Schlangengift
Synonym: Schlangentoxin, Ophiotoxin
Englisch: snake venom
Definition
Schlangengifte sind Toxine, die von Giftschlangen produziert werden und dem Tier in erster Linie zum Beutefang und zur Verteidigung dienen.
Bestandteile
Die meisten Schlangengifte enthalten Enzyme aus der Gruppe der Hydrolasen und ggf. notwendige Kofaktoren, wie Magnesium, Kalzium oder Zink. Die Enzymbestandteile der verschiedenen Schlangengifte sind dabei sehr variantenreich. Man unterschiedet über 40 verschiedene Enzymarten, darunter Adenosintriphosphatase, Hyaluronidasen, Nukleosidasen, Peptidasen, Phosphodiesterasen oder Ribonukleasen.
Giftwirkung
Schlangengifte von Vipern (Viperidae) und einigen Giftnattern (Elapidae, z.B. die Monokel-Kobra) wirken ausgeprägt zytotoxisch, d.h. sie schädigen mittels Proteasen, Hyaluronidasen und Phospholipasen Zellen und Gewebe. Zu den wichtigsten Symptomen gehören Schmerzen, Schwellungen und Nekrosen.
Einige Substanzen bewirken eine Ausschüttung von Bradykinin und Histamin, wodurch es zu Hypotonie und Schock kommen kann.
Insbesondere viele Neurotoxine haben keine enzymatische Aktivität und wirken über Wechselwirkung mit Nikotinrezeptoren, beispielsweise etliche alpha-Elapitoxine sowie alpha-Bungarotoxine (postsynaptische Neurotoxine). Einige Neurotoxine wirken an der Präsynapse und verhindern die Ausschüttung von Acetylcholin aus den Speichervesikeln, beispielsweise beta-Bungarotoxine, Taipoxin oder Notexin. Sowohl postsynaptische als auch präsynaptische Neurotoxine können eine Paralyse mit peripherer Atemlähmung bewirken.
Viele Schlangen, insbesondere Spezies aus der Gruppe der Giftnattern (Elapidae), aber auch einige Vipern (Viperidae), verfügen über neurotoxische Giftkomponenten, darunter Seeschlangen, Korallenschlangen (Micrurus), Echte Kobras (Naja), Mambas (Dendroaspis), sowie die giftigste Schlange der Welt, der Inland-Taipan (Oxyuranus microlepidotus).
Weiterhin gibt es Schlangengifte mit ausgeprägten kardio-, myo- und hämotoxischen Eigenschaften. Koagulin (u. a.) kann eine Verbrauchskoagulopathie bewirken. Einige Phospholipasen wandeln Lecithin in hämolytisch wirksames Lysolecithin um.
Durch die allergene Wirkung der Toxine kann es über die direkte Giftwirkung hinaus zu einem anaphylaktischen Schock kommen.
Pharmakologie
Manche Schlangengifte bieten durch ihre Wirkung einen Ansatz zur Entwicklung von Arzneimitteln. So ist das Schlangengift der brasilianischen Jararaca-Lanzenotter strukturverwandt mit ACE-Hemmern wie Captopril oder Enalapril. Ancrod und Eptifibatid wirken der Entstehung von Thromben entgegen. Weitere Schlangengifte könnten zur Entwicklung neuer Analgetika oder Zytostatika führen.
Anwendungen in der Naturheilkunde
Schlangengifte werden in geringen Dosen auch im Rahmen der Naturheilkunde eingesetzt, z.B. bei Autoimmunerkrankungen, rheumatischen Erkrankungen oder Migräne. Ihre Wirkung ist umstritten, da es sich nicht um standardisierte Substanzen handelt und in der Regel keine kontrollierten klinischen Studien vorliegen.
Anwendung in der Hämostaseologie
Einige Schlangengifte werden aufgrund ihrer Wirkung als gerinnungsaktive Enzyme als Reagenzien in der Gerinnungsdiagnostik eingesetzt, zum Beispiel bei der Reptilasezeit, der Ecarin-Clotting-Time und dem diluted-Russel-Viper-Venom-Test.
Ancrod, ein Gift von Agkistrodon rhodostoma, wurde früher als Arzneimittel zur Behandlung der arteriellen Verschlußkrankheit eingesetzt. Durch "Defibrinierung" des Plasmas sollte eine Blutverdünnung erreicht werden.
Literatur
- Lüllmann et al.: Pharmakologie & Toxikologie, Thieme-Verlag.
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