Methanolvergiftung
Synonym: Methanolintoxikation
Englisch: methanol intoxication, methanol poisoning
Definition
Unter einer Methanolvergiftung versteht man die Intoxikation durch Einnahme des Alkohols Methanol.
Ursache
Methanolvergiftungen kommen vor allem bei Verwechslung von Methanol mit Ethanol oder durch Verdünnung ethanolhaltiger Spirituosen mit Methanol zustande. Eine weitere Vergiftungsquelle sind diverse privat gebrannte Schnäpse, die als Zusatz oder infolge falscher Produktionsbedingungen Methanol enthalten.
Pathophysiologie
Bei Aufnahme von Methanol entstehen durch dessen Metabolisierung in der Leber die Produkte Formaldehyd und Ameisensäure. Die zuständigen Enzyme sind die Alkoholdehydrogenase und die Aldehyddehydrogenase.
Da die Ausscheidung von Formaldehyd und Ameisensäure über die Nieren nur sehr langsam abläuft, kommt es zur Akkumulation der beiden Substanzen. Durch die Ameisensäure wird eine metabolische Azidose in Gang gesetzt. Formaldehyd wirkt lokal toxisch und schädigt Organe.
Abhängig vom Körpergewicht und vom Allgemeinzustand können bereits weniger als 30 ml Methanol beim Menschen tödlich sein. Die durchschnittliche letale Dosis liegt ungefähr zwischen 100-250 ml.
Symptomatik
Methanol wirkt zunächst ähnlich wie Ethanol, entfaltet aber geringere Rauschwirkung. Nach der Metabolisierung kommt es jedoch infolge der Azidose zu einer Stoffwechselentgleisung. Tückisch ist, dass die Azidose aufgrund der relativ langsamen Verstoffwechselung von Methanol mit einer Latenz von etwa 48-72 Stunden auftritt. Ausgelöst durch die metabolische Azidose kann es zu Bauchschmerzen, Schwindel, Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen kommen.
Die lokalen Effekte des Formaldehyds treffen vor allem Auge, ZNS, Leber, Nieren und Herz. Ausprägung und Schweregrad der Symptome sind abhängig von der Dosis. Nach einigen Tagen kommt es zu einer Trübung des Visus. Erfolgt keine Therapie, entsteht in der Folgezeit durch Schädigung des Sehnerven eine dauerhafte Sehstörung bis hin zur Erblindung.
Bei massiver Methanolaufnahme kann es durch die narkotische Wirkung zum direkten Tod kommen.
Labordiagnostik
Der Nachweis von Methanol bzw. seines Metaboliten Ameisensäure erfolgt anhand der Gaschromatographie oder Photometrie. Die Diagnose wird jedoch in der Regel anhand der Anamnese und der Klinik des Patienten gestellt. In den meisten Fällen kann bis zur Anordnung therapeutischer Maßnahmen nicht auf die Ergebnisse der laborchemischen Diagnostik gewartet werden.
Material
Für den Nachweis von Methanol wird 4 ml Blut, abgefüllt in einem speziellen Gefäß für flüchtige Lösungsmittel benötigt. Eine weitere Möglichkeit ist der Nachweis von Methanol oder Ameisensäure in einer Probe von 50 ml Urin, die mit Eisessig (50 µl/10 ml Urin) stabilisiert wird.
Referenzwerte
Normwerte von Methanol:
- Im Blut: < 0,6 mg/l
- Im Urin: < 2,5 mg/l
Normwerte von Ameisensäure:
- Photometrie des Urins: < 15 mg/l
Interpretation
Erhöhte Werte geben einen Hinweis auf eine vorherige Aufnahme von Methanol in den Organismus. Diese kann als Ingestion, über die Einatmung von Dämpfen oder über Hautkontakt stattgefunden haben.
Therapie
Entscheidend für den Therapieerfolg ist die sofortige Einleitung der notwendigen Maßnahmen. Erfolgt der Therapiebeginn zu spät, sind in der Regel schon irreparable Organschäden eingetreten. Unbehandelt endet eine Methanolvergiftung in den meisten Fällen tödlich.
Hemmung der Methanoloxidation
Der wichtigste Schritt zur Therapie der Methanolvergiftung ist die Gabe von Fomepizol oder Ethanol. Beide haben eine vielfach höhere Affinität zur Alkohol- und Aldehyddehydrogenase. Fomepizol bewirkt in vitro eine ca. 8.000fach stärkere kompetitive Hemmung als Ethanol. Durch beide Substanzen wird die Metabolisierung von Methanol wirkungsvoll unterbunden.
Das Ethanol kann bei kooperativen Patienten oral verabreicht werden, beispielsweise in Form von 40-prozentigem Schnaps. Dabei soll eine therapeutische Ethanolkonzentration von etwa 1 Promille erreicht werden. Diese Konzentration muss über Tage hinweg aufrechterhalten werden. In dieser Zeit wird Methanol überwiegend renal eliminiert.
Alternativ kommt die Verabreichung von Ethanol per Infusion in Frage. Dabei werden initial 0,5 g/kg KG über 30 Minuten verabreicht, danach 0,1 ml/kg KG/h. Bei i.v.-Gabe muss der Blutalkoholspiegel fortlaufend kontrolliert werden.
Applikation alkalisierender Substanzen
Die metabolische Azidose wird parallel durch Gabe von Natriumhydrogencarbonat und Trispuffer (Trometamol) ausgeglichen. Die dadurch erreichte Normalisierung des intra- und extrazellulären pH-Werts erhöht den Dissoziationsgrad der Ameisensäure und vermindert ihre schädliche Wirkung.
Folsäuregabe
Die Elimination der toxisch wirkenden Ameisensäure kann durch Gabe von hohen Folsäuredosen beschleunigt werden.
Hämodialyse
In schweren Fällen - bei einer Ingestionsmenge über 100 ml und/oder Nierenversagen - kann eine Hämodialyse zur Elimination des Methanols und seiner Metabolite notwendig sein.