Morbus Castleman
nach dem amerikanischen Arzt und Pathologen Benjamin Castleman (1906 – 1982)
Synonyme: Castleman-Krankheit, Castleman-Lymphom, angiofollikuläre Lymphknotenhyperplasie
Englisch: Castleman disease
Definition
Bei dem Morbus Castleman, kurz CD, handelt es sich um eine heterogene Gruppe lymphoproliferativer Erkrankungen. Durch Vermehrung von Stromazellen bzw. Plasmazellen kommt es zum uni- oder multizentrischen Anschwellen der Lymphknoten.
Einteilung
...nach klinischem Aspekt
- unizentrischer Morbus Castleman (uCD) mit Beteiligung einer Lymphknotenregion
- multizentrischer Morbus Castleman (mCD) mit Beteiligung mehrerer Lymphknotenregionen, weiter unterteilt in:
- POEMS-assoziierter multizentrischer Castleman (POEMS-mCD)
- idiopathischer multizentrischer Castleman (imCD)
- HHV8-assoziierter multizentrischer Castleman (HHV8+-mCD)
...nach Pathohistologie
Histologisch unterscheidet man zwischen dem hyalin-vaskulären Typ, dem plasmazellulären Typ und dem Mischtyp, wobei es sich um ein Spektrum von ineinander übergehenden Formen handelt.[1] Die uCD weist meist ein hyalin-vaskuläres histologisches Bild, die mCD (insbesondere die HHV8+-mCD) ein plasmazelluläres oder Mischbild auf.[2]
Epidemiologie
Die genaue Inzidenz des Morbus Castleman ist bisher (2023) unbekannt,[3] jedoch scheint die mCD mit ca. 0,5 Fällen pro 100.000 Patientenjahren seltener aufzutreten als die uCD mit 1,5 Fällen pro 100.000 Patientenjahren.[4] In HIV-positiven Kohorten findet sich mit 43 pro 100.000 Patientenjahren eine stark erhöhte Inzidenz der HHV8-assoziierten mCD.[5]
Die Erkrankung kann in jedem Alter auftreten, überwiegend sind jedoch Erwachsene betroffen. Der Altersgipfel von mCD liegt bei 50 bis 60 Jahren und der von uCD bei 30 bis 40 Jahren.[2]
Ätiologie
Die Ätiologie der uCD und imCD ist bislang (2023) noch ungeklärt, es existieren keine bekannten Risikofaktoren.
Das POEMS-mCD stellt eine Begleiterscheinung von bestimmten Varianten des multiplen Myeloms dar und tritt gemeinsam mit der POEMS-Paraneoplasie auf. Welche Faktoren die Entstehung beeinflussen, ist noch (2023) unklar.
Ursächlicher Faktor der HHV-8-assoziierten mCD ist eine Infektion mit dem entsprechenden Herpesvirus bei vorliegender Immundefizienz. Wichtigster Risikofaktor ist eine HIV-Infektion. Nahezu 100 % der Castleman-Erkrankungen bei HIV sind HHV8-positiv.[2] Seltener ist eine Immunsuppression, z.B. nach Organtransplantation, verantwortlich.
Pathogenese
Die Pathogenese der einzelnen klinischen Erscheinungsformen unterscheidet sich deutlich.
Unizentrische CD
Bei der uCD wird ein klonaler neoplastischer Prozess von lymphonodalen Stromazellen als Ursache vermutet.[2] Next Generation Sequencing und in vitro-Analysen deuten darauf hin, dass Gain-of-Function-Mutationen des PDGF-Rezeptors von CD45--Zellen zu einer erhöhten Proliferation der Zellen führen.[6]
POEMS-assoziierte mCD
Bei der POEMS-assoziierten mCD kommt es zu einer monoklonalen Expansion von Myelomzellen in den betroffenen Lymphknoten. Die Unterschiede des Zell- und Zytokinprofils zum POEMS-Syndrom konnten bislang noch nicht identifiziert werden.
