Hydroxylapatit-Ablagerungserkrankung
Synonyme: Hydroxylapatit-Ablagerungskrankheit, Hydroxylapatitkrankheit, Hydroxylapatitrheumatismus, generalisierte Periarthritis calcarea, akute kalzifizierende Periarthritis
Englisch: hydroxyapatite deposition disease, hydroxyapatite crystal deposition disease, HADD
Definition
Als Hydroxylapatit-Ablagerungserkrankung, kurz HADD, wird ein Spektrum an muskuloskelettalen Erkrankungen bezeichnet, die durch intra- und periartikuläre Ablagerung von Calciumhydroxylapatit-Kristallen gekennzeichnet sind. Die Erkrankung zählt somit zu den Kristallarthropathien.
Epidemiologie
Die Hydroxylapatit-Ablagerungserkrankung betrifft meist Personen zwischen dem 40. und 60. Lebensjahr. Insgesamt sind Männer, bezogen auf die Schulter jedoch Frauen häufiger betroffen. Die Prävalenz in der Gesamtbevölkerung wird auf 3 % geschätzt.
Einteilung
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen einer primären und einer sekundären Form:
- Primäre HADD: ohne zugrundeliegende Ursache. Je nach Lokalisation spricht man dann von einer kalzifizierten Periarthritis, kalzifizierten Enthesitis, Tendinitis calcarea oder Bursitis calcarea.
- Sekundäre HADD: Ablagerungen bei zugrundeliegender Erkrankung (z.B. terminale Niereninsuffizienz, Kollagenosen, Hypervitaminose D, Tumorkalzinose).
Bei einer destruktiven Arthropathie des Schultergelenks im Rahmen einer HADD, spricht man auch von einem Milwaukee-Schultersyndrom. Es betrifft hauptsächlich ältere Frauen, häufig mit begleitender Rotatorenmanschettenruptur.
Ätiologie
Die Ursache der HADD ist derzeit (2024) nicht vollständig geklärt. Möglicherweise führen Mikrotraumen der Sehne zu verminderter Perfusion und degenerativen Veränderungen mit anschließender Nekrose und Verkalkung. Denkbar ist auch eine fibrokartilaginäre Metaplasie.
Die HADD ist mit einer Arthrose assoziiert. Der genaue pathogenetische Zusammenhang ist noch unklar.
Pathogenese
Calciumhydroxylapatit ist ein basisches Calciumphosphat-Salz. Die kleinen, im Polarisationsmikroskop nicht doppelbrechenden Kristalle werden durch neutrophile Granulozyten phagozytiert, die anschließend chemotaktische Faktoren freisetzen. Es entwickelt sich eine akute Entzündungsreaktion.
Klinik
Häufig verläuft die HADD asymptomatisch, sodass es sich um einen radiologischen Zufallsbefund handelt. Sie kann aber zu akut auftretenden, lokalen Schmerzen mit Schwellung, Druckempfindlichkeit und verminderter Gelenkbeweglichkeit führen. Mögliche Begleitsymptome sind geringes Fieber und erhöhte Entzündungsparameter (Leukozytose, CRP, BSG).
Lokalisation
Die HADD betrifft i.d.R. nur ein Gelenk. Die Verkalkungen können die Sehnen, die Schleimbeutel oder die Gelenkkapsel betreffen oder auch intraartikulär lokalisiert sein.
Mit 69 % d.F. ist die Schulter am häufigsten betroffen, insbesondere die Supraspinatussehne. Seltenere Lokalisationen sind:
- Außenrotatoren der Hüfte
- Wirbelsäule: Musculus longus colli, Ligamentum flavum
- Ellenbogen: Musculus triceps, Oberarmbeuger, Ansätze der Extensoren
- Kniegelenk: Quadrizepssehne, Patellarsehnenansatzes an Tuberositas tibiae
- Handgelenk: Musculus flexor carpi ulnaris am Os pisiforme
- Hand: Metakarpophalangealgelenke, Interphalangealgelenke
- Sprunggelenk
Diagnostik
Die kleinen Kristalle sind lichtmikroskopisch nicht nachweisbar. Eine Transmissions-Elektronenmikroskopie ist nicht routinemäßig durchführbar. Daher wird die HADD klinisch-radiologisch diagnostiziert. Pathohistologisch können Hydroxylapatitkristalle mittels Alizarinrotfärbung nachgewiesen werden.
