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Leptospirose

Synonyme: Morbus Weil, Weil-Krankheit, Canicola-Fieber, Kanikola-Fieber, Batavia-Fieber, Feldfieber, Fort-Bragg-Fieber, Reisfeldfieber, Schweinehüter-Krankheit, Schlammfieber, Erntefieber, Erbsenpflücker-Krankheit, Wasserfieber, Prätibiales Fieber, Japanisches Herbstfieber, Stuttgarter Hundeseuche, Sielkrankheit
Englisch: leptospirosis, Weil disease

1. Definition

Die Leptospirose ist eine weltweit vorkommende Zoonose, die von pathogenen Bakterien der Gattung Leptospira hervorgerufen wird. Das Spektrum an Manifestationen reicht von einer asymptomatischen Infektion bis hin zum fulminanten Verlauf, den man als Morbus Weil bezeichnet.

2. Erreger

Leptospiren sind dünne, spiralförmige und bewegliche Bakterien. Sie zählen zu den Spirochäten aus der Ordnung Spirochaetales (Familie Leptospiracae).

Derzeit (2021) werden 10 pathogene Arten (z.B. Leptospira interrogans, Leptospira weilii), fünf intermediär pathogene (z.B. Leptospira broomii) und sieben nicht-pathogene, saprophytäre Arten (z.B. Leptospira biflexa) unterschieden. Anhand der Antigenzusammensetzung werden 26 Serogruppen mit über 250 Serovare differenziert.

3. Epidemiologie

Die Leptospirose kommt weltweit vor, insbesondere in den Tropen und Subtropen. Die meisten Fälle treten bei Männern auf. Saisonale Häufungen finden sich im Sommer und Herbst sowie in der Regenzeit in den Tropen.

Die Mehrzahl der Infektionen verursacht beim Menschen keine oder nur leichte Erkrankungen, während in ca. 1 % der Fälle schwere, potentiell letale Komplikationen auftreten. Da die meisten Patienten mit leicht verlaufenden Leptospirosen keinen Arzt aufsuchen oder keinen Zugang zu medizinischer Versorgung haben und die Symptome einem grippalen Infekt zugeschrieben werden, fehlen genaue Daten zur Häufigkeit und Letalität. Derzeit wird von ca. 1 Millionen schwerer Fälle pro Jahr bei einer durchschnittlichen Sterblichkeit von fast 10 % ausgegangen. In Deutschland liegt die Zahl der Leptospirosefälle bei 50-100 pro Jahr. Dabei sind die Infektionen etwa zu gleichen Teilen autochthon erworben und importiert.

Als Zoonose betrifft die Leptospirose fast alle Säugetiere. Das wichtigste Reservoir stellen Nagetiere (v.a. Ratten) dar, aber auch Haus- und Nutztiere können befallen sein. Dabei bilden Leptospiren mit ihrem Wirt eine Symbiose und können im Urogenitaltrakt jahrelang persistieren. Einige Serovare kommen bei bestimmten Tieren gehäuft vor, z.B.:

  • Icterohaemorrhagiae und Copenhagi bei Ratten
  • Grippotyphosa bei Maulwürfen
  • Hardjo bei Rindern
  • Canicola bei Hunden
  • Pomona bei Schweinen

Die Leptospirose kann sowohl endemisch als auch epidemisch auftreten. Die Übertragung erfolgt nach direktem Kontakt mit Urin, Blut oder Gewebe infizierter Tiere und häufiger durch Exposition gegenüber den in der Umwelt vorkommenden Erregern. Eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist vermutlich häufiger als früher vermutet. Weiterhin können Leptospiren in feuchter Umgebung über viele Monate überleben, sodass Wasser eine wichtigen Übertragungsfaktor darstellt. Warum es zu epidemischen Ausbrüchen kommt, ist weitestgehend unklar. Teilweise treten sie nach Überflutungen auf, wenn das Wasser mit dem Urin infizierter Tiere kontaminiert ist. Berichtet wurden Ausbrüche nach Sport-Großveranstaltungen, bei denen es z.B. zu Infektionen durch Verschlucken von kontaminiertem Seewasser während eines Triathlons kam. Viele Patienten infizieren sich in tropischen Ländern bei Abenteuerurlauben mit Wildwasser-Rafting und Höhlenerforschungen. Laborunfälle oder Tierbisse sind selten die Ursache einer Übertragung.

