Diabetes mellitus (Katze)
Synonyme: DM, Zuckerkrankheit
Englisch: diabetes mellitus
Definition
Diabetes mellitus, auch Zuckerkrankheit genannt, ist eine der häufigsten endokrinen Erkrankungen der Katze.
Vorkommen
Diabetes mellitus ist neben der Hyperthyreose die häufigste Endokrinopathie der Katze. Die Prävalenz hat in den letzten Jahren stark zugenommen und hängt vermutlich mit den veränderten Haltungs- und Fütterungsbedingungen zusammen.
Die meisten Katzen mit Diabetes mellitus sind älter als 4 Jahre (meist mind. 7 Jahre). Eine juvenile Diabetesekrankung (bei Katzen unter 1 Jahr) kommt nur sehr selten vor. Männchen sind deutlich häufiger (70 %) betroffen als Weibchen. Der Großteil der erkrankten Katzen sind Mischlinge, d.h. Hauskatzen, weshalb grundsätzlich alle Rassen erkranken können. Burma-Katzen scheinen jedoch gehäuft betroffen zu sein.
Einteilung
Die genauen Mechanismen der Entstehung eines felinen Diabetes mellitus sind bislang (2020) noch nicht vollständig untersucht. Um die verschiedenen Diabetes-Formen ätiologisch unterscheiden zu können, wird in der Tiermedizin meist eine zur Humanmedizin analoge Klassifikation verwendet. Demzufolge unterscheidet man folgende Typen:
- Diabetes mellitus Typ 1
- Diabetes mellitus Typ 2
- sekundärer Diabetes mellitus
Ätiopathogenese
Diabetes mellitus Typ 1
Der Diabetes mellitus Typ 1 entsteht meist infolge einer autoimmun bedingten Zerstörung der β-Zellen, die einen vollständigen Insulinmangel nach sich zieht. Diese Diabetes-Form kommt bei der Katze nur sehr selten vor.
Diabetes mellitus Typ 2
Der Großteil der diabetischen Katzen (etwa 80 %) leiden am sogenannten Diabetes mellitus Typ 2, der dem Typ-2-Diabetes des Menschen sehr ähnlich ist. Bei diesem Typ handelt es sich um eine heterogene Erkrankung, die durch Insulinresistenz (v.a. der Leber sowie des Muskel- und Fettgewebes auf Insulin) und β-Zelldysfunktion gekennzeichnet ist.
Ein Diabetes mellitus Typ 2 kann als Faktorenkrankheit angesehen werden, da sowohl Umwelteinflüsse als auch genetische Faktoren für die Ausbildung klinisch manifester Erkrankungen verantwortlich sind. Als wichtigster Risikofaktor gilt Übergewicht, welches das Erkrankungsrisiko etwa um den Faktor 4 erhöht. Zusätzlich wirken sich Bewegungsmangel (Wohnungskatzen), männliches Geschlecht, zunehmendes Alter und die Applikation von Glukokortikoiden sowie Progestagenen negativ aus.
Bei einigen Katzen mit klinisch manifestem Typ-2-Diabetes kann es bei rechtzeitiger Diagnose und adäquater Therapie zu einer Remission der Erkrankung kommen. Darunter wird eine Situation verstanden, bei der es zum völligen Verschwinden der klinischen Symptome (mind. für 4 Wochen) und zu einer Normalisierung der Blutglukose- und Fruktosaminkonzentrationen kommt, ohne Insulin von außen zuführen zu müssen. Solche Katzen dürfen jedoch keinesfalls als geheilt angesehen werden, da sie eine Diabetesdisposition besitzen und einen Rückfall erleiden können - insbesondere bei Gewichtszunahme oder Glukokortikoidgabe. Rund 25 bis 50 % der erkrankten Katzen erreichen eine Remission.
Sekundärer Diabetes mellitus
Diabetes mellitus kann sich auch infolge anderer Erkrankungen (sekundär) entwickeln. Etwa 20 % der diabetischen Katzen sind in diese Kategorie einzuordnen. Die wichtigsten diabetogenen Erkrankungen sind:
- Hypersomatotropismus (Akromegalie),
- Hyperadrenokortizismus (Morbus Cushing),
- Adenokarzinome des Pankreas und
- Pankreatitis.
Auch Medikamente wie z.B. Glukokortikoide und Progestagene können zu einer Diabeteserkrankung führen.
Pathophysiologie
Der Blutglukosespiegel wird durch zahlreiche Mechanismen innerhalb der physiologischen Grenzen gehalten. Kommt es zu einem Anstieg der Blutglukose (z.B. nach Futteraufnahme), erfolgt eine Insulinausschüttung aus den β-Zellen des Pankreas. Bei länger anhaltender Nahrungskarenz, erhöhtem Energiebedarf, Hypoglykämie sowie zwischen den Mahlzeiten sorgen verschiedene Hormone (Glukagon, Adrenalin, Kortisol und STH) für einen Anstieg der Blutglukose und verhindern so einen bedrohlichen Glukoseabfall (Hypoglykämie).
Ein Insulinmangel bei gleichzeitiger Glukagonsekretion hat Auswirkungen auf folgende Stoffwechselprozesse:
- Kohlenhydratstoffwechsel: Steigerung der Glukoneogenese und Glykogenolyse und verminderter Glukoseeintritt in die Zellen (v.a. Muskulatur und Fettgewebe) mit daraus resultierender Hyperglykämie, Glukosurie und osmotischer Diurese mit konsekutivem Wasser- und Elektrolytverlust.
