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Intoxikation

(Weitergeleitet von Intoxikationen)

Synonym: Vergiftung, Intoxikation
Englisch: intoxication, poisoning

1. Definition

Als Intoxikation oder Vergiftung bezeichnet man ein Krankheitsbild, das durch die Einwirkung chemischer Noxen (Gifte, Toxine) zu Störungen biologischer Funktionen und/oder Strukturen eines Organismus führt. Eine Intoxikation wird als Toxidrom bezeichnet, wenn sie ein chrakteristisches klinisches Bild (Syndrom) auslöst.

2. Epidemiologie

In Deutschland wurden 2011 ca. 205.000 Krankenhausbehandlungen aufgrund akuter Vergiftungen durchgeführt. Die häufigsten Vergiftungen entfallen auf Analgetika (etwa 40 % 4-Aminophenol-Derivate), Hypnotika (etwa 50 % Benzodiazepine), Antiepileptika, Antidepressiva und Neuroleptika sowie auf psychotrope Substanzen, Halluzinogene und Betäubungsmittel (insbesondere Morphin, Codein, Methadon).[1]

Psychische Störungen und Verhaltensstörungen traten am häufigsten infolge von akuten Intoxikationen mit Alkohol (Ethanol), Opioiden, Hypnotika und Sedativa, Stimulanzien und multiplem Substanzgebrauch auf.[1]

2011 wurden in Deutschland insgesamt 1.987 Todesfälle (0,23 %) unter den ICD-10-Ziffern T36 bis 50 (Arzneimittel, Drogen, biologisch aktive Substanzen) und 1.296 (0,15 %) unter den ICD-Ziffern T51 bis 65 (nicht medizinisch verwendete Substanzen) in der offiziellen Todesursachenstatistik erfasst. 1.410 Todesfälle wurden als vorsätzliche Selbstvergiftung mit Arzneimitteln klassifiziert.[1]

3. Pathogenese

Damit es zu einer Intoxikation kommt, muss mindestens eine chemische Noxe in einer schädigend wirkenden Dosis auf einen Organismus einwirken. Die Art (Qualität) der toxischen Wirkung wird durch die Eigenschaften der Noxe und die Reaktion des Organismus, auf den sie einwirkt, bestimmt. Das Ausmaß (Quantität) der Schädigung wird durch die einwirkende Dosis und den Expositionspfad bestimmt.

4. Einteilung

4.1. Ursache von Intoxiktionen

Intoxikationen werden verursacht durch

4.2. Ort der Intoxikation

Intoxikationen ereignen sich unter anderem

  • im privaten Umfeld (Haus, Garten, Garage)
  • in Kindereinrichtungen
  • in Pflegeeinrichtungen
  • in medizinischen Einrichtungen (Klinik, Forschung)
  • im gewerblichen Bereich
  • in Strafanstalten
  • auf dem Transport
  • in der Umwelt (Wasser, Boden, Luft)

4.3. Verlauf der Intoxikation

Man unterscheidet akute und chronische Intoxikationen.

Eine akute Intoxikationen wird durch eine einmalige oder kurzdauernde Exposition gegenüber der Noxe ausgelöst. Die Symptome können unmittelbar nach der Einwirkung, in kurzem zeitlichen Abstand, aber auch mit einer gewissen Latenz auftreten.

Eine chronische Intoxikation wird durch eine wiederholte oder länger anhaltende Exposition gegenüber der Noxe ausgelöst. Die Dosis kann dabei bezogen auf eine einzelne Exposition geringfügig sein. Das Vergiftungsbild prägt sich dann in dem Maß aus, in dem die Noxe im Organismus angehäuft wird (Akkumulation). Der Kausalzusammenhang zwischen Symptomatik und Intoxikation ist dadurch schlechter zu erkennen.

4.4. Schwere der Intoxikation

Zur Beurteilung des Schweregrades wird häufig der Poisoning Severity Score (PSS) verwendet:[2]

  • symptomlos: keine Symptome oder Anzeichen, die auf eine Intoxikation hindeuten
  • leicht: leichte, vorübergehende und spontan abklingende Symptome
  • mittelschwer (moderat): ausgeprägte oder länger anhaltende Symptome
  • schwer: schwere oder lebensbedrohliche Symptome
  • tödlich (fatal): die Intoxikation führt zum Tod

5. Noxen

Intoxikationen können durch eine Vielzahl von chemischen Noxen ausgelöst werden. Auch scheinbar wenig toxische Agenzien, wie Wasser und Kochsalz können schwere und u.U. tödliche Vergiftungen auslösen.