Bestimmte Berufsgruppen weisen ein erhöhtes Risiko auf. Dazu zählen:

  • Tierärzte
  • Beschäftigte in der Landwirtschaft
  • Kanalarbeiter
  • Mitarbeiter von Schlachthäusern
  • Beschäftigte in der Fischerei-Industrie

4. Pathogenese

Leptospiren gelangen über Hautverletzungen oder die Schleimhäute (v.a. Konjunktiva, Mundschleimhaut) in den Organismus und breiten sich hämatogen in alle Organe aus (leptospirämische Phase). In dieser Inkubationsperiode können sie aus dem Blut isoliert werden. Die Leptospiren hemmen mithilfe des Bindungsfaktor H auf ihrer Oberfläche das Komplementsystem. Außerdem sind sie resistent gegenüber der Abtötung durch Phagozyten.

In der anschließenden Immunphase entwickeln sich Antikörper und die Leptospiren verschwinden aus dem Blut. Jedoch können sie in verschiedenen Organen (z.B. Leber, Lunge, Nieren, Herz, Gehirn) persistieren. In der Niere kommt es zu akuten Tubulusschäden bis hin zur akuten Tubulusnekrose und zu einer interstitiellen Nephritis. In der Leber finden sich fokale Nekrosen, eine Infiltration der Disse-Räume und eine Verlegung der kleinen Gallengänge. Weiterhin treten Petechien und Hämorrhagien in Herz, Lunge, Niere und Nebennieren, Pankreas, Leber, Gastrointestinaltrakt (incl. retroperitonealem Fettgewebe, Mesenterium), Muskeln, Prostata, Hoden und Gehirn (mit Subarachnoidalblutungen) auf. Weiterhin kann sich eine Verbrauchskoagulopathie mit Thrombozytopenie entwickeln. Auch eine Aktivierung des Endothels mit erhöhter Permeabilität scheint eine Rolle zu spielen.

Die Erkrankung hinterläßt eine typspezifische Immunität, diese hängt primär von der Bildung von Antikörper gegen das Serovar-spezifische Lipopolysaccharid (LPS) ab. Außerdem spielt die Aktivierung von Toll-like-Rezeptoren (TLR2 und 4) eine wichtige Rolle.

5. Klinik

Die Mehrzahl der Leptospiren geht mit nur geringen Symptomen einher und präsentiert sich als akute fiebrige Erkrankung. Die Inkubationszeit beträgt 1 bis 30 Tage, i.d.R. 1-2 Wochen. Die Erkrankung verläuft klassischerweise biphasisch:

  • leptospirämische Phase: Fieber über 3-10 Tage, Erreger kann aus dem Blut kultiviert und mittels PCR nachgewiesen werden
  • Immunphase: Zurückbildung der Symptome, Auftreten von Antikörper im Blut, Erreger kann aus dem Urin kultiviert werden

Nicht immer können diese Phasen strikt voneinander getrennt werden: Bei leichten Infektionen kann die zweite Phase ausfallen, schwere Fälle können einen monophasischen Verlauf zeigen.

Zwar können einige Serovare tendenziell schwerere Erkrankungen verursachen, jedoch existieren keine unterschiedlichen klinischen Syndrome. Eine Leptospirose während der Schwangerschaft geht mit einer hohen Letalität des Fetus einher.

5.1. Leichte Leptospirose

Die leichte symptomatische Leptospirose manifestiert sich mit akut auftretendem Fieber, Schüttelfrost, Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen, Bauchschmerzen, konjunktivalen Einblutungen und Myalgien (v.a. Waden, Rücken, Abdomen). Die Kopfschmerzen sind intensiv, frontal oder retroorbital und z.T. mit Photophobie assoziiert. Eine aseptische Meningitis kann v.a. bei Kindern auftreten. Zwar sind in der Frühphase häufig Leptospiren aus dem Liquor kultivierbar, jedoch sind zentralnervöse Symptome nur gering ausgeprägt.

