von griechisch: anti (αντί) - gegen, bios (βίος) - Leben
Abkürzung: AB
Englisch: antibiotic
Antibiotika sind Substanzen, die einen hemmenden Einfluss auf den Stoffwechsel von Bakterien haben und so deren Vermehrung oder Weiterleben unterbinden.
In der Regel werden Antibiotika, kurz AB, als Arzneistoffe zur lokalen oder systemischen Therapie bakterieller Infektionskrankheiten definiert. Einige Substanz-Klassen kommen auch als Immunsuppressiva oder Zytostatika zum Einsatz.
Der Begriff "Antibiotikum" hat seit der Einführung zahlreiche Bedeutungsänderungen erfahren. Ursprünglich wurde er nur für niedermolekulare Substanzen verwendet, die von Mikroorganismen selbst synthetisiert wurden.
Zähner (1965) definiert Antibiotika in der Biologie als Substanzen biogenen Ursprungs, die eine selektive Toxizität gegenüber anderen Organismen (bzw. deren Zellen) aufweisen. Dieser Definition nach sind etliche weitere Toxine höherer Organismen ebenfalls als Antibiotika zu betrachten (z.B. Ricin, Colchicin).[1]
Obwohl der Begriff Antibiotikum in etwa "gegen das Leben" bedeutet, sind damit heute (2018) nur solche Stoffe gemeint, die spezifisch gegen Prokaryoten wirken. Die Archaea sind ausgeschlossen, da aus dieser Domäne keine Pathogene bekannt sind und sie darüber hinaus strukturelle und physiologische Unterschiede zu den Bakterien aufzeigen. Bei Infektionen mit anderen Mikroorganismen wirken Antibiotika nicht. Für diese existieren, auch begrifflich, abgegrenzte Wirkstoffgruppen: Virostatika bei Viren, Antimykotika bei Pilzen, Antiprotozoika bei Protozoen und Anthelminthika bei Würmern. Diese gehören zusammen mit den Antibiotika der Gruppe der Antiinfektiva an.[2]
Antibiotika werden als natürliche Sekundärmetabolite von Bakterien, Pilzen und höheren Organismen (z.B. Pflanzen, Amphibien, Manteltieren) gebildet. Sie dienen zum Beispiel der Abwehr von Infektionen oder schalten direkte Konkurenten im Ressourcenwettbewerb aus. Zur Arzneimitteltherapie verwendet man Substanzen, die entweder vollsynthetisch, teilsynthetisch oder biotechnologisch gewonnen werden.
Sie werden meist von Pilzen oder Bakterien produziert, deren Antibiotikaproduktion und -spektrum durch Modifizierungen im Vergleich zu den Wildstämmen gesteigert wurde. Dies wurde durch Manipulationen auf allen Ebenen der Genexpression möglich (DNA, RNA, Protein, Metabolit).[3]
Antibiotika lassen sich nach verschiedenen Gesichtspunkten unterteilen:
Die Antibiotika können nach ihrem Angriffpunkt bzw. Wirkmechanismus in folgende Gruppen eingeteilt werden:
Die chemisch unterschiedlich zusammengesetzten Antibiotika zur Behandlung der Tuberkulose werden auch zur Gruppe der Antituberkulotika zusammengefasst. Sie sind vor allem gegen Bakterien der Gattung Mycobacterium, die Auslöser der Tuberkulose, gerichtet.