5.1. Intoxikationen durch Arzneimittel

Vergiftungen durch Arzneimittel (Medikamente) sind in Deutschland die häufigste Ursache für akute akzidentelle und suizidale Intoxikationen. Beispiele sind:

5.2. Intoxikationen durch chemische Haushaltsprodukte

Beispiele sind:

5.3. Intoxikationen durch Genussmittel

Beispiele sind:

5.4. Intoxikationen durch illegale Rauschmittel

Beispiele sind:

5.5. Intoxikationen durch Lebensmittel

Lebensmittelintoxikationen entstehen durch Aufnahme für den menschlichen Verzehr ungeeigneter oder mit bakteriellen Toxinen kontaminierter Lebensmittel. Der Begriff überschneidet sich teilweise mit dem Terminus Lebensmittelinfektion, wobei eine Infektion die Aufnahme vermehrungsfähiger Mikroorganismen voraussetzt.
Beispiele für Lebensmittelintoxikation im engeren Sinn sind:

5.6. Intoxikationen durch natürliche Noxen

Vergiftungen durch giftige Tiere, Pflanzen oder Pilze. Beispiele sind:

5.7. Intoxikationen durch Metalle

Beispiele sind:

5.8. Intoxikationen durch Insektizide oder Rodentizide

Beispiele sind:

5.9. Intoxikationen durch Gase bzw. Dämpfe

5.10. Intoxikationen durch Chemikalien

6. Symptome

Die Art und Intensität der Symptome sind u.a. von der Art des Toxins, seiner Dosis und der Expositionsdauer abhängig. Sie werden daher unter den jeweiligen Intoxikationsformen abgehandelt. Das Spektrum reicht von leichten Befindlichkeitsstörungen bis hin zu schweren Verläufen mit tödlichem Ausgang.

Zusätzlich können bei einer Drogenintoxikation substanzinduzierte Psychosen (Drogenpsychosen) auftreten.

7. Diagnostik

Die genaue Erhebung der Anamnese spielt bei Vergiftungen eine wichtige Rolle, um den Kreis der möglichen Noxen einzuengen. Frühzeitig sollte ein Giftinformationszentrum kontaktiert werden. Eine Liste der Giftinformationszentren im deutschsprachigen Raum findet sich hier. Bei bewusstlosen Patienten sollte man neben der Fremdanamnese Hinweise in der Auffindesituation beachten, z.B. Arzneimittelverpackungen, Nahrungsmittelreste oder Erbrochenes. Bei Vergiftungen am Arbeitsplatz sind die Sicherheitsdatenblätter und die GESTIS-Stoffdatenbank hilfreich.

Die weitere Diagnostik ist abhängig von der Art der Vergiftung und umfasst neben der körperlichen Untersuchung verschiedene Laboruntersuchungen, bildgebende Verfahren und die toxikologische Analytik.

Fehlende oder geringe Symptome schließen eine klinisch relevante Vergiftung nicht aus. Daher ist im Verdachtsfall eine medizinische Überwachung erforderlich, bis anhand der Diagnostik und des Verlaufs eine sichere Risikobewertung der Intoxikation möglich ist.

8. Therapie

Die Erstmaßnahmen bei Intoxikationen entsprechen den allgemeinen Notfallmaßnahmen zur Sicherung der Vitalfunktionen.

Neben der Stabilisierung des Patienten ist die Entgiftung, also die Beseitigung der Noxe und/oder ihre Neutralisierung das wichtigste Therapieziel. Hier unterscheidet man

Die Behandlung von Intoxikationen erfolgt aufgrund der Komplexität der notwendigen Maßnahmen in der Regel stationär, häufig auch intensivmedizinisch.

9. Rechtsmedizin

Intoxikationen haben eine erhebliche forensische Bedeutung. Sie treten u.a. im Zusammenhang mit Arbeitsunfällen, Suiziden oder Tötungsdelikten auf. Daher ist eine sorgfältige Dokumentation der Vergiftungserscheinungen, des zeitlichen Verlaufs und der Begleitumstände durch den behandelnden Arzt besonders wichtig. Wenn möglich, sollten Giftproben, Urin-, Blut- oder Gewebeproben sichergestellt werden.

10. Quellen

  1. 1,0 1,1 1,2 Müller D, Desel H: Ursachen, Diagnostik und Therapie häufiger Vergiftungen. Dtsch Arztebl Int 2013; 110(41): 690–700.
  2. Persson HE, Sjöberg GK, Haines JA, Pronczuk de Garbino J. Poisoning severity score. Grading of acute poisoning. J Toxicol Clin Toxicol. 1998;36(3):205-13. s.a. PSS IPCS/EAPCCT, zugegriffen 14.02.2023

11. Literatur

  • Ludewig R et al. Akute Vergiftungen und Arzneimittelüberdosierungen : Schnell- und Hintergrundinformationen zu Erkennung, Verlauf, Behandlung und Verhütung. 11. Aufl., Stuttgart : Wiss. Verl.-Ges. 2015
  • Marquardt H, Schäfer, SG, Barth H. Toxikologie. 4. Aufl., Stuttgart : Wiss. Verl.-Ges. 2019
  • Mühlendahl KE von (Hrsg.) Vergiftungen im Kindesalter. 4. Aufl., Stuttgart ; New York : Thieme 2007
  • Olson KR et al. Poisoning and Drug Overdose. 8th Ed., New York et al. : McGraw-Hill Education 2022
  • Zilker TR. Klinische Toxikologie für die Notfall- und Intensivmedizin. 1. Aufl., Bremen et al. : UNI-MED-Verl. 2008

12. Weblinks

  • O’Malley GF, O’Malley R. Allgemeine Grundlagen zu Vergiftungen. MSD Manual

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