Chronische Nierenerkrankung
Synonyme: chronisches Nierenversagen (veraltet), chronische Niereninsuffizienz (veraltet), chronische Nierenerkrankung
Englisch: chronic kidney diease, chronic renal insufficiency (CRI)
Definition
Als chronische Nierenerkrankung, kurz CKD, wird eine über längere Zeit bestehende, progrediente, meist irreversible Einschränkung der Nierenfunktion bezeichnet, die letztendlich zu einem terminalen Nierenversagen mit Urämie führt. Die Filtrationsfunktion der Nieren ist bei diesem Krankheitsbild stark gestört.
ICD10-Codes
N18 | Chronische Nierenkrankheit |
N18.1 | Chronische Nierenkrankheit, Stadium 1 |
N18.2 | Chronische Nierenkrankheit, Stadium 2 |
N18.3 | Chronische Nierenkrankheit, Stadium 3 |
N18.4 | Chronische Nierenkrankheit, Stadium 4 |
N18.5 | Chronische Nierenkrankheit, Stadium 5 |
N18.8- | Sonstige chronische Nierenkrankheit |
N18.80 | Einseitige chronische Nierenfunktionsstörung |
N18.89 | Sonstige chronische Nierenkrankheit, Stadium nicht näher bezeichnet |
N18.9 | Chronische Niereninsuffizienz, nicht näher bezeichnet |
Terminologie
In der Vergangenheit wurde der Begriff "chronische Niereninsuffizienz" als Überbegriff für chronische Funktionseinschränkungen der Niere genutzt. Diese Verwendung ist jedoch veraltet, mittlerweile wird der Überbegriff "chronische Nierenerkrankung" bzw. "chronische Nierenkrankheit" genutzt, da er nicht zwingend eine reduzierte Nierenleistung impliziert.
Pathophysiologie
Bei einer Einschränkung der Nierenfunktion ist die Funktion der Niere als Filtersystem des Blutes gestört und es kommt zur Ansammlung von Abbauprodukten des Proteinstoffwechsels im Blut, die in hoher Konzentration für den Körper toxisch sind. Diese Substanzen sind in erster Linie:
Darüber hinaus spielen Phenole, Guanidine und Amine eine Rolle.
Neben der Harnbildung ist die Niere unter anderem noch für den Wasser- und Elektrolythaushalt zuständig. Elektrolyte sind für den Körper wichtige Salze, wie:
Im fortgeschrittenen Stadium geht auch die Fähigkeit der Niere verloren, den Elektrolyt-, Wasser- und Säure-Basen-Haushalt zu regulieren. Die Niere bildet außerdem im Renin-Angiotensin-Aldosteron-System die Hormone, die den Blutdruck regulieren. Die eingeschränkte Nierenfunktion führt daher zu Bluthochdruck.
Epidemiologie
In Deutschland beträgt die Prävalenz der chronischen Nierenerkrankung etwa 1.050 Fälle pro Million Einwohner. Seit 1995 ist die Zahl der Dialysepatienten um mehr als 50 % gestiegen, die der Nierentransplantierten um mehr als 70 %. Die steigenden Fallzahlen rekrutieren sich ausschließlich aus der Altersklasse der über 65-jährigen. In den jüngeren Jahrgängen sind die Inzidenz und Prävalenz der chronischen Nierenkrankheit weitgehend stabil geblieben.
Ätiologie
Die chronische Nierenerkrankung kann durch ganz verschiedene Ursachen hervorgerufen werden. Dazu zählen unter anderem:
- Diabetes mellitus (ca. 30 %)
- Hypertonie (ca. 20 %)
- Glomerulopathien (10-15 %)
- Interstitielle Nephritis (darunter Analgetikanephritis 8-10 %)
- Hereditäre Nierenkrankheiten (z.B. Zystennieren, ca. 5 %)
- Autoimmunerkrankungen (z.B. Vaskulitiden, ca. 5 %)
- Unbekannte Genese (8-10 %)
Seit 1994 werden in Deutschland durch das Projekt QuaSi-Niere (Qualitätssicherung in der Nierenersatztherapie) statistische Daten von dialysepflichtigen oder transplantierten Patienten erhoben. Dabei lässt sich in den letzten Jahren ein deutlicher Trend hin zum Diabetes mellitus und zur Hypertonie als Hauptursachen einer chronischen Nierenerkrankung ablesen.
Einteilung
...nach glomerulärer Filtrationsrate
Anhand der glomerulären Filtrationsrate (GFR) kann man die Nierenkrankheit in fünf Schweregrade einteilen:
Stadium | GFR | ICD10-Code | Nierenkrankheit... |
---|---|---|---|
1 | > 90 | N18.1 | ...mit normaler Nierenfunktion |
2 | 60-89 | N18.2 | ...mit milder Funktionseinschränkung |
3 | 30-59 | N18.3 | ...mit moderater Funktionseinschränkung |
4 | 15-29 | N18.4 | ...mit schwerer Funktionseinschränkung |
5 | < 15 | N18.5 | Chronisches Nierenversagen |
...nach Albuminurie
Stadium | Albuminurie | |
---|---|---|
Stadium 1 | normal bis erhöht | < 30 mg/Tag
< 3 mg/mmol Kreatinin |
Stadium 2 | moderat erhöht | 30 bis 300 mg/Tag
3 bis 30 mg/mmol Kreatinin |
Stadium 3 | schwer erhöht | > 300 mg/Tag
> 30 mg/mmol Kreatinin |
Die Einteilung nach GFR und Albuminurie wird auch in der CGA-Klassifizierung zusammengefasst.
