Tumorkalzinose
Synonyme: tumoröse Kalzinose, Morbus Teutschländer, Teutschländer-Syndrom,Teutschländersche Krankheit, Lipocalcinogranulomatose (obsolet)
Englisch: tumoral calcinosis, Teutschländer disease
Definition
Unter Tumorkalzinose versteht man eine genetisch bedingte Erkrankung, die durch periartikuläre Weichteilverkalkungen bei Normokalzämie gekennzeichnet ist.
nicht zu verwechseln mit: Tumorhyperkalzämie
Nomenklatur
Die Bezeichnung Tumorkalzinose wurde erstmals 1943 von Inclan et al. für ein Krankheitsbild verwendet, das durch große, periartikuläre, lobuläre, kalzifizierte Raumforderungen bei Personen mit normalen Calciumspiegeln im Serum gekennzeichnet ist.[1] Jedoch handelt es sich bei diesen Raumforderungen nicht um eine Neoplasie, sondern um Ansammlungen von Hydroxylapatitkristallen und amorphen Calciumphosphatkomplexen. In der Literatur werden Kalzinosen durch andere Erkrankungen häufig missverständlicherweise als sekundäre Tumorkalzinosen bezeichnet.
Epidemiologie
Die Tumorkalzinose ist eine sehr seltene Erkrankung, die insbesondere in der afroamerikanischen Bevölkerung auftritt. Sie manifestiert sich meist vor der 2. Lebensdekade. Frauen sind etwas häufiger betroffen. Ein Drittel der Fälle zeigt eine familiäre Häufung.
Ätiopathogenese
Die Tumorkalzinose im engeren Sinne ist eine autosomal-rezessiv oder autosomal-dominant vererbte Erkrankung, die zu einer Inaktivierung von FGF23 führt. Ursächlich sind Loss-of-Function-Mutationen
- im FGF23-Gen,
- des GALNT3-Gens, das für eine Galaktosaminyltransferase kodiert, welche die Hydrolyse von FGF23 verzögert,
- oder des FGF23-Corezeptors Klotho.
Die Folge ist eine verstärkte renale Phosphatrückresorption mit Hyperphosphatämie. Sie führt bei normalem Serumcalcium durch Überschreitung des Löslichkeitsproduktes zu spontanen Weichteilverkalkungen. Trigger sind dabei minimale Traumen (incl. chronischer Druckbelastung) mit Auslösung einer histiozytären Reaktion.
Des Weiteren ist auch eine normophosphatämische Tumorkalzinose beschrieben. Ursächlich sind vermutlich Mutationen im SAMD9-Gen. Pathogenetisch scheint hierbei eine transiente Hyperphosphatämie vorzuliegen, die lokal durch Phosphatfreisetzung aus geschädigten Zellen oder durch exzessive orale bzw. rektale Einnahme von phosphathaltigen Laxantien induziert ist.
Klinik
Die Tumorkalzinose äußert sich durch einzelne oder multiple subkutane, noduläre, relativ schmerzlose Schwellungen, bevorzugt periartikulär im Bereich großer Gelenke (z.B. Hüft-, Ellenbogen-, Schulter-, Sprunggelenk). Seltener sind Hand-, Knie- und. Kiefergelenk sowie die Wirbelsäule betroffen.
Diese langsam wachsenden Schwellungen können im Verlauf den Bewegungsumfang der Gelenke einschränken und durch Kompression von Nerven zu Schmerzen und sensiblen bzw. motorischen Ausfallerscheinungen führen. Weitere Komplikationen sind Hautulzera, Absonderungen einer kalkhaltigen Flüssigkeit und Sekundärinfektionen.
Der Gendefekt geht weiterhin mit Zahnveränderungen (kurze Zahnwurzeln, Verkalkung der Pulpa und radikuläre Dentinablagerungen) variabler Ausprägung einher.
Diagnostik
Bildgebung
Die Diagnose der Tumorkalzinose basiert hauptsächlich auf bildgebenden Verfahren:
- konventionelles Röntgen: amorphe, multilobulierte und zystische Verkalkungen in periartikulärer Lokalisation.
- Computertomographie (CT): Sedimentationszeichen (Flüssigkeits-Calcium-Spiegel, verursacht durch Calciumschichtung innerhalb der zystischen Räume). Im Spätstadium kommen auch homogene Läsionen vor. Eine Erosion des umgebenden Knochens tritt nicht auf.
