Als Alpha-Thalassämie bezeichnet man eine genetisch bedingte Synthesestörung der α-Globinkette des Blutfarbstoffs Hämoglobin. Die Erkrankung gehört zu den Hämoglobinopathien.
Die Alpha-Ketten werden durch 4 Gene (2 maternale, 2 paternale) des kurzen Arms von Chromosom 16 codiert. Durch nicht homologe Rekombination innerhalb der Meiose kann es zum Verlust (Deletion) eines oder mehrerer α-Globin-Gene kommen. Seltener ist eine Punktmutation die Ursache.
Entsprechend der Anzahl dysfunktioneller oder fehlender α-Globingene unterscheidet man verschiedene Ausprägungsgrade der α-Thalassämie.
Der Ausfall eines Gens macht sich klinisch nicht bemerkbar (stiller Trägerstatus)
Sind zwei Gene betroffen resultiert eine leichtgradige hypochrome mikrozytäre Anämie. Genetisch kann eine Cis- von einer Trans-Deletion unterschieden werden:
Nachkommen, die compound-heterozygot für α-Thalassämie-2 und α-Thalassämie-1 sind, haben einen schwereren Phänotyp, da drei Gene betroffen sind und die HbA-Produktion nur ungefähr 30 % des Normalwerts beträgt. Die Feten akkumulieren ungepaarte β-Ketten, die Tetramere bilden. Diese werden als Hämoglobin H (HbH) bezeichnet. Sie bilden Einschlüsse in Erythroblasten und präzipitieren in Erythrozyten zu so genannten Heinz-Körpern. Das führt zu einer mäßig schweren hämolytischen, hypochromen mikrozytären Anämie. Die Erythropoese ist nur leicht beeinträchtigt. Häufig überleben die Patienten bis in das mittlere Erwachsenenalter ohne Transfusionen.
Weiterhin kann eine HbH-Krankheit auch ohne Deletion entstehen, z.B. bei Vorliegen von Hämoglobin Constant Spring. Eine Beeinträchtigung im ATRX-Signalweg kann ebenfalls zur Entstehung von HbH und somit zur α-Thalassämie führen - z.B. bei Patienten mit Myelodysplasie (ATMDS), Erythroleukämie) oder beim ATR-X-Syndrom.
Eine Homozygotie für die α-Thalassaemia-1-cis-Deletion führt dazu, dass keine α-Globine synthetisiert werden. Ein Überschuss an γ-Globinen führten zu Tetrameren, die als Hämoglobin Barts bezeichnet werden. Dieses pathologische Hämoglobin besitzt eine hohe Sauerstoffaffinität, sodass fast kein Sauerstoff in das fetale Gewebe abgegeben wird. Folglich kommt es zur Asphyxie, Ödemen (Hydrops fetalis), Herzversagen und Tod in utero.
Je nach Form reicht das Spektrum von asymptomatischen Trägerstatus bis hin zum Tod in utero. Kommt es zum Auftreten einer Anämie, manifestiert sich diese meist mit
Bei der HbH-Krankheit zeigen sich darüber hinaus weitere Symptome:
Bei der schwersten Form der α-Thalassämie, der Hb-Barts-Krankheit, zeigen sich bereits intrauterin Zeichen einer Herzinsuffizienz, generalisierte Ödeme (Hydrops fetalis), eine ausgeprägte Hepatosplenomegalie sowie ein verzögertes Gehirnwachstum, ein Hydrozephalus, urogenitale und kardiovaskuläre Veränderungen. Weiterhin kann es zur Präeklampsie der Mutter, Poly- oder Oligohydramnion und Frühgeburtlichkeit kommen.
Die Diagnose der Alpha-Thalassämie wird labordiagnostisch anhand
gestellt.
Darüberhinaus ist ein molekulargenetischer Deletions-Nachweis möglich.
Bei hämolytischen Anämien ist die palpatorische und sonographische Beurteilung der Milz indiziert.
Die α-Thalassaemia minima und α-Thalassaemia minor bedürfen meist keiner Therapie. Bei der HbH-Krankheit sind meist nur gelegentliche Bluttransfusionen nötig. Eine Eisenüberladung im Verlauf muss dann mit Eisenchelatoren behandelt werden. Bei manifestem Hypersplenismus kommt eine Splenektomie in Frage. Bisher sind nur wenige Fälle von postnatal überlebenden Feten mit Hb-Barts-Krankheit beschrieben.
Tags: Anämie, Hämoglobinopathie, Hämolyse, Thalassämie
Fachgebiete: Hämatologie
Diese Seite wurde zuletzt am 13. August 2019 um 16:56 Uhr bearbeitet.
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