Pilzvergiftung
Definition
Eine Pilzvergiftung, in der medizinischen Fachsprache Myzetismus, ist eine Intoxikation, die durch den Verzehr von Pilzen verursacht wird.
Einteilung
...nach auslösendem Toxin bzw. Pilz
- Gastrointestinales Pilzsyndrom
- Muskarin-Syndrom
- Pantherina-Syndrom (Fliegenpilz-/Pantherpilz-Syndrom)
- Psilocybin-Syndrom (halluzinogenes Pilzsyndrom)
- Coprinus-Syndrom
- Paxillus-Syndrom
- Amatoxin-Syndrom (Phalloides-Syndrom)
- Gyromitra-Syndrom
- Orellanus-Syndrom
- Equestre-Syndrom (Rhabdomyolyse-Syndrom)
- Acromelalga-Syndrom
...nach Latenzzeit
- mit kurzer Latenzzeit (< 6 Stunden): Syndrome 1 bis 6
- mit langer Latenzzeit (6 bis 24 Stunden): Syndrome 7 bis 11
...nach Kausalität
- Primäre Pilzvergiftung: Vergiftung durch Giftpilze, "echte Pilzvergiftung"
- Sekundäre Pilzvergiftung: Krankheitserscheinungen, die nach dem Verzehr von Pilzen auftreten, aber nicht auf Pilzgifte zurückzuführen sind, "unechte Pilzvergiftung" (meist gastrointestinales Pilzsyndrom)
Symptome
Die Symptomatik einer Pilzvergiftung hängt vom auslösenden Toxin bzw. Pilzgift ab. Die Palette möglicher Krankheitsanzeichen reicht von harmlosen Bauchschmerzen bis hin zum totalen Versagen mehrerer Organsysteme.
Viele Symptome, die im Rahmen einer Pilzvergiftung auftreten, können auch andere Gründe haben. Dennoch gilt: Hat die erkrankte Person in der näheren Vergangenheit Pilze zu sich genommen, sollte man immer von einer Pilzvergiftung ausgehen und sofort ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen.
Diagnostik
Zu den allgemein Diagnosemethoden im Rahmen einer Pilzvergiftung gehören
- Genaue Anamnese des Patienten (falls ansprechbar) und der Angehörigen
- Art und Zustand der gesammelten Pilze
- Sammelort, Sammelbehälter; Transport, Lagerung, Aufbewahrung bis zur Zubereitung der Pilzmahlzeit
- Art der Zubereitung, Zeitpunkt des Verzehrs, verzehrte Menge, gleichzeitiger Alkoholkonsum
- Latenzzeit bis zum Auftreten der ersten Symptome nach der Pilzmahlzeit
- Grunderkrankungen, Allergien
- Untersuchung und Identifikation von Pilzresten und/oder Erbrochenem durch einen Pilzsachverständigen (PSV) (Makroskopie, Mikroskopie, Sporenanalyse)
- Labordiagnostik und Bildgebung zur Beurteilung möglicher Organschäden (Leber- und Nierenfunktion)
- Toxikologische Analytik zur Identifizierung der Giftstoffe
Therapie
Jeder Giftpilz löst eine individuelle Vergiftung aus, die einer auf die Schäden zugeschnittenen Therapie bedarf. Nicht nur die Frage nach der Art des Giftpilzes stellt eine unverzichtbar wichtige Information für die Diagnosefindung dar, auch die Latenzzeit sagt bereits viel über die Art und die Gefährlichkeit der Vergiftung aus. So gilt ganz grob die Regel: Je länger die Latenzzeit, desto lebensbedrohlicher ist die Vergiftung.
Diese Faustregel ist allerdings mit Vorsicht zu genießen; auch bei den drei tödlich giftigen Knollenblätterpilzarten (Phalloides spec.) und anderen hochtoxischen Fruchtkörpern kann es rasch zu den ersten Erscheinungen kommen. Diese sind allerdings meistens auf den Gastrointestinaltrakt beschränkt, weswegen viele Betroffene keine ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. In einem solch frühen Stadium wäre aber z.B. auch ein Amatoxin-Syndrom noch leichter zu therapieren. In jedem Fall gilt also folgender Satz: Je früher die Therapie beginnt, desto besser!
Erste Hilfe
Es gelten die allgemeinen Maßnahmen der Ersten Hilfe durch Laien. Im Falle einer Pilzvergiftung sollten keine Maßnahmen ohne ärztliche Anordnung eingeleitet werden. Besondere Hinweise sind:
- Kein Erbrechen auslösen (Aspirationsgefahr!)
- Kein Salzwasser trinken, weil die Gefahr einer Kochsalzvergiftung besteht
- Keine Milch verabreichen, weil dadurch die Giftresorption ggf. gefördert wird.
- Kontakt zu einer Giftnotrufzentrale herstellen. Eine Liste von Giftnotrufzentralen findet sich hier. Es erfolgt eine telefonische Beratung und die Vermittlung an einen Pilzsachverständigen. Es ist zu entscheiden, ob der Rettungsdienst oder der Notarzt gerufen werden muss.
- Pilze, Putzreste und Reste der Mahlzeit unbedingt aufheben und dem PSV vorlegen, um eine Bestimmung des Pilzes zu ermöglichen.
- Erbrochenes aufheben. Im Erbrochenen können Pilzreste oder Pilzsporen vorhanden sein, die eine Pilzbestimmung ermöglichen.
- Alle an der Pilzmahlzeit beteiligten Personen sollten informiert werden, um sich ggf. ärztlich untersuchen zu lassen.
Literatur
- Bresinsky A, Besl H. Giftpilze. Stuttgart : Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft 1985
- Flammer R, Horak E. Giftpilze - Pilzgifte. Basel : Schwabe 2003
Weblinks
- Pilze: Verwechslungen können tödlich enden. BfR Pressemitteilung 31/2024 21.10.2024, abgerufen am 22.10.2024
- Liebenow H, Hahn A, Michalak H. Risiko Pilze – Einschätzung und Hinweise. BfR 2005, abgerufen am 22.10.2024
- Wennig R et al. Vergiftungen durch Pilze. Dtsch Arztebl Int 2020, abgerufen am 22.10.2024
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