Rivaroxaban
Handelsnamen: Nabaxor®, Rivarolto®, Xarelto®, Rivaxa®
Synonym: BAY 59-7939
Englisch: rivaroxaban
Definition
Rivaroxaban ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der Antikoagulanzien. Es handelt sich um einen direkten Faktor-Xa-Inhibitor, der zur Prophylaxe und Behandlung thromboembolischer Erkrankungen eingesetzt wird. Im Gegensatz zu Heparinen kann Rivaroxaban auch in Tablettenform appliziert werden.
Chemie
Rivaroxaban gehört zur Gruppe der Oxazolidinon-Derivate. Es hat eine strukturelle Ähnlichkeit mit dem Antibiotikum Linezolid – allerdings haben weder Rivaroxaban noch seine Metaboliten einen antibiotischen Effekt. Die Summenformel lautet:
- C19H18ClN3O5S
Wirkmechanismus
Rivaroxaban hemmt sowohl den freien Faktor Xa als auch den an den Prothrombinase-Komplex-gebundenen Faktor Xa. Dadurch wird die Aktivierung von Prothrombin zu Thrombin verhindert.
Pharmakokinetik
Rivaroxaban wird nach oraler Gabe im Gastrointestinaltrakt resorbiert. Die orale Bioverfügbarkeit liegt zwischen 80 und 100 %. Maximale Plasmaspiegel werden nach 2 bis 4 Stunden erreicht, die Halbwertzeit beträgt etwa 9 Stunden.
Etwa die Hälfte des oral verabreichten Rivaroxaban wird in der Leber metabolisiert. Dabei sind an der hepatischen Metabolisierung zu etwa gleichen Anteilen CYP3A4 und CYP2J2 sowie vom Cytochrom-P450-System unabhängige Mechanismen (Hydrolyse) beteiligt.[1]
Die Ausscheidung erfolgt zu ca.1/3 hepatisch und ca. 2/3 renal, davon etwa hälftig als unveränderter Wirkstoff und Metabolite.[1]
Eine Therapiekontrolle ist nach Angaben des Herstellers im Regelfall nicht notwendig. Gegebenenfalls kann der Rivaroxaban-Spiegel über eine Messung der Anti-Faktor Xa-Aktivität bestimmt werden.
Indikationen
Rivaroxaban ist indiziert[2]
- in Kombination mit ASS allein oder mit ASS plus Clopidogrel oder Ticlopidin bei erwachsenen Patienten zur Prophylaxe atherothrombotischer Ereignisse nach einem akuten Koronarsyndrom (ACS) mit erhöhten kardialen Biomarkern und
- zur Prophylaxe atherothrombotischer Ereignisse bei erwachsenen Patienten mit koronarer Herzerkrankung (KHK) oder symptomatischer peripherer arterieller Verschlusserkrankung (pAVK) und einem hohen Risiko für ischämische Ereignisse
In der Fachinformation des Präparats Xarelto® sind darüber hinaus folgende Indikationen benannt:[3]
- Zur Prophylaxe von Schlaganfällen und systemischen Embolien bei erwachsenen Patienten mit nicht valvulärem Vorhofflimmern und einem oder mehreren Risikofaktoren, wie kongestiver Herzinsuffizienz, Hypertonie, Alter ab 75 Jahren, Diabetes mellitus, Schlaganfall oder transitorischer ischämischer Attacke in der Anamnese und
- zur Behandlung von tiefen Venenthrombosen (TVT) und Lungenembolien (LE) und zur Prophylaxe von rezidivierenden TVT und LE bei Erwachsenen.
Darreichungsform
Der Wirkstoff wird in Form von Filmtabletten appliziert.
Kontraindikationen
- Schwangerschaft
- Stillzeit
- Lebererkrankungen, die mit einer Koagulopathie verbunden sind, einschließlich Leberzirrhosen mit Child-Phug-Score B und C [4]
- bei einer Spinal- bzw. Periduralanästhesie sollte 22 Stunden vor und bis 6 Stunden nach der lokalen Betäubung kein Rivaroxaban gegeben werden.
Bei Patienten mit hochgradiger Niereninsuffizienz (GFR 15-30 ml/min) ist die Arzneimittelclearance von Rivaroxaban reduziert und die Plasmahalbwertszeit verlängert. In diesem Fall ist eine Dosisanpassung erforderlich.[5]
Interaktionen
Verstärkte Wirkung
Antimykotika wie Ketoconazol (Ket®) und Itraconazol (Sempera®, u.a) führen über eine Inhibition von CYP3A4 und P-Glykoprotein zu einer erhöhten Plasmakonzentration von Rivaroxaban und damit zu einer erhöhten Blutungsneigung.
