Coffeincitrat
Handelsname: Peyona®
Definition
Coffeincitrat ist Coffein, das mit Zitronensäure ein Salz gebildet hat. Der Wirkstoff wird als Analeptikum eingesetzt und ist ein Antagonist an Adenosinrezeptoren. Er führt zu einer allgemeinen Aktivitätssteigerung des Zentralnervensystems, zum Anstieg von Herzfrequenz und Blutdruck, sowie zu einer Aktivierung des Atemzentrums.
Wirkmechanismus
Das Alkaloid Coffein ist von seiner Struktur her mit den Methylxanthinen Theophyllin und Theobromin verwandt. Es weist dosisabhängig folgende molekularpharmakologischen Wirkungen auf:
- kompetitiv antagonistisch und äquipotent am A1- und A2-Subtyp der Adenosinrezeptoren
- Hemmung der 3', 5'-cAMP-Phosphodiesterase
- Erhöhung des intrazellulären Calciumspiegels
- Hemmung des Katecholaminmetabolismus
In therapeutischer Konzentration (ca. 5-50 µM) ist nur die antagonistische Wirkung am Adenosin-Rezeptor von Bedeutung. Die Hemmung der Phosphodiesterase beträgt bei einer Coffein-Konzentration von 100 µM lediglich 5-10 %. Eine Beeinflussung der Calciumspiegel tritt erst im µM-Bereich auf.
Der Antagonismus am Adenosinrezeptor führt zentral zu einer Exzitation des Nervensystems durch Desinhibition der synaptischen Übertragung. Hierdurch erklärt sich die stimulierende Wirkung, die mit steigender Dosis zuerst die Großhirnrinde, dann den Hirnstamm und bei sehr hohen Dosen auch das Rückenmark erfasst. Es kommt nach Gabe von ca. 80 bis 250 mg Coffein zur Aufhebung der Müdigkeit, zur Förderung psychischer Leistungsbereitschaft und -fähigkeit und zur Verringerung der Reaktionszeit. Bei komplexen Aufgaben kann es jedoch auch zu einer Verschlechterung der Leistung kommen, z.B. infolge einer Verstärkung des physiologischen Tremors. Bei hohen Dosen kommt es zu Schlaflosigkeit, Unruhe, Nervosität, Tremor, Gedankenjagen, Herzrhythmusstörungen und Hyperästhesien.
Durch Erhöhung der CO2-Empfindlichkeit wird das Atemzentrum in der Medulla oblongata stimuliert. Hierdurch wird das Atemzeitvolumen erhöht. Dies macht man sich zur Therapie der Apnoe kleiner Frühgeborener zu Nutze, der Vorteil gegenüber Theophyllin liegt in der oral wie parenteral gleichen Dosierung.
Wirkprofil
Kardiale Wirkungen
Niedrige Dosen können eine Erniedrigung der Herzfrequenz infolge Stimulation vagaler Kerngebiete in der Medulla oblongata bewirken. Höhere Dosen (200 bis 250 mg) bewirken eine Erhöhung des systolischen und diastolischen Blutdrucks und der Kontraktionskraft.
Wirkungen am Gefäßsystem
Der periphere Widerstand nimmt ab. An Gehirngefäßen jedoch wird durch Blockade der A2-Rezeptoren der Gefäßwiderstand erhöht und die Gehirndurchblutung verringert. Der Tonus der glatten Muskulatur sinkt leicht ab, an der quergestreiften Muskulatur können Kontraktilität und Leistung erhöht sein.
Renale Wirkungen
Es kommt zu einer gesteigerten Durchblutung, besonders des Nierenmarks mit der Folge der Auswaschung des Osmolaritätsgradienten. Die glomeruläre Filtrationsrate wird erhöht. Beides führt zu einer kurzfristig verstärkten Diurese.
Sonstige Wirkungen
An der Magenschleimhaut wird die Sekretion von Salzsäure und von Pepsin erhöht. Die Plasmakonzentration der freien Fettsäuren sowie der Blutglucosespiegel werden ebenfalls durch Coffein gesteigert.