Die folgende Tabelle gibt einen Überblick der wichtigsten Antibiotikagruppen mit Beispielen, Wirkspektrum und Anwendungsart (o = oral, p = parenteral).[4]
Gruppe | Beispiele | p/o | Wirkspektrum |
---|---|---|---|
Penicilline | |||
Penicilline | Benzylpenicillin (= Penicillin G) Phenoxymethylpenicillin | p/o |
|
Aminopenicilline | Amoxicillin | o |
|
Ampicillin | p/o | ||
Aminopenicilline / Betalaktamase-Inhibitoren |
Amoxillin / Clavulansäure |
p/o |
|
Ampicillin / Sulbactam |
p/o | ||
Acylaminopenicilline | Azlocillin | p |
|
Mezlocillin | p | ||
Piperacillin | p | ||
Acylaminopenicilline / Betalaktamase-Inhibitoren | Piperacillin / Tazobactam |
p |
|
Piperacillin / Sulbactam |
p | ||
Isoxazolylpenicilline | Dicloxacillin | o |
|
Flucloxacillin | p/o | ||
Oxacillin | p/o | ||
Cephalosporine | |||
Gruppe 1 | Cefazolin | p |
|
Cefalexin | o | ||
Cefadroxil | o | ||
Cefaclor | o | ||
Gruppe 2 | Cefuroxim | p/o |
|
Gruppe 3a | Cefotaxim | p/o |
|
Ceftriaxon | p | ||
Ceftibuten | o | ||
Cefixim | o | ||
Gruppe 3b | Ceftazidim | p |
|
Cefepim | p | ||
Carbapeneme | |||
Imipenem / Cilastatin |
p |
| |
Meropenem | p | ||
Ertapenem | p | ||
Doripenem | p | ||
Glykopeptide | |||
Vancomycin | p |
| |
Teicoplanin | p | ||
Fluorchinolone | |||
Gruppe 1 | Norfloxacin | o |
|
Gruppe 2 | Ofloxacin | p/o |
|
Ciprofloxacin | p/o | ||
Gruppe 3 | Levofloxacin | p/o |
|
Gruppe 4 | Moxifloxacin | o |
|
Makrolide | |||
Ältere Makrolide | Erythromycin | o |
|
Neuere Makrolide | Azithromycin | o |
|
Clarithromycin | o | ||
Roxithromycin | o | ||
Telithromycin | o | ||
Aminoglykoside | |||
Amikacin | p |
| |
Gentamicin | p | ||
Tobramycin | p | ||
Tetracycline | |||
Doxycyclin | p/o |
| |
Diaminopyrimidine | |||
Trimethoprim mit oder ohne Sulfonamid |
Trimethoprim ebenso wirksam wie Cotrimoxazol (hier evtl. Nebenwirkung durch den Sulfonamidanteil) | o |
|
Ein wichtiger Aspekt für den Einsatz von Antibiotika ist die Antibiotikaresistenz. Durch verschiedene Anpassungsprozesse gelingt es Mikroorganismen, eine Widerstandsfähigkeit gegenüber Antibiotika aufzubauen, die dann zu einem Wirkverlust dieser Substanzen führt. Diese können z.B. strukturelle Änderungen der durch AB angegriffenen Zellkomponenten, die Entwicklung von AB-spaltenden Enzymen (Beta-Laktamase) oder die Umgehung der angegriffenen Stoffwechselschritte (Bypass) sein. Eine wichtige Rolle bei der Verbreitung von Resistenzen spielt der horizontale Gentransfer, bei dem Resistenzgene zwischen Bakterien gleicher oder unterschiedlicher Art untereinander weitergegeben werden.
Resistenzen können sich gegenüber mehreren Antibiotikaklassen gleichzeitig entwickeln - man spricht dann von Multiresistenz. In manchen Fällen können Infektionen nicht mehr mit den üblicherweise eingesetzten Wirkstoffen behandelt werden und erfordern den Einsatz sogenannnter Reserveantibiotika.
