Kokainintoxikation
Synonyme: Kokainvergiftung, Kokain-Intoxikation
Englisch: cocaine intoxication, cocaine poisoning
Definition
Die Kokainintoxikation ist eine akute Vergiftung durch den Konsum von Kokain. Sie führt zu charakteristischen zentralnervösen, kardiovaskulären und vegetativen Symptomen.
Hintergrund
Kokain wurde 1859 erstmals aus den Blättern des Kokastrauches isoliert und zunächst als Lokalanästhetikum und Antidepressivum verwendet. Sigmund Freud empfahl es zur Behandlung von Depressionen, bis seine stark suchterzeugende Wirkung erkannt wurde. Seitdem gilt Kokain neben Alkohol und Heroin als eines der großen Rauschmittel mit erheblichem Suchtpotenzial. In den 1980er-Jahren kam es zu einem deutlichen Anstieg des Konsums, besonders in westlichen Industrienationen.
Epidemiologie
Kokain ist die am häufigsten konsumierte illegale Substanz in Deutschland. Die bundesweite Lebenszeitprävalenz des Kokainkonsums bei 18- bis 64-Jährigen wird mit 5,6% angegeben, die 12-Monats-Prävalenz mit 1,6%. In Ballungszentren liegt der Kokainkonsum über dem Durchschnitt. Für Berlin wird die Lebenszeitprävalenz des Kokainkonsums bei 15- bis 64-Jährigen mit 15,9 % beziffert.[1]
Der Gelegenheitsgebrauch erfolgt in der Regel kontrolliert, sodass schwere Intoxikationen relativ selten sind. Bei Vielverwendern und in der Drogenszene besitzt Kokain, insbesondere in Form von „Crack“, ein hohes Intoxikationspotential.
Ätiopathogenese
Kokain stammt aus den Blättern des Kokastrauches (Erythroxylum coca) und blockiert die Wiederaufnahme von Dopamin, Noradrenalin und Serotonin. Daraus resultiert eine gesteigerte sympathomimetische Aktivität mit massiver Stimulation des ZNS und der Herz-Kreislauf-Funktion. Die letale Dosis liegt bei oraler Aufnahme ab etwa 1–1,2 g und bei intravenöser Applikation bei etwa 200 mg. Besonders gefährdet sind sog. "Bodypacker", die Drogenpäckchen verschlucken, um sie zu schmuggeln. Wird ein Päckchen undicht, besteht akute Lebensgefahr.
Symptome
Die Kokainintoxikation führt zu einer ausgeprägten sympathomimetischen Aktivierung mit Tachykardie, Hypertonie, Unruhe, Angst, Euphorie und Halluzinationen. Später treten Tremor, Mydriasis, Schwitzen, Übelkeit, Brustschmerzen, Palpitationen und Hyperthermie auf.
Komplikationen sind z.B. Krampfanfälle, Arrhythmien, Myokardinfarkt, zerebrale Blutungen, Schlaganfälle und Rhabdomyolyse mit akutem Nierenversagen.
Therapie
Ein spezifisches Antidot existiert nicht. Die Behandlung erfolgt symptomorientiert und umfasst die Stabilisierung der Vitalparameter sowie die gezielte Therapie der Organmanifestationen.
Kreislaufstörungen
Bei Hypotonie und Schock erfolgt eine Flüssigkeitssubstitution und ggf. die Gabe von Vasopressoren (z.B. Noradrenalin). Bei Hypertonie wird Urapidil titriert verabreicht. β-Blocker sind kontraindiziert, da sie unkontrollierte α-adrenerge Effekte verstärken können.
Supraventrikuläre Tachykardien werden mit Benzodiazepinen oder Calciumkanalblockern (z.B. Verapamil) behandelt. Ventrikuläre Tachykardien müssen ggf. elektrisch kardiovertiert werden. In therapierefraktären Fällen kann eine Lipid Rescue erwogen werden.
siehe auch: Therapie der Lokalanästhetika-Intoxikation
ZNS-Symptome
Psychomotorische Unruhe, Angst und Agitation werden mit Benzodiazepinen behandelt (z.B. Midazolam, Diazepam oder Lorazepam).
Hyperthermie
Nach (optionaler) Sedierung des Patienten wird dieser extern mit physikalischen Maßnahmen (z.B. Eiswasser) gekühlt. Antipyretika sind wirkungslos.
Rhabdomyolyse
Bei erhöhter CK und Myoglobinurie ist eine forcierte Diurese mit ausreichender Flüssigkeitszufuhr erforderlich (Ziel: Urinproduktion ≥ 3 ml/kgKG/h). Bei Hyperkaliämie oder Nierenversagen ist eine Hämodialyse indiziert.
Literatur
- Zilker: Klinische Toxikologie für die Intensivmedizin: Noxen, Symptome, Therapie, Analytik, 2. Auflage. Uni-Med, 2023, Bremen
Quellen
- ↑ Aktuelle Zahlen rund um Sucht. Eine Zusammenstellung der Fachstelle für Suchtprävention Berlin gGmbH, Stand 3/2025