Idiopathische mCD
Die Pathogenese der idiopathischen mCD ist bisher (2023) noch unklar. Autoimmunmechanismen, ursächliche Infektionen als auch klonal-neoplastische Mechanismen werden diskutiert. In diesem Zusammenhang wird die Rolle von IL-6, VEGF, TNF-α und Interleukin-1 genauer untersucht.
HHV-8-assoziierte mCD
Bei HHV-8+-mCD kommt es zum Befall von Plasmablasten der Lymphfollikel durch HHV-8.[7] In den befallenen Zellen kann das Virus die Synthese eines dem humanen IL-6 sehr ähnlichen, viralen IL-6 (vIL-6) induzieren. Im Unterschied zum humanen IL-6 kann das vIL-6 direkt an die β-Untereinheit verschiedener Rezeptoren binden. Dadurch ist es in der Lage, ein breites Spektrum an Wachstumsfaktorrezeptoren zu aktivieren. Vermutet wird, dass dadurch im HHV-8+-mCD v.a. die Proliferation von B-Zellen angeregt wird.[8]
Klinik
Je nach Subtypus kann sich die Symptomatik unterscheiden.
Unizentrische CD
Die unizentrische Castleman-Erkrankung ist klinisch durch eine Lymphadenopathie einzelner Regionen gekennzeichnet. Am häufigsten sind dabei folgende Bereiche betroffen:[9]
- Lymphknoten in der Halsregion (40 %)
- Lymphknoten in der Achselhöhle (14 %)
- Lymphknoten im Mediastinum (12 %)
Häufig bleibt die Erkrankung asymptomatisch. Gelegentlich finden sich:
- Kompressionsfolgen durch Lymphknotenvergrößerung, z.B. Stridor, obere Einflussstauung
- Fieber, Nachtschweiß, Gewichtsverlust
- seltener Autoimmunphänomene wie AIHA oder PNP
Multizentrische CD
Bei der multizentrischen CD findet sich die Lymphadenopathie in mehreren Regionen. Hier liegen häufig systemische Symptome vor, die schubweise auftreten, u.a.:[2][7]
- Fieber
- Fatigue-Syndrom (v.a. bei imCD)
- Hepatosplenomegalie
- Niereninsuffizienz durch AA-Amyloidose oder MPGN, letztere mit nephrotischem Syndrom und Ödemen
- immunologisch vermittelte PNP
- interstitielle Lungenerkrankung
- Exantheme, Hyperpigmentierungen
Die Krankheitsschübe dauern in der Regel mehrere Wochen an.
Je nach klinischer Form sind unterschiedliche Verläufe und Begleitsymptome möglich:
- bei HHV8+-mCD können begleitend Kaposi-Sarkome vorliegen
- bei imCD ist eine aggressive Verlaufsform möglich, die als TAFRO-Syndrom bezeichnet wird. Das Syndrom setzt sich aus Thrombozytopenie, Aszites, Fieber, retikulärer Fibrose im Knochenmark und Organomegalie bei normalem γ-Globulin zusammen.
- bei POEMS-mCD gibt es eine Assoziation mit dem POEMS-Syndrom. Dabei entwickeln die Patienten eine periphere Neuropathie, Organomegalie, Endokrinopathie, monoklonale Gammopathie und Hautveränderungen.
Diagnostik
Die Diagnose des Morbus Castlemans wird anhand des histopathologischen Befundes aus einer Lymphknotenbiopsie gestellt. Sie ermöglicht die Unterscheidung zwischen dem hyalin-vaskulären, plasmazellulären und Mischtyp. Auch kann aus dem Biopsat ein Nachweis von HHV-8 erfolgen. Betroffene Lymphknoten können vor der Biopsie durch eine PET-CT dargestellt werden.
