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Synonym: Schenkelhalsbruch
Englisch: fracture of the femoral neck
Die Schenkelhalsfraktur ist eine Fraktur des Oberschenkelhalses (Collum femoris).
Schenkelhalsfrakturen sind eine häufige Fraktur des alten Menschen. Die jährliche Inzidenz bei über 65-Jährigen beträgt ca. 600-900 pro 100.000.
Kinder sind nur sehr selten betroffen. Für sie gelten erhebliche Unterschiede bzgl. der Differenzialdiagnostik und der Therapie.
siehe auch: proximale Femurfraktur beim Kind
Eine Schenkelhalsfraktur entsteht durch mechanische Krafteinwirkung (z.B. Drehung, Biegung, Abscherung) auf den Schenkelhals. Typischer Unfallhergang ist ein Sturz aus Standhöhe oder niedriger Sitzhöhe auf den Trochanter major oder eine forcierte Außenrotation des Beines (z.B. beim Stolpern). Auch eine Überbelastung bei zugrundeliegender Osteoporose oder Varusstellung des Schenkelhalses können eine Schenkelhalsfraktur bedingen. Seltene Ursache ist ein Hochrasanztrauma mit axialer Stauchung des Oberschenkels.
Die Schenkelhalsfraktur steht häufig in Zusammenhang mit einer Osteoporose und ist daher für ältere Frauen sehr typisch. Männer sind im Gegensatz dazu weniger häufig von Schenkelhalsfrakturen betroffen. Das Frakturrisiko ist insbesondere bei Vorliegen einer Fallneigung (z.B. bei rezidivierenden Synkopen, Alkoholabusus, Sehstörungen) erhöht.
Eine Schenkelhalsfraktur kann aufgrund verschiedener Kriterien klassifiziert werden.
Grundsätzlich kann zwischen medialen und lateralen Schenkelhalsfrakturen unterschieden werden. Die medialen Schenkelhalsfrakturen werden nach Richtung der frakturauslösenden Krafteinwirkung in Adduktionsfrakturen und Abduktionsfrakturen unterteilt.
Die AO-Klassifikation dient der Einteilung der Schenkelhalsfraktur nach Lokalisation und Dislokation:
Das Risiko einer Perfusionsstörung des Femurkopfes wird anhand der Garden-Klassifikation beurteilt. Je kleiner die Kontaktfläche der Frakturfragmente und je größer die Dislokation, desto höher ist das Risiko einer Femurkopfnekrose. Unterschieden werden:
Die Pauwels-Klassifikation berücksichtigt den Winkel der Hauptfrakturlinie zur Horizontalen. Je größer der Winkel, desto höher ist das Risiko einer Dislokation und einer schlechten Heilung der Fraktur.
Die Angaben zur Pauwels-Klassifikation unterscheiden sich in der Literatur, teilweise wird Grad II mit 30–70° und Grad III mit >70° angegeben.
In Abhängigkeit von der Art der Fraktur stehen klinisch unterschiedliche Aspekte im Vordergrund.
Adduktionsfrakturen zeigen das typische Bild einer Trias bestehend aus
Abduktionsfrakturen zeigen im Gegensatz dazu weniger stark ausgeprägte Symptome, da häufig trotz Fraktur eine hohe Reststabilität besteht. Oftmals sind Druckschmerzhaftigkeit und Schmerzen bei Stauchung des Hüftgelenks die einzigen klinischen Anhaltspunkte.
Prellmarken und Hämatome über der Frakturstelle können einen wichtigen Hinweis auf Art und Ausmaß des Traumas geben.
Die Diagnose ist in den meisten Fällen durch eine gezielte Anamnese, körperliche Untersuchung und Röntgenaufnahmen zu stellen.
Die Anamnese sollte in Anbetracht einer möglicherweise notwendigen Operation folgende Punkte gezielt berücksichtigen:
Eine Verkürzung des Beins, Druck- und Bewegungsschmerz über Hüfte und angrenzenden Gelenken sollten überprüft werden. Im Rahmen der Frakturdiagnostik ist das Tasten der Fußpulse und die Prüfung der Sensibilität und Motorik von Bein und Fuß genau zu überprüfen und zu dokumentieren.
In jedem Fall benötigte Röntgenaufnahmen sind:
Eine Computertomographie ist erst durchzuführen, wenn die konventionellen Röntgenaufnahmen keine sichere und vollständige Beurteilung erlauben. Eine Einblutung in die Gelenkkapsel und die damit verbundene Spannung der Kapsel kann mit einer Sonographie des Hüftgelenks dargestellt und vor einer eventuellen Punktion beurteilt werden.
Die definitive Therapie der Schenkelhalsfraktur kann je nach Art und Ausmaß der Fraktur konservativ oder operativ erfolgen. In der Regel wird eine chirurgische Versorgung angestrebt.