Pharmakokinetik
Die Eliminationshalbwertszeit von Coffein ist individuell unterschiedlich und beträgt beim Erwachsenen zwischen 1,5 und 9,5 10 Stunden.[1] Beim Neugeborenen liegt sie in den ersten zwei Lebensmonaten mit 65 bis 100 Stunden deutlich höher.
Coffein wird an den Stickstoffatomen 1, 3 und 7 desmethyliert, es entsteht zu mehr als 70 % durch N-3-Desmethylierung Xanthin. Mittels Öffnung des Imidazolrings resultieren Uracil-Derivate, wie das 5-Acetylamino-6-amino-3-methyluracil. Durch Oxidation am C8 entstehen ferner auch N-Methylharnsäurederivate.
Indikationen
- Behandlung der primären Apnoe bei Frühgeborenen
Darreichungsform
1 ml enthält 20 mg Citronensäure-Coffein-Gemisch (Coffeincitrat), entsprechend 10 mg Coffein. Eine 3 ml-Ampulle enthält 60 mg Citronensäure-Coffein-Gemisch (Coffeincitrat), entsprechend 30 mg Coffein. Klare, farblose, wässrige Lösung mit pH = 4,7.
Anwendung und Dosierung
Begonnen wird die Behandlung mit Coffein, wenn Atempausen länger als 20 Sekunden festgestellt werden.
- Initialdosis: 20 mg Coffeincitrat (entsprechend 10 mg Coffein) pro kgKG (1,0 ml Coffeinlösung pro kgKG )
- Erhaltungsdosis (einmal täglich; erstmalig 24 Stunden nach Gabe der Initialdosis): 5 mg Coffeincitrat (entsprechend 2,5 mg Coffein) pro kgKG (0,25 ml Coffeinlösung pro kgKG)
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Die Behandlung wird durch regelmäßige Blutspiegelkontrollen überwacht. Die Dosierung kann im Verlauf der Behandlung individuell angepasst werden.
Nebenwirkungen
- Häufige unerwünschte Wirkungen (> 1% und < 10%): Phlebitis an der Infusionsstelle, Entzündung an der Infusionsstelle
- Seltene unerwünschte Wirkungen (> 0,01% und < 0,1%): Überempfindlichkeitsreaktion
Weitere Nebenwirkungen sind:
- Sepsis
- Hypoglykämie, Hyperglykämie, Gedeihstörung, Ernährungsunverträglichkeit
- Reizbarkeit, Nervosität, Ruhelosigkeit, Hirnschädigung, Krämpfe
- Taubheit
- Tachykardie, auch assoziiert mit erhöhtem linksventrikulären Auswurf und erhöhtem Schlagvolumen
- Regurgitation, vermehrte Magenaspiration, nekrotisierende Enterokolitis
- Vermehrte Urinproduktion, Natrium und Calcium im Urin erhöht, Hämoglobin vermindert, Thyroxin vermindert
- Coffein kann die Erythropoietinsynthese unterdrücken und daher bei längerer Behandlung die Hämoglobinkonzentration reduzieren.
- Bei Kindern wurde zu Beginn der Therapie ein vorübergehender Abfall des Thyroxin (T4) festgestellt.
Kontraindikationen
Bei Neugeborenen mit Krampfleiden ist Coffeincitrat mit extremer Vorsicht anzuwenden. In veröffentlichten Studien konnte gezeigt werden, dass Coffein die Herzfrequenz, den linksventrikulären Auswurf und das Schlagvolumen erhöht, daher sollte Coffeincitrat bei Neugeborenen mit bekannter kardiovaskulärer Erkrankung mit Vorsicht angewendet werden.
