Thrombotisch-thrombozytopenische Purpura
Synonyme: Moschcowitz-Syndrom (nach dem Erstbeschreiber), Morbus Moschcowitz, TTP
Englisch: thrombotic thrombocytopenic purpura
Definition
Die thrombotisch-thrombozytopenische Purpura, kurz TTP, ist ein Erkrankungsbild, das durch Thrombozytopenie, hämolytische Anämie und zentralnervöse Symptome gekennzeichnet ist. Es zählt zu den thrombotischen Mikroangiopathien (TMA).
- ICD10-Code: M31.1
Einteilung
- cTTP: angeborene ("congenital") thrombotisch-thrombozytopenische Purpura
- aTTP: erworbene ("acquired") thrombotisch-thrombozytopenische Purpura
Ätiopathogenese
Ursache der TTP ist eine gestörte enzymatische Modifikation des endothelialen von-Willebrand-Faktors mit pathologisch erhöhter Plasma-Konzentration großer vWF-Multimere, die auch als UL-vWF bezeichnet werden. Diese geht mit einer hyperreaktiven Plättchenaggregation und Thrombenbildung im Bereich der Kapillaren (Mikrothromben) einher, in deren Folge es zu einer mechanischen Zerstörung der Erythrozyten (Erythrozytenfragmentierung) und Ischämie des Versorgungsgebietes mit Organschädigung kommt.
Als biomolekularer Pathomechanismus konnte eine gestörte Aktivität der Metalloprotease ADAMTS-13 in Folge eines Gendefektes (hereditäre TTP, Upshaw-Shulman-Syndrom) oder einer Autoimmunreaktion (sekundäre TTP) identifiziert werden. Weitere mögliche Ursachen der sekundären TTP sind:
- Autoantikörperbildung im Rahmen einer Transplantatabstoßung (z.B. KMT)
- bakterielle Infektionskrankheiten
- verschiedene Medikamente (z.B. Ticlopidin, Cyclosporin u.a.)
Ein erhöhtes Risiko ist bei Gestosen (HELLP-Syndrom), HIV-Infektion und Krebserkrankungen zu verzeichnen.
Klinik
Die Symptomatik des TTPS umfasst:
- Symptome der hämolytischen Anämie:
- leichter Ikterus
- verminderte Leistungsfähigkeit, Abgeschlagenheit
- Schwindel
- Ohrensausen
- Kopfschmerzen
- Tachykardie
- Ischämiebedingte Organbeteiligung:
- Niereninsuffizienz
- ZNS-Symptomatik mit progredienter Verschlechterung durch renal bedingte Urämie
- Verwirrung, Delir, Koma
- Krampfanfälle
Diagnostik
Neben der Anamnese bezüglich oben genannter Risikofaktoren und körperlicher Untersuchung erfordert die Diagnostik der TTPS die Erhebung des neurologischen Status, sowie eine umfassende labordiagnostische Abklärung.
Labor
Das Blutbild zeigt eine normochrome normozytäre Anämie und eine Thrombozytopenie. Im Blutausstrich sind Fragmentozyten nachweisbar. LDH und Bilirubin sind erhöht, die Gerinnungsparameter meist normgerecht. Bei Nierenbeteiligung sind Elektrolyte und harnpflichtige Substanzen (Kreatinin, Harnstoff u.a.) erhöht.
Eine verminderte ADAMTS-13-Aktivität lässt sich direkt messen oder indirekt mittels gelelektrophoretischer Multimeranalyse des Plasma-vWF nachweisen. Bei hereditärer Erkrankung kann eine genetische Untersuchung Aufschluss geben.