Wichtige Beispiele zu Interaktionen von Antibiotika mit anderen Arzneimitteln und deren Folgen sind in der folgenden Tabelle dargestellt.[5]
Antibiotika | Komedikation | Folge |
---|---|---|
Penicilline | Saure Pharmaka, z.B. Probenecid, Salicylate, Indometacin, Sulfinpyrazon, Phenylbutazon | Verminderung der tubulären Penicillin-Sekretion, erhöhte Krampfneigung bei hoher Dosierung |
Cephalosporine | Nephrotoxische Substanzen, z.B. Aminoglykoside | Verstärkung der Nephrotoxizität, vor allem bei eingeschränkter Nierenfunktion |
Fluorchinolone |
Nichtsteroidale Antiphlogistika | Erhöhte Krampfneigung |
Mineralische Antazida, H2-Rezeptor-Antagonisten | Verminderung der Resorption von allen Chinolonen mit Wirkungsverlust | |
Warfarin | Verstärkung der Warfarin-Wirkung. Manche Fluorchinolone hemmen die hepatische Elimination der R-Form des Warfarins. | |
Substanzen, die das QT-Intervall verlängern (Terfenadin) | Gesteigertes Risiko ventrikulärer Arrythmien, besonders Torsades de pointes | |
Makrolide | Theophyllin | Gefahr einer Theophyllin-Intoxikation durch reduzierten Theophyllin-Metabolismus |
Mutterkornalkaloide | Gefahr eines Ergotismus durch kompetitive Hemmung des hepatischen Abbaus der Mutterkornalkaloide | |
Carbamazepin | Gefahr von Carbamazepin-Überdosierungserscheinungen (z.B. Übelkeit, Erbrechen) durch herabgesetzte Carbamazepin-Metabolisierung | |
Ciclosporin A | Erhöhte Nephrotoxizität durch reduzierten Metabolismus von Ciclosporin | |
Statine (besonders Simvastatin, Lovastatin und Atorvastatin) | Rhabdomyolyse | |
Warfarin | Verstärkte Blutungsgefahr durch reduzierte Warfarin-Metabolisierung | |
Substanzen, die das QT-Intervall verlängern (Terfenadin) | Gesteigertes Risiko ventrikulärer Arrythmien, besonders Torsades de pointes | |
Proteaseinhibitoren und nichtnukleosidische Hemmstoffe der reversen Transkriptase | Verstärkung der Nebenwirkungen | |
Tetracycline (Doxycyclin) | Barbiturate, Phenytoin, Carbamazepin | Beschleunigter Tetracyclin-Abbau durch Enzyminduktion |
Substanzen mit hoher Proteinbindung, z.B. Sulfonylharnstoffe, Cumarin-Analoga (z.B. Phenprocoumon) | Wirkungsverstärkung von stark proteingebundenen Substanzen. Das etwa zu 95% an Plasmaproteine gebundene Doxycyclin verdrängt diese Komedikamente aus ihrer Proteinbindung. | |
Carbamazepin | Gefahr von Carbamazepin-Überdosierungserscheinungen (z.B. Übelkeit, Erbrechen) durch herabgesetzte Carbamazepin-Metabolisierung | |
Ciclosporin | Erhöhte Nephrotoxizität durch reduzierten Metabolismus von Ciclosporin | |
Phenprocoumon, Warfarin | Verstärkte Blutungsgefahr durch reduzierte Metabolisierung | |
Glycylcycline (Tigecyclin) | Orale Antikoagulanzien (Warfarin) | Gelegentlich erhöhte INR-Werte |
Linezolid | MAO-Hemmer (Moclobemid) | Blutdruckanstieg, Serotonin-Syndrom |
Daptomycin | Mit Myopathie assoziierte Arzneimittel (Statine) | Erhöhte CPK-Werte, Rhabdomyolyse |
Lincosamide | Nicht-depolarisierende Muskelrelaxanzien | Verstärkte neuromuskuläre Blockade mit Atemdepression |
Glykopeptide | Nephro- oder ototoxische Pharmaka, z.B. Aminoglykoside, Amphotericin B, Ciclosporin, Cisplatin, Schleifendiuretika | Gesteigertes Risiko von Nieren- und/oder Gehörschäden |
Aminoglykoside | Nicht depolarisierende Muskelrelaxanzien | Begünstigung/ Auslösung/ Potenzierung einer neuromuskulären Blockade |
Nephro- oder ototoxische Pharmaka, z.B. Vancomycin, Colistin, Amphotericin B, Ciclosporin, Cisplatin, Schleifendiuretika | Gesteigertes Risiko von Nieren- und/oder Gehörschäden | |
Rifampicin | Substrate des Cytochrom-P450-Systems und der P-Glykoproteine | Durch Induktion erhöhte Clearance der Arzneimittel und dadurch reduzierte Wirkung |
Tags: Antibiose, Antibiotikatherapie, Arzneimittelinteraktion, Bakterielle Infektionskrankheit, GK2, Infektion, Therapie
Fachgebiete: Mikrobiologie, Pharmakologie
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