Orellana-Syndrom
Synonym: Orellanus-Syndrom
Definition
Das Orellana-Syndrom ist eine Form der Pilzvergiftung. Sie zeichnet sich durch eine sehr lange Zeitspanne zwischen Pilzmahlzeit und Auftreten der ersten Krankheitszeichen aus.
Hintergrund
Die frühesten Symptome des Orellana-Syndroms treten in der Regel 30 bis 40 Stunden nach dem Verzehr auf, in seltenen Fällen wurden Zeiträume von über 14 Tagen bis zum Eintreten der Symptome beobachtet. Dies kann eine effektive Therapie unter Umständen erschweren, da sich die Toxine schon eine verhältnismäßig lange Zeit im Körper befinden und im Blut zirkulieren. Treten die Vergiftungserscheinungen allerdings später als 9 Tage nach Verzehr auf, verläuft die Vergiftung meistens etwas milder.
Verursachende Pilze
- Orangefuchsiger Schleierling
- Spitzbuckliger Orangeschleierling
- Schleierlinge (Rauköpfe, Hautköpfe)
Alle Pilze dieser Art sind stark nephrotoxisch.
Relevante Giftstoffe
Der Hauptgiftstoff ist Orellanin. Chemisch handelt es sich um eine heterozyklische Verbindung mit einer Bipyridin-Struktur. Es ist in Wasser und unpolaren organischen Lösungsmitteln unlöslich und kann auch durch große Hitze nur sehr langsam zersetzt werden, weswegen die genannten Pilze auch nach gründlicher Zubereitung in der Pfanne nicht hinreichend entgiftet werden. Eine Zersetzung von Orellanin ist durch UV-Licht möglich. Es handelt sich jedoch um keine Möglichkeit, den Pilz ungiftig zu machen.
Die genannten Pilzsorten sind hochgiftig und dürfen unter keinen Umständen verzehrt werden.
Weiterhin befindet sich in den Fruchtkörpern die Substanz Orellinin, die jedoch weit weniger toxisch ist und deren Wirkung vernachlässigt werden kann. Es handelt sich um ein Abbauprodukt des Orellanins.
Wirkmechanismus
Orellanin wirkt als nichtkompetetiver Hemmer der alkalischen Phosphatase und hemmt außerdem die Proteinbiosynthese der Nierenzellen. Der genaue Wirkmechanismus ist derzeit (2022) noch nicht vollständig geklärt.
Symptome
Zu den typischen Krankheitsmerkmalen gehören:
- zunächst gastrointestinale Beschwerden wie Übelkeit und Erbrechen
- Schmerzen im Lendenwirbelbereich (durch beginnende Nierenschädigung)
- Kopf-, Gelenk- und Muskelschmerzen
- Kältegefühl und / oder Schüttelfrost
- Keine Änderung der Körpertemperatur
- extrem starkes und unstillbares Durstgefühl
- Polyurie
Diagnose
- erhöhte Kreatininkonzentration im Serum
- Abdomensonografie:
- grenzwertig vergrößerte Nieren mit echoreichem Parenchym
- prominente Markpyramiden
- Nadelbiopsie der Nierenrinde: Orellanin im Biopsat
- mikroskopisch sichtbare Tubulusnekrosen bei unveränderten Gefäßen
- Urinuntersuchung: Blut und Eiweiße im Urin
Therapie
Es handelt sich um einen Notfall, bei dem so schnell wie möglich intensivmedizinische Maßnahmen eingeleitet werden müssen, weil Orellanin potenziell tödlich ist.
Primäre Giftentfernung
Wird die Vergiftung frühzeitig erkannt, sind folgende Maßnahmen indiziert:
- Herbeiführen von Erbrechen
- Magenspülung
- Verabreichung von Aktivkohle und Lactulose zur Giftausscheidung
Sekundäre Giftentfernung
Nach intensiver Beobachtung und weiterer labortechnischer Untersuchung muss festgestellt werden, ob es nach der primären Giftentfernung zu einer dauerhaften Nierenschädigung gekommen ist. Ist dies nicht der Fall, ist innerhalb von einer Woche nach der Vergiftung eine Hämoperfusion indiziert, um noch evtl. im Körper verbliebene Giftreste zu entfernen.
Bei Nierenschädigung und Insuffizienz ist der Patient in aller Regel dialysepflichtig. Im Falle einer sehr schweren Schädigung beider Nieren bleibt als ultima ratio nur noch die Nierentransplantation.
Kontrainduziert sind zu jedem Zeitpunkt der Therapie Schleifendiuretika wie Furosemid, da diese den Nieren-Tubulus-Schaden weiter verstärken.
Prognose
Bei 50 % der Patienten bessert sich die Nierenfunktion innerhalb von einigen Wochen wieder ohne ein weiteres Vorgehen. 50 % der Betroffenen benötigen eine Hämodialyse; manche nur über einige Wochen und Monate, andere dauerhaft.
Giftzentralen
- Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit; Liste der Giftnotrufzentralen und Giftinformationszentren in Deutschland, Österreich und Schweiz
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