Königskobra
Zoologische Bezeichnung: Ophiophagus hannah
Etymologie: von griechisch "ophiophagus" - "schlangenfressend"
Englisch: King cobra
Definition
Die Königskobra ist eine Giftschlange aus der Familie der Giftnattern (Elapidae). Es handelt sich um die größte Giftschlangenart der Welt. Die Tierart ist epidemiologisch relevant als Verursacher von Giftbissen beim Menschen. Bissunfälle kommen im Vergleich zu anderen Giftschlangen im gleichen Verbreitungsgebiet selten vor.
Systematik
Die Königskobra ist die einzige Art der Gattung Ophiophagus. Sie ist von der Gattung der Echten Kobras (Naja) abzugrenzen. Beide Gattungen zählen zu den Giftnattern.
Es ist fraglich, ob es sich bei Ophiophagus hannah angesichts des relativ großen Verbreitungsgebietes um eine einzelne Art oder einen Arten-Komplex handelt.
Biologie
Die Königskobra weist einen kräftigen Körperbau auf, die Gesamtlänge beträgt bis 550 cm, zumeist 200 bis 350 cm. Der große Kopf setzt sich deutlich vom Hals ab. Das Auge weist eine runde Pupille auf. Der Hut ist oberseits, also im Nackenbereich, ungezeichnet, wenn der für Kobras typische Hut aufgestellt wird. Der Hut einer ausgewachsenen Königskobra ist relativ schmal, unterseits sind Hut, Hals und Vorderkörper gebändert. Kopf und Körper weisen glatte Schuppen und zumeist eine olivgrüne Färbung auf. Jungtiere sind auffällig gebändert. Die Königskobra pflanzt sich durch Oviparie fort; Weibchen verteidigen ihr 20 bis 40 Eier umfassendes Gelege. Das Beutespektrum setzt sich aus anderen Schlangen, seltener weiteren Reptilien zusammen. Gegenüber dem Menschen weist die Art kein aggressives Verhalten auf. Bedrängt man sie, setzt sich die Schlange jedoch durchaus zur Wehr. In Abwehrhaltung (erhobener Vorderkörper mit gespreiztem Hut) kann sie sich je nach Körpergröße bis zu 1,5 m hoch aufrichten und aus dieser Position heraus den Gegner gezielt vorschnellend beißen.
Giftapparat
Der Giftapparat im Allgemeinen ist typisch für alle Vertreter der Giftnattern:
- Giftdrüse: evolutionsbiologisch betrachtet eine umgebildete Speicheldrüse, seitlich beiderseits des Schädels, von Muskeln umgeben.
- Giftkanal, welcher Giftdrüse und Giftzähne verbindet.
- Giftzähne (Fangzähne): relativ klein (bis 10 mm), festsitzend bzw. nicht beweglich, beiderseits im vorderen Oberkiefer befindlich. Sie besitzen einen Giftkanal, über welchen das Gift im Falle eines Bisses injiziert wird.
Verbreitung
Die Königskobra ist innerhalb Südostasiens in folgenden Ländern verbreitet: Bangladesch, Bhutan, Brunei, Kambodscha, China, Hong Kong, Indonesien, Indien, Malasien, Myanmar, Nepal, Philippinen, Singapur, Thailand, Vietnam. Es werden verschiedene, zumeist feuchte Habitate besiedelt, etwa tropische und subtropische Urwälder, Reisfelder, Grasland oder sonstige Waldgebiete. Sehr trockene Habitate werden gemieden. Die Art kommt gelegentlich in der Nähe zu menschlichen Siedlungen vor, was zu Konflikten führen kann. Ophiophagus hannah ist mancherorts bereits stark bedroht und ist gemäß EU-Artenschutzverordnung geschützt. Insgesamt ist der Bestand rückläufig.
Toxikologie
Das Giftsekret der Königskobra ist sehr wirksam, wenngleich auch nicht so stark wie das Gift der Echten Kobras (Naja sp.). In Anbetracht einer enormen Menge an Giftsekret, das im Falle eines Bisses injiziert werden kann, muss der Giftbiss als lebensbedrohlich betrachtet werden.
Das Toxingemisch weist postsynaptische Neurotoxine auf, die auf das vegetative und somatische Nervensystem wirken. Sie blockieren als Antagonisten die Nikotinrezeptoren der motorischen Endplatte. Dadurch kommt es zu Lähmungserscheinungen, die sich anfangs als Ptosis äußern und bis hin zu einer totalen Paralyse mit letaler Atemlähmung führen können. Des Weiteren sind Zytotoxine enthalten, welche durch Schädigung von Zellwänden zum Absterben von Zellen und Geweben führen (Zytolyse) und somit lokale Nekrosen bewirken können. Potente kardiotoxische Bestandteile sind ebenfalls vorhanden, eine Substanz aus der Gruppe der Drei-Finger-Toxine (beta-Cardiotoxin, Beta-Adrenozeptor-Antagonist) bewirkt eine für Elapiden-Gifte eher untypische Bradykardie.