- Magnetresonanztomographie (MRT): inhomogen hyperintens in T2- und hypointens in T1-Sequenzen.
- Szintigraphie mit Technetium-99m-Methylendiphosphonat: früher Nachweis der Kalzifikationen und Überwachung der Krankheitsaktivität.
Labor
Im Labor fällt meist eine Hyperphosphatämie und ein erhöhter Calcitriolspiegel auf. Parathormon, alkalische Phosphatase und Serumcalcium sind normwertig. Die Nierenfunktion ist ebenfalls normal, währen die Calcium- und Phosphatausscheidung im Urin erniedrigt bzw. die Calcium-Phosphat-Bilanz positiv ist.
Biopsie
In unklaren Fällen kann weiterhin eine Biopsie erfolgen. Makroskopisch finden sich fibrös umkapselte, weiß-gelbliche Tumoren. Histopathologisch zeigt sich die Bildung von charakteristischen Kompartimenten, die flüssiges kalkhaltiges Material sowie verkalkte Bereiche enthalten.
Differentialdiagnosen
Die genetisch bedingte Tumorkalzinose ist von erworbenen metastatischen Kalzifikationen abzugrenzen, die ebenfalls mit einer Hyperphosphatämie einhergehen. Dazu zählen:
- sekundärer Hyperparathyreoidismus bei chronischer Nierenerkrankung und Hämodialyse: Die Kalzifikationen sind histologisch und radiologisch identisch zu denen der Tumorkalzinose.
- Hypoparathyreoidismus
- Pseudohypoparathyreoidismus
- Tumorlysesyndrom nach Chemotherapie oder bei Leukämien
Weiterhin finden sich metastatische Verkalkungen bei Erkrankungen, die zur Hyperkalzämie führen. Dazu zählen:
Dystrophische Verkalkungen durch Mineralablagerung in metabolisch unterversorgtem oder totem Gewebe (Calcinosis circumscripta bzw. universalis) trotz normaler Serumcalcium- und -phosphatspiegel finden sich posttraumatisch oder als Komplikation von Kollagenosen (Sklerodermie, Dermatomyositis, systemischer Lupus erythematodes).
Von der Tumorkalzinose müssen außerdem ektope Verknöcherungen (z.B. bei Fibrodysplasie ossificans progressiva oder Myositis ossificans) abgegrenzt werden. Weitere Differenzialdiagnosen sind:
Therapie
Bei der Tumorkalzinose werden die Läsionen chirurgisch entfernt, insbesondere bei Schmerzen, Infektion, Ulzeration und Bewegungseinschränkung. Bei zu geringem Sicherheitsabstand ist das Rezidivrisiko erhöht. Das Serumphosphat lässt sich durch eine phosphatarme Ernährung, ggf. in Kombination mit Einnahme von Phosphatbindern senken. Acetazolamid wirkt phosphaturisch und kann daher ebenfalls eingesetzt werden. Alternative Behandlungsansätze (Glukokortikoide, Bisphosphonate, Calcitonin, Strahlentherapie) sind nicht erfolgreich.
Literatur
- Fathi I, Sakr M. Review of tumoral calcinosis: A rare clinico-pathological entity, World J Clin Cases. 2014
- Olsen KM, Chw FS. Tumoral calcinosis: pearls, polemics, and alternative possibilities, Radiographics. May-Jun 2006
- Moe OW. Familial tumoral calcinosis: a valuable vehicle for discovery, Nephrol Dial Transplant. 2014 Dec
- Binnani P et al. Tumoral calcinosis (Teutschlander disease) in a dialysis patient, Indian J Nephrol. 2008 Jul
- Grosshans E, Cribier B. Kalzinosen der Haut, In: Marghescu S., Lubach D., Neumann C. (eds) Supplementum X, 41. Jahrgang 1990 Verhandlungen der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft. Der Hautarzt (Zeitschrift für Dermatologie, Allergologie, Venerologie und verwandte Gebiete Organ der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft — Vereinigung Deutschsprachiger Dermatologen), vol 36. Springer, Berlin, Heidelberg, abgerufen am 20.10.2020
- Geirnaerdt MJ et al. Tumoral calcinosis, Skeletal Radiol. 1995 Feb
Quellen
- ↑ Inclan A, Leon PP, Camejo M. Tumoral calcinosis. J Am Med Ass. 1943;121:490–495
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