Bildgebung
Die Hydroxylapatit-Kristalle können am besten im Röntgenbild als homogene Verkalkung in der Nähe der Sehne oder Bursa dargestellt werden. Bei unklaren Schmerzen wird häufig eine Magnetresonanztomographie (MRT) durchgeführt. Hier fällt die reaktive Signalsteigerung der Sehne meist deutlicher auf als die kleinen Verkalkungen.
Röntgen
- homogene verkalkte Verdichtung:
- oval, rund, linear oder auch dreieckig konfiguriert
- keine besondere Binnenstruktur (z.B. Trabekelstruktur)
- keine klar erkennbare Kortikalisierung
- zeitliche Veränderung:
- initial inhomogene, flaue Verdichtung
- im Verlauf deutlicher abgrenzbar und dichter
- kann wieder verschwinden: In dieser resorptiven Phasen weisen die Patienten häufig die meisten Schmerzen auf, vermutlich aufgrund des Austritts der Kristalle in das umgebende Gewebe und in die Schleimbeutel.
- selten angrenzende kortikale Erosionen
- v.a. am Ansatz des Pektoralis oder der Glutealmuskeln
- von der Erosion ausgehende kometenschweifartige Verkalkung
Computertomographie
In der Computertomographie (CT) finden sich ähnliche Zeichen wie im Röntgenbild. Liegt eine Knochenerosion vor, kann der von hier ausgehende kometenschweifartige Verlauf der Verkalkung entlang der Sehnen gut dargestellt werden.
Magnetresonanztomographie
Eine HADD zeigt sich in der Magnetresonanztomographie (MRT) wie folgt:
- kugelförmiger Herd mit geringem Signal in allen Sequenzen, kann leicht im MRT übersehen werden
- spindelförmige Verbreiterung der betroffenen Sehnen. Kann ein Tendinopathie-Signalverhalten aufweisen (meist höheres Signal in flüssigkeitssensitiven Sequenzen als erwartbar)
- Hyperintensität in angrenzenden Weichteilen durch reaktive Myositis oder Bursitis.
- Knochenmarködem bei Ablagerungen im angrenzenden Knochen
- Ablagerungen zeigen ein Blooming-Artefakt in Gradientenecho-Sequenzen
- Kontrastmittel: Kein Enhancement der Ablagerungen, jedoch des umgebenden entzündeten Weichteilgewebes.
Ultraschall
Im Ultraschall können hyperechogene, kalzifizierte Ablagerungen in den Sehnen ab einer Größe von 2 mm dargestellt werden. Sie können einen dorsale Schallauslöschung aufweisen, müssen es aber nicht.
Differenzialdiagnosen
- Tendinopathie, Tenosynovitis: Das niedrige MR-Signal der normalen Sehne muss von dem rundlichen niedrigen Signal der Kristallablagerung unterschieden werden. Die HADD kann mit einer Tendinopathie assoziiert sein.
- Freier Gelenkkörper
- Tumor: Bei großen Weichteilablagerungen mit umgebendem Ödem und v.a. bei ossärer Erosion muss an ein Tumor gedacht werden, insbesondere an ein parosteales oder periostales Osteosarkom. Wichtig bei Lokalisation am proximalen Humerus (Ansatz des Pektoralis) und am proximalen Femur (Trochanter oder Adduktorenansatz). Kometenschweifartige Form der Verkalkung ist hilfreich bei der Differenzierung.
- Dystrophe Verkalkungen z.B. bei progressiver systemischer Sklerose, Polymyositis, Dermatomyositis, Hyperparathyreoidismus, Dialyse, Tumorkalzinose oder Metastasen
- Die intratendinöse Lokalisation bei primärer HADD ist hilfreich bei der Differenzierung.
- Dystrophe Verkalkungen sind meist wolkig-amorph.
Therapie
Die HADD verläuft meist selbstlimitierend und wird primär konservativ mittels NSAR, lokaler Wärme und Physiotherapie behandelt. In therapierefraktären Fällen können Medical Needling (perkutane Kollageninduktion), lokale Injektionen von Anästhetika und/oder Glukokortikoiden, extrakorporale Stoßwellentherapie oder die chirurgische Entfernung der Verkalkungen erwogen werden.