Diabetische Ketoazidose (Katze)
Synonym: DKA
Definition
Unter der diabetischen Ketoazidose der Katze versteht man eine schwerwiegende und komplexe Stoffwechselentgleisung bei felinem Diabetes mellitus.
Ätiologie
Die diabetische Ketoazidose ist eine perakut verlaufende Komplikation des Diabetes mellitus. Sie entsteht infolge eines länger bestehenden und/oder nicht diagnostizierten Diabetes mellitus oder sekundär aufgrund einer Begleiterkrankung (z.B. akute Diarrhö oder Pankreatitis).
Pathogenese
Die diabetische Ketoazidose ist eine lebensbedrohliche Stoffwechselentgleisung und die schwerste Komplikation des Diabetes mellitus. Aufgrund des gestörten Glukosetransports und des Insulinmangels in den Zellen kommt es zu einer Entgleisung des hepatischen Lipidstoffwechsels. Dies führt dazu, dass unveresterte Fettsäuren nicht in Triglyceride eingebaut, sondern zu Acetyl-Coenzym A (Acetyl-CoA) und NADH/H+ umgewandelt werden. Acetyl-CoA wiederum akkumuliert ungehindert in der Leber und wird in Ketonkörper (β-Hydroxybutyrat, Acetoacetat und Aceton) umgebaut, sodass es zu einem drastischen Abfall des pH-Werts kommt.
Durch die Hyperglykämie werden verstärkt Wasser (osmotische Diurese) und Elektrolyte ausgeschieden. Parallel häufen sich Ketonkörpern und Laktat an. In der Folge kommt es zu einer massiven Dehydratation, einer klinisch manifesten metabolischen Azidose sowie im Extremfall zu einem hypovolämischen Schock.
Klinik
Der größte Teil der betroffenen Katzen ist sichtlich krank und leidet an Symptomen wie Apathie, Anorexie, fehlender Wasseraufnahme, Schwäche und Erbrechen. Einige Besitzer übersehen die klassischen Diabeteszeichen und werden mit einer Katze in Seitenlage und weit fortgeschrittenem Krankheitszustand vorstellig.
Diagnose
Da es sich bei der diabetischen Ketoazidose um einen Notfall handelt, müssen diagnostische sowie therapeutische Maßnahmen zeitgleich gesetzt werden.
Die Diagnostik beinhaltet neben einer umfangreichen Anamnese und klinischen Untersuchung unter anderem Blutbild, Serologie (inkl. spezifische Pankreaslipase), Urinanalyse und ein Thorax-Röntgen sowie eine Abdomen-Sonographie.
Die typischen labordiagnostischen Befunde sind Hyperglykämie, metabolische Azidose und Glukosurie inkl. Ketonurie. Aufgrund der massiven Hypovolämie sind die Tiere häufig hämokonzentriert, zeigen eine prärenale Azotämie und eine Hyperproteinämie. Die osmotische Diurese verursacht Elektrolytverschiebungen, v.a. Hypokaliämie, Hyponatriämie, Hypomagnesiämie und Hypophosphatämie. Oftmals sind auch die Leberenzyme erhöht.
Therapie
Die Therapie ist anspruchsvoll und erfordert eine intensive stationäre Überwachung, die mit häufigen klinischen und labordiagnostischen Kontrollen einhergeht. Die Behandlung stützt sich auf folgende vier Grundpfeiler:
- Infusionstherapie als Flüssigkeitsersatz mit 0,9%iger Kochsalzlösung (in Kombination mit einer 2,5 oder 5%igen Glukoselösung bei Absinken der Blutglukosekonzentration)
- Insulinsubstitution mit einem kurzwirksamen Insulinpräparat
- Elektrolytsubstitution, v.a. Kalium, Phosphat und eventuell Magnesium
- Ausgleich der metabolischen Azidose mit entsprechenden Infusionslösungen
Infusionstherapie
Nachdem notfallmäßig ein venöser Zugang gelegt wurde (idealerweise ein ZVK), ist mit der Infusionstherapie zu beginnen. Hierfür wird initial 0,9 %ige NaCl-Lösung verwendet. Die Infusionsrate berechnet sich aus der Dehydratation, der Erhaltungsdosis und zusätzlichen Flüssigkeitsverlusten, zum Beispiel aufgrund von Erbrechen oder Polyurie, unter Zuhilfenahme folgender Formel:
- Dehydratationsdefizit: geschätztes Dehydratationsdefizit (%) x Körpergewicht (kg) x 1.000 ml = Rehydratationsmenge (ml)
- Erhaltungsdosis: 2 ml/kgKG/h x 24 Stunden (bei Rehydratation über 24 Stunden)
- zusätzliche Verluste: Erbrechen, Polyurie (in ml)
Die Hälfte dieses Volumens sollten über die ersten 6 Stunden infundiert werden. Die anderen 50 % werden über die verbleibenden 18 Stunden als Dauertropfinfusion verabreicht.