Es gibt Hinweise darauf, dass Coffein bei anfälligen Personen Tachyarrhythmien hervorruft. Bei Neugeborenen ist dies gewöhnlich eine einfache Sinustachykardie. Wenn in der Kardiotokographie-Ableitung vor der Geburt ungewöhnlicher Rhythmusstörungen (CTG) aufgefallen sind, ist bei der Anwendung von Coffeincitrat Vorsicht geboten.
Coffeincitrat ist mit Vorsicht bei Kindern anzuwenden, die an einem gastroösophagealen Reflux leiden, da dieser verschlimmert werden kann.
Absolute Gegenanzeigen
- Überempfindlichkeit gegenüber Coffein
Relative Gegenanzeigen
- Sinustachykardien und Extrasystolen (Verstärkungsgefahr)
- Leberzirrhose (Akkumulationsgefahr von Coffein)
- Hyperthyreose (Verstärkung der Coffein-Nebenwirkungen)
- Angstsymptome (evtl. Verstärkung)
Schwangerschaft und Stillzeit
Coffein passiert problemlos die Plazenta und gelangt so in den fetalen Kreislauf. In tierexperimentellen Studien konnte gezeigt werden, dass Coffein in hohen Dosen embryotoxisch und teratogen ist.
Coffein geht in die Muttermilch über. Stillende Mütter von mit Coffeincitrat behandelten Neugeborenen sollten keine coffeinhaltigen Nahrungsmittel, Getränke und auch keine coffeinhaltigen Arzneimittel zu sich nehmen.
Toxizität
Vergiftungserscheinungen treten ab einer Einnahme von 1 g Coffein auf, tödliche Dosen liegen bei 3 bis 10 g.
Basierend auf Studien zur Toxizität von Coffein bei wiederholter Gabe lassen die präklinischen Daten keine besonderen Gefahren für den Menschen erkennen. Jedoch wurden bei Nagetieren durch die Gabe hoher Dosen Krämpfe induziert.
Im Tierexperiment ruft Coffein bei längerfristiger Gabe in hohen (therapeutischen nicht relevanten) Dosen Ulzera im Gastrointestinaltrakt und Leber- und Nierenschäden hervor. Bei therapeutischen Dosen wurden bestimmte Verhaltensänderungen bei neugeborenen Ratten hervorgerufen, wahrscheinlich infolge einer erhöhten Adenosin-Rezeptor-Expression, die bis in das Erwachsenenalter hinein anhielt.
50 mg/kg Coffein während der Organogenese der trächtigen Maus, verursachten in Einzelfällen Gaumenspalten und Exenzephalien. Bei sehr hohen Coffein-Dosen wurden bei verschiedenen Tieren (Ratte, Maus und Kaninchen) embryo-, fetotoxische und teratogene Wirkungen beobachtet.
Hinweise
- Die verfügbaren Hinweise deuten nicht auf unerwünschte Langzeitreaktionen der neonatalen Coffeintherapie im Hinblick auf die Ausreifung des Nervensystems, Gedeihstörungen oder auf das kardiovaskuläre, gastrointestinale oder endokrine System hin.
- Nekrotisierende Enterokolitis ist eine häufige Ursache von Morbidität und Mortalität bei Frühgeborenen. Es liegen Berichte über einen möglichen Zusammenhang zwischen der Anwendung von Methylxanthinen und der Entwicklung einer nekrotisierenden Enterokolitis vor. Drei der Kinder, die während der Studie eine nekrotisierende Enterokolitis entwickelten, verstarben.
Beeinflussung von Laboruntersuchungen
- falsch-positive Erhöhung des Serum-Uratspiegels nach der Methode nach Bittner.
- leichte Erhöhung der Urinkonzentration von Vanillinmandelsäure, Katecholaminen und Hydroxyindolessigsäure (evtl. falsch-positive Diagnose des Phäochromozytoms oder eines Neuroblastoms).
- ↑ Caffeine for the Sustainment of Mental Task Performance: Formulations for Military Operations. Institute of Medicine (US) Committee on Military Nutrition Research. Washington (DC): National Academies Press (US); 2001, abgerufen am 17.7.2020