Quecksilberintoxikation
Synonym: Quecksilbervergiftung, Mercurialismus, Merkurialismus
Englisch: mercury intoxication, mercury poisoning, quicksilver poisoning
Definition
Unter der Quecksilberintoxikation versteht man eine Vergiftung mit Quecksilber.
Vorkommen
Quecksilber hat einen hohen Dampfdruck. Aus diesem Grund besteht die Möglichkeit der Ausbildung eines Gleichgewichts des metallischen Quecksilbers mit der Atmosphäre in Räumen, in denen der Luftaustausch nicht sehr ausgeprägt ist. Ein erhöhtes Risiko für eine Quecksilberintoxikation besteht für Menschen, die in Räumen arbeiten, in den metallisches Quecksilber nicht verschlossen ist. Dies kann z.B. in physikalischen Laboratorien, in chemischen Laboratorien oder auch bei der Thermometerherstellung der Fall sein.
In Saatbeizmitteln und Fungiziden findet man dagegen eher organische Quecksilberverbindungen.
Intoxikation
Eine Quecksilberintoxikation ist maßgeblich von der chemischen Form und vom Aggregatzustand abhängig, in der die Substanz vorliegt. Reines metallisches Quecksilber wird nach oraler Aufnahme kaum resorbiert und hat nur eine schwache Toxizität. Anders verhält es sich mit organischen Quecksilberverbindungen, die infolge ihrer Lipidlöslichkeit im Gastrointestinaltrakt, aber auch über die Haut sehr gut aufgenommen werden. Die orale Bioverfügbarkeit von organischen Quecksilberverbindungen liegt bei 50-100%.
Akute Form
Die akute Quecksilberintoxikation ist in Deutschland selten und tritt in der Regel nur im Zusammenhang mit der industriellen Nutzung von Quecksilber auf. Die in Haushalten üblichen Mengen (z.B. in Fieberthermometern) reichen nicht aus, um akute Vergiftungserscheinungen auszulösen. Die LD50 liegt bei oraler Aufnahme etwa zwischen 25 und 50 mg/kgKG.
Unspezifische Symptome einer akuten Quecksilberintoxikation sind:
Quecksilber führt über eine Nekrose der Nierentubuli zunächst zu einer Polyurie und schließlich zu einer Oligurie oder Anurie. Durch Nekrosen in der Schleimhaut des Dünn- und Dickdarmes haben die zudem Patienten blutige Durchfälle.
Die Inhalation größerer Quecksilbermengen führt zu einer Schädigung des Zentralnervensystems und zu einer Reizung der Atemwege.
Subakute Form
Die subakute Quecksilberintoxikation führt zu einer verstärkten Speichelbildung sowie zu einer Stomatitis mercurialis, welche sich in Entzündungen und Ulzerationen der Schleimhäute äußert. Dabei ist vor allem das Zahnfleisch betroffen. Im Laufe der Zeit bildet sich durch die Einlagerung von Mercurisulfid ein dunkler Saum. Die Ausscheidung von Quecksilber über die Schweißdrüsen kann analog zur Dermatitis mercurialis führen. Möglich sind ebenfalls Schädigungen des Darmes und der Nieren.
Chronische Form
Erst bei mindestens einjähriger Exposition von mehr als 50 µg/m3 Quecksilberdampf sind chronische Krankheitserscheinungen zu erwarten. Bei der chronischen Form wird häufig ebenfalls eine Stomatitis mercurialis mit Entzündungen und Ulzerationen der Mundschleimhäute beobachtet.
Im Vordergrund stehen jedoch in der Regel neurologische Symptome, vor allem dann, wenn das Quecksilber als Quecksilberdampf aufgenommen wurde. Prodromi sind Mattigkeit Kopfschmerzen und Gliederschmerzen.
Der Quecksilberdampf wird über die Lunge aufgenommen und gelangt über das Blut und die Blut-Hirn-Schranke in das Gehirn. Hier erfolgt die Oxidation zum Quecksilber-Ion und die Bindung an das Hirngewebe.
Die chronische Quecksilberintoxikation führt zu Reizbarkeit, dem sog. Erethismus mercurialis, Konzentrationsstörungen, Polyneuropathie, Schlaflosigkeit und Intentionstremor (Tremor mercurialis). Dieser äußert sich zunächst durch ein leichtes Fingerzittern, geht später aber in Schüttelbewegungen der Gliedmaßen und des Kopfes über. Im weiteren Verlauf entwickelt sich häufig eine Kachexie. Zudem kann es zu Sprachstörungen - dem Psellismus mercurialis kommen. Betroffene haben eine stotternde Sprache, die bei Zischlauten verwaschen ist.
Die orale Aufnahme von gut lipidlöslichen alkylierten Quecksilberverbindungen führt neben den genannten Symptomen häufig auch zu Sehstörungen, zu Hörstörungen und zur Ataxie. In Japan wurde sie als Minamata-Krankheit bekannt. Leber- und Nierenschädigungen sind seltener als bei der akuten Intoxikation.
Eine chronische Quecksilberintoxition wirkt teratogen.
Labormedizin
Material
Für die Untersuchung werden je nach Test verschiedene Materialien benötigt:
- 5 ml EDTA-Blut
- 30 ml Urin
- 2 x Sammelurin (vor und nach DMPS-Gabe)
- 2 x Speichelprobe (vor und nach Kaugummi-Kauen)
Testverfahren
Der Quecksilberwert wird im 24h-Urin vor und nach oraler Gabe von Dimercaptopropansulfonsäure (DMPS) bestimmt. Dafür wird zunächst der 24h-Urin gesammelt und daraus der Basalwert bestimmt. Am nächsten Morgen werden 3 Tabletten DMPS verabreicht und es wird erneut 24h-Urin gesammelt, woraus anschließend der Belastungswert bestimmt werden kann.
Der sogenannte Kaugummitest nach Daunderer dient zur Abschätzung der Quecksilberbelastung aus Amalgam-Füllungen. Der Patient sollte dafür 1-2 Stunden vor dem Test nicht gegessen haben. Dann werden 5 ml Speichel in ein Sputumröhrchen gefüllt, um den Basalwert zu bestimmen. Anschließend kaut der Patient 10 min lang zuckerfreien Kaugummi und gibt dabei mindestens 5 ml Speichel in ein 2. Röhrchen (Provokationswert). Der Test gilt allerdings insgesamt als unzuverlässig, seine Aussagekraft ist gering.
Referenzbereiche
Material | Bedingungen | Norm | |
---|---|---|---|
Urin | Normwert | < 24,6 µg/l
< 38,9 µg/g Kreatinin | |
Biologischer Grenzwert (BAT) | 200 µg/l | ||
nach DMPS-Gabe | < 50 µg/l (Anstieg < 15-fachem Basalwert) | ||
Blut | Normwert | < 7,2 µg/l | |
Biologischer Grenzwert (BAT) | Alkyl-Hg-Verbindungen | 100 µg/l | |
anorganische Hg-Verbindungen | 50 µg/l | ||
organische Nicht-Alkyl-Hg-Verbindungen | 50 µg/l | ||
Speichel | Kaugummitest basal und nach Provokation | < 5,0 µg/l |
Therapie
Bei der akuten Quecksilberintoxikation wird versucht, durch eine Magenspülung so viel Quecksilber wie möglich zu eliminieren. Zusätzlich wird in der Regel Aktivkohle verabreicht.
DMPS, eventuell in Kombination mit D-Penicillamin, wird dazu genutzt, resorbiertes Quecksilber aus dem Körper zu eliminieren.
um diese Funktion zu nutzen.