhaltungstherapie nach Erstlinientherapie) – Nutzenbewertung gemäß § 35a SGB V im März 2024, abgerufen am 03.12.2024
um diese Funktion zu nutzen.