In der körperlichen Untersuchung können weiterhin Lymphknotenschwellungen, Meningismus, Hepatosplenomegalie und ein oft vorübergehendes Exanthem (makulös, makulopapulös, erythematös oder hämorrhagisch) auffallen. Weiterhin sind pulmonale Rasselgeräusche sowie ein leichter Ikterus möglich.

Die leichte Leptospirose bildet sich i.d.R. spontan innerhalb von 7-10 Tagen zurück. Die Letalität ist auch ohne Therapie nur gering.

5.2. Schwere Leptospirose

Die schwere Leptospirose ähnelt zu Beginn der leichten Verlaufsform, zeigt dann jedoch eine schnelle Progredienz und eine Sterblichkeit von 1-50 %. Die typische Trias besteht aus Hämorrhagien, Ikterus und akutem Nierenversagen. Sie wird auch als Weil-Krankheit oder Morbus Weil bezeichnet. Die Patienten sterben an einem septischen Schock mit Multiorganversagen und/oder an schweren Blutungskomplikationen. Entsprechen zeigen folgende Blutungen einen schweren Verlauf an:

Ein Ikterus tritt bei 5-10 % der Patienten auf und kann mit einer druckschmerzhaften Hepatomegalie einhergehen. Das akute Nierenversagen entsteht meist nach mehreren Tagen nach Krankheitsbeginn. Assoziierte Elektrolytveränderungen umfassen eine Hypokaliämie, Hyponatriämie und Hypomagnesiämie. Die akute Tubulusnekrose kann zur Hypotension bis hin zum Schock führen. Nach dem Überstehen der akuten Phase erholt sich die Nierenfunktion im Allgemeinen. Ein veränderter mentaler Status ist hinweisend auf eine leptospirale Meningitis, selten kann es auch zur Meningoenzephalitis kommen. Nach der akuten Erkrankung können noch für Monate neurologische Folgeerscheinungen bestehen.

Weitere Symptome sind:

Unbehandelt kann die Krankheitssymptomatik 3-4 Wochen anhalten, die Rekonvaleszenzphase dauert häufig mehrere Monate. Die Letalität beträgt ohne adäquate Therapie ca. 20-30%, dabei sind vor allem ältere Menschen betroffen. Todesursachen sind hepatorenales Versagen, ARDS oder Herzrhythmusstörungen. Langzeitfolgen nach schwerer Leptospirose sind Erschöpfungszustände, Myalgien sowie Kopfschmerzen und können teilweise über Jahre bestehen. Weiterhin ist eine chronische autoimmune Uveitis nach Leptospirose möglich.

6. Diagnostik

6.1. Anamnese

Anamnestisch sollten folgende Faktoren berücksichtigt werden werden:

  • Reise aus Endemiegebiet
  • Wassersportaktivitäten
  • sonstige Haut- oder Schleimhautkontakte mit kontaminierten Gewässern oder böden
  • berufliche Expositionen

6.2. Labor

Des Weiteren finden sich typischerweise erhöhte Entzündungsparameter (Leukozytose, Erhöhung von CRP, Procalcitonin und ESR) und eine Thrombozytopenie, die mit Blutungen und Nierenversagen assoziiert ist. In schweren Fällen fällt eine disseminierte intravasale Gerinnung auf. Die Nieren sind fast immer mitbeteiligt. Die Befunde reichen von Veränderungen im Urinsediment (Leukozyten, Erythrozyten, hyaline oder granulierte Zylinder) und geringer Proteinurie bis hin zum Nierenversagen und Azotämie. Das nicht-oligurische Nierenversagen mit Hypokaliämie ist typisch für die Frühphase der Leptospirose.

Weitere Laborauffälligkeiten sind:

6.3. Liquordiagnostik

Bei Symptomen einer Meningitis wird häufig eine Lumbalpunktion mit anschließender Liquoranalyse durchgeführt. Typische Befunde sind:

  • Pleozytose: wenige Zellen bis hin zu > 1.000/µl. Meist Überwiegen von Lymphozyten.
  • Protein- und Glukosekonzentration: meist normal, ggf. leicht erhöht

6.4. Bildgebung

Im Röntgen-Thorax fällt häufig eine beidseitige, fleckige alveoläre Zeichnung auf, insbesondere in den Unterlappen. Sie entspricht diffusen alveolären Blutungen. Weiterhin können Pleuraverdichtungen (aufgrund von Blutungen) oder diffuse, milchglasartige Verschattungen wie beim ARDS auftreten.