Zudem zeigen sich im Laborbefund meist eine Anämie und ein erhöhter CRP- und IL-6-Wert sowie eine Thrombozytose oder Thrombopenie bei Verbrauchskoagulopathie (letzteres v.a. im Zusammenhang mit dem TAFRO-Syndrom). Bei HHV-8+-mCD-Patienten, die an einer B-Symptomatik leiden, kann eine Hypoalbuminämie im Laborbefund festgestellt werden.
Für die Diagnose des TAFRO-Syndroms existieren eigene Diagnosekriterien.[10]
Therapie
Bei dem unizentrischen Morbus Castleman ist die operative Entfernung die geläufigste Therapieoption.
Bei multizentrischem Castleman wird meist konservativ therapiert. Die Therapie richtet sich nach der Verlaufsform.
- HHV-8+-mCD: Rituximab, ggf. in Kombination mit einer zytotoxischen Chemotherapie (z.B. Etoposid)
- imCD: In erster Linie mit IL-6-antagonistischen Pharmaka, v.a. Siltuximab, alternativ mit Tocilizumab oder Rituximab. Unter Umständen können zusätzlich Steroide oder Calcineurininhibitoren verabreicht werden. Sollte die Erkrankung nicht auf die Therapie ansprechen, erfolgt ein Therapieversuch mit Rituximab, Steroiden und Immunmodulatoren. Bei einem schweren Krankheitsverlauf und einem Nicht-Ansprechen auf die Therapie erhält der Patient in der Regel eine zytotoxische Chemotherapie.
- POEMS-CD: Die Myelomtherapie steht im Vordergrund. Auch eine allogene Stammzelltransplantation ist möglich.
Prognose
Während der uCD nach operativer Therapie eine gute Prognose aufweist, ist diese beim mCD weniger gut. Obwohl einige selbstlimitierende Verläufe beobachtet wurden, liegt das krankheitsfreie Überleben nach 3 Jahren im Falle eines HHV-8+-mCD bei ca. 27,8 % und im Falle eines HHV-8--mCD bei 45,7 %. Bei Patienten, die am HHV-8+-mCD leiden, ist das Risiko erhöht, ein malignes Lymphom zu entwickeln.
Quellen
- ↑ Schrock et al. Morbus Castleman- Eine Erkrankung für den HNO-Arzt?, HNO, 2007
- ↑ 2,0 2,1 2,2 2,3 2,4 Fajgenbaum, Dispenzieri: "Overview of Castleman disease" Blood, 2020
- ↑ Haap et al. Clinical, laboratory and imaging findings in Castleman's disease – The subtype decides, Blood Reviews, 2018
- ↑ Simpsons Epidemiology of Castleman Disease, Hematology/Oncology Clinics of North America, 2018
- ↑ Powles et al.: "The role of immune suppression and HHV-8 in the increasing incidence of HIV-associated multicentric Castleman’s disease" Annals of Oncology, 2009.
- ↑ Li et al.: "Recurrent PDGFRB mutations in unicentric Castleman disease" Leukemia, 2019
- ↑ 7,0 7,1 Hoffmann, Tiemann Multizentrischer Morbus Castleman: Selten korrekt diagnostiziert, Deutsches Ärzteblatt, 2019
- ↑ Suerbaum, Burchard, Kaufmann, Schulz (Hrsg.), Medizinische Mikrobiologie und Infektiologie. Springer Verlag, 9. Auflage, 2020. S. 745f.
- ↑ Böcker et al. (Hrsg): "Pathologie". 5. Auflage, Elsevier Verlag, 2012. S. 444
- ↑ Iwaki et al.: "Clinicopathologic analysis of TAFRO syndrome demonstrates a distinct subtype of HHV-8-negative multicentric Castleman disease" American Journal of Hematology, 2015. Die von den Autoren vorgeschlagenen Diagnosekriterien finden Sie in Tabelle 3.
Literatur
- Bieber, C. (2018). Duale Reihe Innere Medizin (4. überarbeitete Aufl.). Thieme.
- Castleman. Localized mediastinal lymph‐node hyperplasia resembling thymoma. Cancer. 1956
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