...nach Retentionswerten
Anhand der Retentionswerte kann man die Nierenerkrankung in vier Schweregrade einteilen:
Stadium 1 | Kompensiertes Dauerstadium | Kreatinin-Clearance ist eingeschränkt. Kreatininspiegel im Plasma befindet sich im Normbereich. Keine klinischen Symptome erkennbar |
Stadium 2 | Kompensierte Retention | Kreatinin ist im Plasma erhöht, keine klinischen Symptome erkennbar |
Stadium 3 | Dekompensierte Retention (auch: präterminale Niereninsuffizienz)[1] | klinische Symptome sind durch fortgeschrittenen Funktionsverlust der Nieren erkennbar |
Stadium 4 | Terminale Niereninsuffizienz (Urämie) | Nierenversagen, welches eine Behandlung durch Dialyse oder Nierentransplantation notwendig macht |
Symptome
Symptome der chronischen Nierenerkrankung sind:
- Störungen des Wasser-, Elektrolyt- und Säuren-Basen-Haushalts: Hyperkaliämie, Hyponatriämie, Hypokalzämie, metabolische Azidose
- Herz und Kreislauf: Herzrhythmusstörungen, Hypertonie, Perikarditis
- Lunge: Lungenödem, Pleuritis
- Magen-Darmtrakt: Foetor ex ore, Nausea, Erbrechen, Diarrhoe
- Zentrales Nervensystem (ZNS): Konzentrationsstörungen, Kopfschmerzen, Verwirrtheit, Krämpfe, Bewusstlosigkeit
- Haut: urämischer Pruritus (CKD-aP), bräunlich-gelbe Hautfarbe, Uringeruch (Foetor uraemicus)
- Blut: Renale Anämie wegen der verminderten Erythropoietinproduktion der Nieren, hämorrhagische Diathese
- Knochen: Renale Osteopathie, Neigung zu Frakturen
- Verminderte Medikamentenausscheidung
- Ödeme: Durch die fehlerhafte Nierenfunktion kommt es zur Wassereinlagerung, vor allem in den Beinen, aber auch im Gesicht
Diagnostik
Je länger die chronische Nierenerkrankung bereits andauert, desto schwieriger ist es, die eigentliche Ursache für das Auftreten dieser Erkrankung zu diagnostizieren. Es werden folgende Maßnahmen durchgeführt:
- Ultraschalluntersuchung (Sonographie)
- Gewebeentnahme der Niere (Nierenbiopsie)
Anhand der Veränderung der Beschaffenheit des Nierengewebes kann man ggf. die Ursache der Erkrankung identifizieren.
Labor
Bei chronischer Nierenerkrankung werden verschiedene Blut- und Urinwerte untersucht, u.a.:
- Urinmenge
- harnpflichtige Substanzen
- Kreatinin-Clearance
Bei einer Nierenerkrankung kommt es zum Anstieg der harnpflichtigen Substanzen und zu einer Abnahme der Kreatinin-Clearance.
Um den individuellen Verlauf einer chronischen Nierenschädigung besser vorherzusagen, eignet sich darüber hinaus Dickkopf 3 (DKK3). Es wird im Urin bestimmt und im Verhältnis zu Kreatinin bewertet. Bei DKK3-Werten > 200 pg/mg Kreatinin liegt mit hoher Wahrscheinlichkeit eine progrediente chronische Nierenschädigung vor.[2]
Therapie
Wenn möglich, wird die Grunderkrankung behandelt, die zur Einschränkung der Nierenfunktion geführt hat.
Die Behandlung der chronischen Nierenerkrankung ist komplex und beinhaltet folgende Säulen:
- Ausgeglichene Flüssigkeitsbilanz, ggf. werden Diuretika zum Aufrechterhalten der Diurese eingesetzt
- Monitoring und ggf. Ausgleichen von Elektrolyten, u.a. durch Anpassung der Diät (z.B. kaliumarm, je nach Bedarf kochsalzarm)
- teils wird eine eiweißarme Ernährung empfohlen, der Nutzen ist jedoch nicht abschließend geklärt
- Ausgleich von Störungen des Säure-Basen-Haushalts
- Vermeidung nephrotoxischer Substanzen, wie z.B. NSAR
- Blutdruckmanagement
Ist die Schädigung der Niere schon zu weit fortgeschritten und führen diese Maßnahmen nicht zur Besserung, wird die dauerhafte Dialysebehandlung eingesetzt. Alternativ kommt bei Eignung des Patienten und Verfügbarkeit eines Spenderorgans auch eine Nierentransplantation in Betracht.
Fortbildung
Quiz
Bildquelle
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Quellen
- ↑ Kochs E, Adams HA, Spies C, eds. Anästhesiologie. 2nd ed. Georg Thieme Verlag; 2009.
- ↑ Zewinger et al. (2018). Dickkopf-3 (DKK3) in Urine Identifies Patients with Short-Term Risk of eGFR Loss. Journal of the American Society of Nephrology : JASN, 29(11), 2722–2733. https://doi.org/10.1681/ASN.2018040405
Literatur
- Eckardt et al., Nomenklatur für Nierenfunktion und Nierenkrankheiten – Durch Präzision und Verständlichkeit zu besserer Erfassung und Prognose, Dtsch Med Wochenschr, 2022