Insulinsubstitution
Die Insulintherapie sollte bei Tieren im hypovolämischen Schock erst einige Stunden nach Beginn der Infusionstherapie gestartet werden. Um den Blutzuckerspiegel zu senken, ist initial ein kurzwirksames reguläres Insulin in niedrigen Dosen (0,1 U/kgKG, z.B. Normalinsulin) intramuskulär zu applizieren. Der Blutzuckerspiegel ist dann in ein- bis zweistündigen Abständen zu überwachen.
Wichtig ist, dass der Blutzuckerspiegel innerhalb der ersten 24 bis 48 Stunden nicht zu schnell gesenkt wird und einen Wert von 180 bis 270 mg/dl nicht unterschreitet, da sonst das Risiko von Hirnödemen zunimmt. Ein weiterer Blutzuckerabfall sollte für 1 bis 2 Tage vermieden werden. Hierfür kann der Infusionslösung Glukose beigefügt werden. Das kurzwirksame Insulin ist so lange zu verwenden, bis das Tier von alleine zuverlässig frisst und nicht mehr erbricht. Ab diesem Zeitpunkt kann auf ein mittellang wirksames Insulin (Intermediärinsulin) gewechselt werden, das dann subkutan verabreicht wird.
Kaliumsubstitution
Der Infusionslösung ist mit Beginn der Insulintherapie Kalium zu substituieren. Die meisten Katzen leiden bereits vor Therapiebeginn an einem Kaliummangel, der sich dann im Laufe der Infusionstherapie aufgrund von Verdünnung und vermehrter Diurese verschlimmert. Die zu verabreichende Kaliumdosis hängt von der Serumkaliumkonzentration ab und muss im Laufe der Therapie stets angepasst werden.
Kommt es trotz Kaliumtherapie zu keiner Besserung der Serumkaliumkonzentration, ist eine Messung der Magnesiumkonzentration im Plasma indiziert. Eine Hypomagnesiämie kann eine refraktäre Hypokaliämie verursachen. Parallel dazu ist auf eine bestehende Hypophosphatämie zu achten. Bei zu niedrigen Phosphatkonzentrationen (< 0,9 mmol/l) muss Phosphat mittels Dauertropfinfusion substituiert werden.
Bikarbonatsubstitution
Oftmals bewirkt eine rasche und adäquate Infusionstherapie eine Normalisierung der metabolischen Azidose, sodass eine Substitution von Bikarbonat nicht notwendig ist. Kann keine ausreichende Korrektur des Säure-Basen-Haushalts erreicht werden und ist eine Blutgasmessung durchführbar, sollte Bikarbonat infundiert werden. Bei einem initialen pH-Wert von unter 7,1 oder einer HCO3--Konzentration von unter 12 mmol/l, ist die Verwendung von Bikarbonat indiziert. Mithilfe folgender Formel kann die notwendige Menge Bikarbonat errechnet werden:
Die Hälfte der errechneten Bikarbonat-Menge wird innerhalb der ersten 6 Stunden infundiert. Anschließend ist eine Blutgasanalyse inkl. Elektrolytmessung vorzunehmen, an die dann die weitere Bikarbonat-Therapie anzupassen ist.
Prognose
Die Prognose ist vorsichtig bis günstig – abhängig vom Schweregrad der diabetischen Ketoazidose und der eingeleiteten Intensivtherapie. Zusätzlich begleitende Erkrankungen verkomplizieren den Krankheitsverlauf und wirken sich negativ auf die Prognose aus.
Die Letalität liegt bei etwa 15 bis 20 %.
Literatur
- Lutz H, Kohn B, Forterre F (Hrsg.). 2019. Krankheiten der Katze. 6., aktualisierte Auflage. Stuttgart: Georg Thieme Verlag KG. ISBN: 978-3-13-241649-9
- Fokus Endokrinologie. Diabetische Ketoazidose MSD Tiergesundheit (abgerufen am 04.05.2022)