Verminderte Wirkung
CYP3A4-Induktoren wie Rifampicin, Carbamazepin und Johanniskraut können zu einer verminderten Wirkung von Rivaroxaban führen.
Dosierung
Rivaroxaban wird einmal täglich in einer fixen Dosis von 10 mg eingenommen. Die erste Dosis wird 6 bis 10 Stunden nach dem Eingriff ("post-OP") verabreicht. Das Arzneimittel sollte laut Fachinformation mit einer Mahlzeit eingenommen werden.
Nebenwirkungen
Die häufigsten Nebenwirkungen, die im Rahmen einer Behandlung mit Rivaroxaban auftreten, sind Blutungen.[2] Im Vergleich zu Apixaban und Dabigatran treten unter der Therapie mit Rivaroxaban häufiger gastrointestinale Blutungen auf.[6]
Zu den weiteren Nebenwirkungen gehören:[2]
System | Nebenwirkungen (Auswahl) |
---|---|
Blutbildendes System | |
Nervensystem | |
Gefäßsystem | |
Gastrointestinaltrakt | |
Niere |
|
Antagonisierung
Um die Wirkung von Rixaroxaban kurzfristig aufheben zu können, dient Andexanet alfa als Antidot. Für den Arzneistoff wurde im April 2019 von der EMA eine auflagengebundene Zulassung erteilt. Ein weiterer Wirkstoff, Ciraparantag, befindet sich in der Entwicklung.
Klinische Studien
In der RECORD1-Studie wurde Rivaroxaban (10 mg) im Vergleich zu Enoxaparin (40 mg) getestet. Die Patientenzahl betrug n = 454, die Dauer der Thromboseprophylaxe fünf Wochen. Hinsichtlich des primären Endpunktes, einer Kombination aus tiefen Venenthrombosen, nicht-tödlichen Lungenembolien und Gesamtmortalität, wurde unter Rivaroxaban im Vergleich zu Enoxaparin eine 70-prozentige relative Risikoreduktion (RRR) erzielt.
Pharmakoökonomie
Mit 254,5 Millionen DDD zulasten der GKV war Rivaroxaban im Jahr 2021 das am zweithäufigsten verordnete Antikoagulans in Deutschland nach Apixaban. Dies entsprach einem Anstieg von +3,9 % gegenüber dem Vorjahr. Aufgrund der hohen Verordnungszahlen in Kombination mit sehr hohen Herstellerpreisen war Rivaroxaban bzw. das patentgeschützte, einzige Präparat Xarelto® die drittgrößte finanzielle Belastung für die GKV im Medikationsbereich nach Pembrolizumab und Apixaban. Insgesamt gaben die Krankenkassen im Jahr 2021 über 829 Millionen € für Xarelto® aus.[7] Die Nettokosten im Jahr 2022 stiegen auf rund 862 Millionen €.[8]
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 Clinical Pharmacokinetic and Pharmacodynamic Profile of Rivaroxaban Fig.2 09/2013; abgerufen am 06.02.22
- ↑ 2,0 2,1 2,2 Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels Xarelto, EMA, abgerufen am 17.04.2024
- ↑ Xarelto® 20 mg Filmtabletten. Fachinformation Bayer Vital, Stand Juli 2023, abgerufen am 17.04.2024
- ↑ Information der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft: Xarelto® (Rivaroxaban) 11/2014; abgerufen am 18.08.16
- ↑ Kubitza D, Becka M, Mueck W, Halabi A, Maatouk H, Klause N, Lufft V, Wand DD, Philipp T, Bruck H. Effects of renal impairment on the pharmacokinetics, pharmacodynamics and safety of rivaroxaban, an oral, direct Factor Xa inhibitor. Br J Clin Pharmacol. 2010;70:703-12.
- ↑ Ingason et al. Rivaroxaban Is Associated With Higher Rates of Gastrointestinal Bleeding Than Other Direct Oral Anticoagulants : A Nationwide Propensity Score-Weighted Study, Annals of Internal Medicine, 2021
- ↑ Wolf-Dieter Ludwig, Bernd Mühlbauer, Roland Seifert (2023): Arzneiverordnungs-Report 2022, Springer-Verlag GmbH, Berlin
- ↑ WIdO: Mehr Geld für weniger Versorgung: Jeder zweite Euro ist für patentgeschützte Arzneimittel ausgegeben worden, 7.11.2023, abgerufen am 21.5.2024
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