Eine konservative Behandlung ist indiziert bei:
Konservative Maßnahmen umfassen eine adäquate Schmerztherapie, eine Entlastung für mindestens 5 Wochen mit anschließender Mobilisation unter physiotherapeutischer Betreuung. Bei Bedarf kann zur Entlastung der Gelenkkapsel eine Punktion mit Drainage erfolgen.
Entscheidend ist eine medikamentöse Thromboseprophylaxe. Erfolgt sie nicht, haben Hüftfrakturen ein hohes Risiko unerkannter (45 %) oder manifester tiefer Beinvenenthrombosen (1-11 %), symptomatischer Lungenembolien (3-13 %) und fataler Lungenembolien (1-7 %).
Falls die Fraktur sekundär disloziert, sollte mit der Operation nicht gewartet werden.
Die operative Behandlung ist in den meisten Fällen aufgrund besserer Stabilität und kürzerer Immobilisation vorzuziehen. Instabile Frakturen (z.B. Adduktionsfrakturen) werden fast immer operativ versorgt. Bei konservativer Versorgung ist die Komplikationsrate (Pseudarthrose, Hüftkopfnekrose, Thrombembolie, Dekubitus) deutlich höher als bei der operativen Versorgung. Die Wahl des Verfahrens (Osteosynthese oder Endoprothese) wird dabei individuell gestellt.
Eine hüftkopferhaltene Osteosynthese wird bevorzugt bei:
Eine frühzeitige Osteosynthese innerhalb von 6-24 Stunden halbiert das Hüftkopfnekroserisiko. Der Zugang erfolgt über das Tuberculum innominatum. Es existieren verschiedene Verfahren:
Eine Endoprothese ist insbesondere bei:
Der Zugang erfolgt meist von anterolateral (nach Watson-Jones) oder transmuskulär (nach Bauer). Dabei kann eine Duokopfprothese oder eine Totalendoprothese (TEP) implantiert werden. Letztere wird bevorzugt bei jüngeren Patienten und bei Coxarthrose angewendet. Die Behandlung mittels Endoprothese sollte möglichst frühzeitig erfolgen (innerhalb von 24 bis maximal 48 Stunden).
Postoperativ sollte eine Thrombosepropyhlaxe (für 4-5 Wochen) und die Gabe von Analgetika fortgesetzt werden. Auf Elektrolytentgleisungen (z.B. Hyponatriämie und Hypokaliämie) muss geachtet werden. Neben einer regelmäßigen Wundkontrolle und adäquate Lagerung sind Röntgenkontrollen direkt postoperativ, nach Belastung und vor Verlegung indiziert. Soweit möglich ist eine Frühmobilisation sowie eine regelmäßige physiotherapeutische Anleitung zu isometrischen Übungen und zur Atemtherapie (Pneumonieprophylaxe) anzustreben. Bei jüngeren Patienten kann für 6 Wochen eine schmerzadaptierte Teilbelastung in Frage kommen, bei älteren Patienten ist eine Vollbelastung indiziert.
Ungefähr ein Viertel aller Patienten nach proximaler Femurfraktur versterben innerhalb eines Jahres nach dem Unfall. Häufig haben die Patienten größere Schwierigkeiten mit Aktivitäten des täglichen Lebens im Vergleich zu gleichaltrigen Personen. Bei konservativer Behandlung beträgt das Risiko einer späten Femurkopfnekrose bis zu 20 %.
Nach Durchführung einer Osteosynthese versterben ca. 20-30 % der Patienten im 1. Jahr nach der Operation. Eine sekundäre Dislokation tritt in ca. 2-7 % d.F. auf. Weitere Risiken sind eine Hüftkopfnekrose und eine Pseudarthrose. Im Verlauf erhalten 10-20 % der Patienten eine Endoprothese.
Nach Implantation einer Endoprothese versterben ebenfalls ca. 20-30 % der Patienten im 1. postoperativen Jahr. Risiken sind insbesondere eine Prothesenlockerung und Protheseninfektionen.
Präventiv sollte insbesondere bei alten Menschen das Sturz- und Frakturrisiko abgeschätzt und durch geeignete Maßnahmen reduziert werden. Hilfreich sind Basismaßnahmen, die auch präventiv bei Osteoporose empfohlen werden, z.B. körperliche Aktivität, Verbesserung der Muskelkraft und Koordination, Vermeidung von Immobilisation, altersgerechte Wohnungseinrichtung und Überprüfung der Sehfähigkeit. Bei Hochrisikopatienten können Hüftprotektoren verordnet werden.
Tags: Fraktur, Oberschenkel
Fachgebiete: Orthopädie und Unfallchirurgie
Diese Seite wurde zuletzt am 7. Februar 2022 um 17:29 Uhr bearbeitet.
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