6.5. Erregernachweis

Die Diagnose einer Leptospirose wird durch den Erregernachweis gesichert. Bei starkem klinischen Verdacht wird ein einmaliger Antikörpertiter von 1/200 bis 1/800 (je nach regionaler Prävalenz) im mikroskopischen Agglutinationstest (MAT) gefordert. Meist findet sich im Verlauf ein Anstieg des Titers in der Kovaleszenzphase um mindestens das Vierfache. Vor der zweiten Erkrankungswoche sind i.d.R. keine Antikörper nachweisbar. Neben MAT und ELISA existieren auch Schnelltests, die in Regionen ohne ausreichende medizinische Infrastruktur hilreich sind.

Zunehmend werden PCR-basierte Verfahren eingesetzt. Dadurch kann die Leptospirose mit hoher Genauigkeit schon innerhalb der ersten 5 Tage der Erkrankung gesichert werden.

Leptospiren lassen sich nur schwer anfärben, aber in der Dunkelfeldmikroskopie und nach Silberimprägnierung von Geweben darstellen. Für den kulturellen Nachweis sind spezielle Anzuchtmedien und oft Wochen bis Monate notwendig. Im Blut sind die Erreger nur in der Anfangsphase, etwas später im Liquor und zuletzt im Urin nachweisbar.

7. Differenzialdiagnosen

8. Therapie

Leptospiren sind gegenüber einer Vielzahl an Antibiotika hoch empfindlich. Empfohlen werden:

Bei schweren Verlaufsformen sind folgende Behandlungen möglich:

  • Penicillin: 1,5 Mega-IE i.v. alle 6 Stunden
  • Ceftriaxon: 1 g/d i.v.
  • Cefotaxim: 1 g i.v. alle 6 Stunden
  • Doxycyclin: initial 200 mg i.v., dann 100 mg i.v. alle 12 Stunden

Die Behandlungsdauer beträgt jeweils 7 Tage. In Gebieten, in denen die Rickettsiosen endemisch auftreten, ist Doxycyclin das Mittel der Wahl. Selten kann es innerhalb weniger Stunden nach Beginn der Therapie zu eiiner Jarisch-Herxheimer-Reaktion kommen. Leptospiren sprechen nicht auf Vancomycin, Rifampicin, Metronidazol und Chloramphenicol an. Eine Antibiose ist jedoch wahrscheinlich nur während des Generalisationsstadiums wirksam. Im Stadium der Organmanifestation ist die symptomatische Therapie entscheidend.

Begleitend ist in schweren Fällen eine intensive Volumen- und Elektrolytsubstitution sowie ggf. eine Dialyse notwendig. Bei pulmonalen Blutungen können die Patienten von einer maschinellen Beatmung mit niedrigen Hubvolumina profitieren. Glukokortikoide und Desmopressin bei pulmonaler Beteiligung sind umstritten.

Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.

9. Prävention

Impfstoffe für Haus- und Nutztiere sind verfügbar, wobei einige Tiere weiterhin Leptospiren mit dem Urin ausscheiden. Die Impfung von Menschen gegen ein spezifisches, vorherrschendes Serovar ist wirksam, jedoch bisher unzureichend untersucht. Eine prä- und postexpositionelle Chemoprophylaxe mit Doxycyclin (1 x 200 mg/Woche p.o.) oder Azithromycin (1-2 x 250 mg/Woche p.o.) kann bei einer kurzzeitigen Exposition indiziert sein.

10. Meldepflicht

In Deutschland ist der direkte oder indirekte Labornachweis einer akuten Infektion nach § 7 IfSG namentlich meldepflichtig.

11. Literatur

  • Suttorp et al., Harrisons Innere Medizin, 2020 ABW Wissenschaftsverlag
  • Wang et al. Leptospirosis, StatPearls Publishing, Treasure Island (FL), 2021

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