Hypersomatotropismus (Katze)
Synonym: Akromegalie
Englisch: hypersomatotropism
Definition
Als Hypersomatotropismus bzw. Akromegalie der Katze bezeichnet man eine endokrine Erkrankung, bei der eine vermehrte Sekretion des somatotropen Hormons (STH) vorliegt.
Vorkommen
Bis vor einigen Jahren galt die Akromegalie als äußerst seltene Erkrankung bei der Katze. Mittlerweile (2021) wird jedoch angenommen, dass etwa 10 bis 15% aller Katzen mit Diabetes mellitus unter Akromegalie leiden.
Die Erkrankung tritt fast ausschließlich bei männlichen Tieren (etwa 85 bis 90%) auf. Die meisten Tiere sind dabei älter als 8 Jahre. Es sind keine Rasseprädispositionen bekannt.
Ätiopathogenese
Der Hypersomatotropismus wird in den meisten Fällen durch ein Adenom der somatotropen Zellen der Adenohypophyse verursacht. Ein Großteil dieser Tumore sezerniert ausschließlich STH. Nur selten werden weitere Hormone wie ACTH, Prolaktin, FSH und LH produziert. Anstatt eines Adenoms kann jedoch auch eine hyperplastische Entartung von STH-produzierenden Zellen vorliegen.
Die STH-Konzentration ist bei den Patienten chronisch erhöht. STH besitzt eine direkte und indirekte Stoffwechselwirkung, wobei Letztere auf eine Stimulation der IGF-1-Synthese in der Leber zurückzuführen ist. Im Regelfall resultieren hohe Insulinkonzentrationen und Nahrungsaufnahme ebenfalls in einem Anstieg der IGF-1-Konzentration, Fasten führt hingegen zu einem Abfall.
Der STH-Exzess hat folgende Auswirkungen:
- Proliferation von Knochen, Knorpel und Weichteilen (im fortgeschrittenen Erkrankungsstadium kommt es dadurch zur Vergrößerung der Akren)
- Größenzunahme der inneren Organe
- insulinantagonistische Wirkung
- gesteigerte Glukoneogenese in der Leber
- verminderte Glukoseaufnahme in den Zellen der extrahepatischen Gewebe
IGF-1 erhöht zwar die Insulinempfindlichkeit von Leber und anderen Gewebe, im Rahmen eines STH-Exzesses überwiegt jedoch die insulinantagonistische Wirkung von STH.
Klinik
Die klinischen Anzeichen sind ein Resultat aus der diabetogenen Wirkung von STH sowie der wachstumsfördernden Wirkungen von IGF-1 und STH. Bei großen Adenomen können zusätzlich neurologische Symptome vorliegen.
Mögliche Symptome sind unter anderem:
- Polyurie
- Polydipsie
- Polyphagie
- Diabetes mellitus
- Breitenzunahme des Kopfes
- Prognathia inferior
- Zunahme der Pfotengröße
- große Interdentalspalte
Die STH-Wirkung kann am Herzen zusätzlich zu einer sekundären hypertrophen Kardiomyopathie führen. Bei einem schlecht eingestellten bzw. schlecht einstellbaren Diabetes mellitus sollte zudem immer an das Vorliegen einer Akromegalie gedacht werden.
Diagnostik
Die Diagnose kann mittels Messung der IGF-1-Konzentration gestellt werden. IGF-1 ist dabei kaum tageszeitlichen Schwankungen unterlegen. Einige Punkte sind bei der Messung und Interpretation zu beachten:
- die IGF-1-Messung sollte erst nach einer mindestens 4-wöchigen Behandlung mit Insulin durchgeführt werden (vor Insulingabe kann der IGF-1-Wert normal oder sogar erniedrigt sein, da die STH-Rezeptoren nur dann exprimiert werden, wenn die portalen Insulinspiegel hoch sind)
- eine IGF-1-Konzentration über 1.000 ng/ml ist zwar sehr verdächtig für das Vorliegen einer Akromegalie, jedoch sollten zur Diagnosesicherung bildgebende Verfahren (CT oder MRT) zum Nachweis der hypophysären Masse eingesetzt werden
- nicht alle IGF-1-Assays sind gleichermaßen zuverlässig
Therapie
Die Therapie besteht einerseits aus der Behandlung der Akromegalie, andererseits aus der Bekämpfung des gleichzeitig vorliegenden Diabetes mellitus. Der STH-Exzess führt häufig zu einer Insulinresistenz, was eine adäquate Einstellung des Diabetes mellitus oft schwierig macht.
Zur Behandlung der Akromegalie können eine Hypophysektomie, Bestrahlung oder eine medikamentöse Therapie in Betracht gezogen werden. Die Hypophysektomie ist anspruchsvoll und wird derzeit nur in wenigen Kliniken durchgeführt. Die Strahlentherapie ist die am häufigsten angewandte Behandlungsmethode, wohingegen die medikamentöse Therapie mittels Somatostatinanalogon (Octreotid) bei der Katze kaum nennenswerte Verbesserungen zeigt. Im Rahmen der Behandlung der Akromegalie ist eine Remission des Diabetes mellitus möglich.
Quellen
- Lutz H, Kohn B, Forterre F (Hrsg.). 2019. Krankheiten der Katze. 6., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Georg Thieme Verlag KG. ISBN: 978-3-13-241649-9
- Hämmerling R (Hrgs.). 2009. Praxis der endokrinologischen Krankheitsbilder bei Hund und Katze. Von der Pathophysiologie zur Therapie. Stuttgart: MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co. KG. ISBN: 978-3-8304-4181-6