- Fettstoffwechsel: Steigerung der Lipolyse mit sich daraus entwickelnder Lipämie und Leberverfettung.
- Proteinstoffwechsel: Steigerung des Proteinabbaus und daraus resultierender Anstieg der Blutglukose aufgrund erhöhter Glukoneogenese (aus glukoplastischen Aminosäuren), die zu Abmagerung, Schwäche und schlechter Wundheilung führt.
Klinik
Die meisten Katzen werden aufgrund von Polyurie, Polydipsie, Polyphagie und Gewichtsverlust vorstellig. Oft sind weitere Symptome wie
- Apathie,
- verminderte Interaktion mit Besitzern,
- verminderte Fellpflege und stumpfes Fell vorhanden.
Der Ernährungszustand betroffener Katzen kann je nach Ausgangslage, Dauer und Schweregrad der Erkrankung von adipös bis kachektisch reichen. Die meisten Katzen (50 bis 60 %) sind jedoch übergewichtig, 30 bis 40 % sind normalgewichtig und nur 5 bis 10 % mager bis kachektisch. Im Gegensatz zu diabetischen Hunden entwickeln Katzen keinen diabetogenen Katarakt. Rund 10 % der Katzen zeigen Symptome einer diabetes-assoziierten Neuropathie, die bevorzugt an den Hintergliedmaßen auftritt (Schwäche, Muskelatrophie, plantigrade Fußung). Bei der klinischen Untersuchung zeigt sich meist eine Hepatomegalie. Zusätzlich können die Tiere an Tachykardie, Tachypnoe und Ikterus leiden.
Je nach begleitender bzw. auslösender Erkrankung können weitere Symptome hinzukommen (z.B. Apathie, Anorexie, Erbrechen und selten auch Diarrhö). Bleibt ein Diabetes jedoch für längere Zeit unbekannt oder entwickelt eine diabetische Katze eine schwerwiegende Begleiterkrankung, kann es zu einer diabetischen Stoffwechselentgleisung kommen, die als diabetische Ketoazidose bezeichnet wird. Diese Katzen leiden meist an den selben Symptomen wie solche mit Pankreatitis: Apathie, Anorexie, verminderte Wasseraufnahme und Erbrechen.
Diagnose
Die Erhebung einer ausführlichen Anamnese (inkl. Medikamentenanamnese) und die Durchführung einer gründlichen klinischen Untersuchung sollten bei Verdacht auf einen Diabetes mellitus immer durchgeführt werden. Bei der Aufarbeitung der Diagnose ist es hilfreich, folgende drei Aspekte zu berücksichtigen:
- Diagnosesicherung eines Diabetes mellitus
- Untersuchungen bezüglich Begleiterkrankungen
- Untersuchungen bezüglich diabetogenen Grunderkrankungen
Die Diagnose Diabetes mellitus kann mithilfe folgender Untersuchungen bestätigt werden:
- Urinanalyse (Glukosurie, kann aber auch bei chronischer Niereninsuffizienz oder Stresshyperglykämie bestehen)
- erhöhte Blutglukosekonzentration (kann auch bei einer Stresshyperglykämie erhöht sein)
- erhöhte Fruktosaminkonzentration (bestätigt die Diagnose)
Differenzialdiagnosen
Differenzialdiagnostisch sind sämtliche Erkrankungen auszuschließen, welche die Symptome eines Diabetes mellitus vortäuschen oder diesen sogar auslösen können:
- Hyperthyreose (relativ selten, jedoch wird eine T4-Bestimmung empfohlen)
- Pankreatitis (kann sowohl Ursache als auch Folge eines Diabetes mellitus sein, Ausschluss mittels Messung der felinen Pankreaslipase)
- Hypersomatotropismus (Röntgen, Ultraschall und STH- bzw. IGF-1-Messung)
- Hyperadrenokortizismus (Dexamethason-Suppressionstest)
Therapie
Die Diabetes-Therapie besteht aus vier Grundpfeilern, die in jedem Behandlungsschema enthalten sein sollten:
- medikamentöse Therapie (z.B. Insulinsubstitution)
- diätetische Maßnahmen (Gewichtsreduktion, konstante und gezielte Ernährung)
- Vermeiden diabetogener Medikamente
- Behandlung von Begleiterkrankungen
Die medikamentöse Therapie richtet sich nach der Form des Diabetes: Bei Katzen mit unkompliziertem Diabetes mellitus Typ 2 kann eine Behandlung mit oralen Antidiabetika versucht werden. Hierfür eignen sich Sulfonylharnstoffe, wie z.B. Glipizid. Die Anfangsdosis liegt bei 2,5 mg/Katze BID mit dem Futter und kann nach 14 Tagen auf bis zu 5 mg/Katze BID gesteigert werden. Da Glipizid nur bei höchstens 30 % der diabetischen Katzen zum Therapieerfolg beiträgt, muss bei Nebenwirkungen, ausbleibendem Erfolg oder kompliziertem Diabetes mellitus auf mittellang wirksame Insuline (Basalinsuline) gewechselt werden.
Die Wahl des geeigneten Insulins richtet sich einerseits nach persönlichen Erfahrungen, andererseits nach der individuellen Wirkung und muss ggf. angepasst werden:
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Literatur
- Vera Schmidt, Marian C. Horzinek (Begründer), Hans Lutz, Barbara Kohn, Franck Forterre (Herausgeber). Krankheiten der Katze. 5., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Enke-Verlag, 2015.