Score
Da eine schnelle Messung der ADAMTS-13-Aktivität meist nicht möglich ist, werden Prognoseinstrumente (Scores) eingesetzt, um die Wahrscheinlichkeit einer TTP unter Berücksichtigung der klinischen und laborchemischen Parameter abzuschätzen:[1]
Parameter | PLASMIC-Score | French-Score |
---|---|---|
Thrombozytenzahl | < 30 x 109/l (1 Punkt) | < 30 x 109/l (1 Punkt) |
Kreatininwert | < 2 ng/ml (1 Punkt) | < 2,26 ng/ml (1 Punkt) |
Hämolyseparameter | Retikulozytenzahl > 2,5 % oder
Haptoglobin nicht nachweisbar oder indirektes Bilirubin > 2mg/dl (1 Punkt) |
– |
Assoziierte Konditionen | Keine aktive Krebserkrankung (1 Punkt)
Keine Transplantation von Organen oder hämatopoetischen Stammzellen in der Vorgeschichte (1 Punkt) |
– |
MCV | < 90 fl: (1 Punkt) | – |
INR | < 1,5: (1 Punkt) | – |
ANA | – | Positiv (1 Punkt) |
Die Auswertung der Scores erfolgt anhand der Punktevergabe und teilt die Wahrscheinlichkeit in gering, mittel und hoch ein:
Wahrscheinlichkeit | PLASMIC-Score | French-Score |
---|---|---|
Gering | 0 - 4 Punkte | 0 Punkte |
Mittel | 5 Punkte | 1 Punkt |
Hoch | 6 - 7 Punkte | 2 - 3 Punkte |
Erreicht der French-Score 0 Punkte, wird die Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen eines TTP mit 2 % angegeben. Bei 1 Punkt beträgt sie 70 % und bei 2 Punkten 94 %. Beim PLASMIC-Score können insgesamt 7 Punkte erreicht werden. Ein geringes Risiko wird hier mit einer Wahrscheinlichkeit von 4 % angegeben. Bei 5 Punkten liegt ein TTP zu 24 % vor, bei 6 und 7 Punkten zu 62 % bzw. 82 %.[1]
Differentialdiagnostik
Differentialdiagnostisch sollten in Erwägung gezogen werden:
- Gerinnungsstörungen, insbesondere Thrombozytopathien mit petechialen Blutungen und Purpura
- nephrogene Enzephalopathie
ITP | TTP | DIC |
---|---|---|
IgG-Antikörper gegen Thrombozyten | Endotheldefekt | Überschuss/Aktivierung von Thrombin |
INR und PTT normal | INR und PTT normal | INR und PTT erhöht |
Fibrinogen und D-Dimer normal | Fibrinogen und D-Dimer normal | Fibrinogen erniedrigt, D-Dimer erhöht |
weniger symptomatisch | stärker symptomatisch | stärker symptomatisch |
Therapie
Die TTP ist ein lebensbedrohliches Krankheitsbild, das sofortiges Handeln gebietet. Sie erfordert Plasmapherese und Plasmaaustausch durch Frischplasmakonzentrate sowie konsequente immunsuppressive Therapie mittels intravenöser Glukokortikoidgabe. Eine weitere Behandlungsmaßnahme ist die Gabe von Rituximab im Rahmen eines Off-label-Use. Seit 2018 steht ein bivalenter Nanobody (Caplacizumab) zur Verfügung, der sich gegen den von-Willebrand-Faktor richtet.
Bei sekundärer TTP folgt die kausale Therapie der Grunderkrankung durch
- Antibiotikatherapie bei bakterieller Infektion
- Überprüfung und Absetzen der Medikamente
- andere Erkrankungsbilder, siehe dort
Seit 2024 steht eine Enzymersatztherapie (EET) mit rekombinantem ADAMTS13 zur Behandlung eines ADAMTS13-Mangels bei Kindern und Erwachsenen mit kongenitaler thrombotisch-thrombozytopenischer Purpura (cTTP) zur Verfügung.[2]
siehe auch: von-Willebrand-Faktor, Blutgerinnung, Thrombozyt
Quelle
- ↑ 1,0 1,1 Chiasakul et al. Clinical and laboratory diagnosis of TTP: an integrated approach. Hematology Am Soc Hematol Educ Program 2018(1):530-538. 2018
- ↑ Adzynma, EMA, abgerufen am 03.09.2024
um diese Funktion zu nutzen.