Ophiophagus hannah (adult) kann nach Minton (1974) mit einem Biss die beträchtliche Menge von 350 bis 500 mg Giftsekret (Trockengewicht) abgeben. Nach Broad et al. (1979) beträgt die mittlere Letaldosis circa 1.80 mg/kg (Maus, s.c.). Unbehandelt liegt die Letalität zwischen 50 und 60 Prozent.
Symptome
Nach einem Giftbiss treten lokale Symptome wie Schmerzen, Schwellung, Erythem oder Juckreiz auf. Blasenbildung und eine mäßig ausgeprägte Nekrose können vorkommen. Es können folgende unspezifische Beschwerden auftreten: Schwitzen, vermehrte Salivation, Übelkeit, Emesis, Kopfschmerzen, Diarrhoe, Vertigo, Abdominalschmerzen, Krämpfe, Tachykardie oder Bradykardie und Hypotonie bis hin zum Schock, unter Umständen Tod durch Kreislaufversagen. Die neurotoxische Komponente bewirkt eine fortschreitende Paralyse, die sich im Anfangsstadium als Ptosis ausdrückt und zu einer peripheren Atemlähmung mit letalem Ausgang führen kann. Der Tod kann unbehandelt innerhalb weniger Stunden eintreten.
Komplikationen
- Sekundärinfektionen durch den Giftbiss oder mangelhafte Wundversorgung.
- Klassische Komplikationen sind allergische Reaktionen auf das Gift.
- Sekundäre Wundinfektion, Sepsis.
- Gegebenenfalls tritt eine sekundäre Nierenschädigung auf.
Therapie des Giftbisses
- Das Bissopfer muss Ruhe bewahren und die Bissstelle ist ruhig zu halten. Nach sofortiger Alarmierung des Notarztes sollte der Patient liegend in das nächstgelegene Krankenhaus transportiert werden.
- Die Kompressionsmethode ist anzuwenden, um die Distribution der Toxine zu verzögern. Dabei wird eine eventuell verstärkte Lokaltoxizität in Kauf genommen.
- Die Möglichkeit der künstlichen Beatmung ist unbedingt sicherzustellen. Nötigenfalls muss mehrtätig künstlich beatmet werden.
- Maßnahmen zur Vermeidung einer Sepsis sind zu treffen (ggf. Antibiotika), Tetanusprophylaxe.
- Schockprophylaxe.
- Infusion mit 0,9%iger Kochsalzlösung zwecks Nierenschutz.
- Weitere Maßnahmen dienen der symptomatischen Therapie.
- Antivenine: Allgemein gilt, dass der Einsatz von Antiveninen nur in Rücksprache mit einer Giftnotruf-Zentrale und nach gründlicher Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen sollte. Nach Bissen durch Kobras ist die Anwendung beim ersten Auftreten neurotoxischer Effekte indiziert. Folgende Präparate stehen beispielsweise zur Verfügung:
- Polyvalent Anti Snake Venom Serum (Produzent: Central Research Institute, India)
- King Cobra Antivenin (Thai Red Cross Society, Thailand)
Medizinischer Nutzen
Das Toxingemisch von Ophiophagus hannah und einige der darin enthaltenen Zootoxine im Speziellen sind Gegenstand der aktuellen Forschung. Im Folgenden einige Beispiele:
- Hannalgesin: diese Substanz weist sowohl bei parenteraler als auch peroraler Applikation pharmakologische Effekte auf. Unter anderem wirkt die Substanz stark analgetisch. In der effektiven Dosis von 16 bis 32 ng/g wurden keine starken unerwünschten Beeinträchtigungen von Motorik und Koordinierung oder starke Sedierung oder Muskelrelaxierung festgestellt. Die Antagonisierbarkeit der Wirkung durch Naloxon deutet auf eventuelle Wechselwirkung mit Opioidrezeptoren hin.
- Aminosäureoxidasen: L-amino-acid oxidase precursor (mittlere Letaldosis, parenteral, Maus: 5mg/ kg), hemmt die Aminosäuren Lysin, Methionin, Leucin, Isoleucin und Histidin. Die Substanz beeinflusst die Thrombozytenaggregation durch verschiedene Mechanismen, teilweise gegenteilig. Weiterhin ist eine antibiotische Wirksamkeit bei Bakterien (vor allem grampositive) durch intrazelluläre Freisetzung von Wasserstoffperoxid erwiesen. Möglicherweise induziert das Enzym eine Hämolyse sowie Apoptose. Durch Letzteres ist die Substanz interessant für die Forschung auf dem Gebiet der Tumortherapie.
Literatur
- O'Shea: Giftschlangen - Alle Arten der Welt in ihren Lebensräumen, Kosmos Verlag, 2006.
- Trutnau: Schlangen im Terrarium Bd. 2: Giftschlangen. Verlag Ulmer, Stuttgart 1998.
Quellen
- Dpt. of Anatomy, National University of Singapore: A novel analgesic toxin (hannalgesin) from the venom of king cobra (Ophiophagus hannah) ([1])
- uniprot.org: L-amino-acid oxidase precursor
- IUCN Red List of Threatened Species: Ophiophagus hannah