Harnwegsinfektion (Katze)
Synonyme: Harnwegsinfekt, HWI
Englisch: urinary tract infection
Definition
Die Harnwegsinfektion der Katze, kurz HWI, ist eine durch unterschiedliche Pathogene ausgelöste Infektion der ableitenden Harnwege.
Vorkommen
Bakteriell bedingte Harnwegsinfektionen kommen bei Katzen im Vergleich zu Hunden deutlich seltener vor, da Katzen natürliche morphologische und funktionelle Abwehrmechanismen besitzen.
Physiologie
Sowohl die Nieren, als auch die Uretern (Harnleiter), die Harnblase und die proximale Urethra (Harnröhre) sind bei gesunden Katzen steril.
Im Gegensatz dazu ist die distale Urethra, das Präputium sowie die Vagina von einer bakteriellen Mischflora besiedelt. Diese physiologische Flora besteht aus unterschiedlichen Bakterien, u.a. Escherichia coli, Streptokokken, Staphylokokken, Proteus spp., Klebsiellen, Corynebakterien und Pasteurellen. Unter bestimmten Bedingungen können diese Erreger allerdings auch zu klinisch manifesten Erkrankungen führen.
Ätiologie
Der größte Teil (über 90 %) aller Harnwegsinfektionen wird durch die physiologische Flora ausgelöst, wobei bei etwa 70 % der Katzen eine Monokultur isoliert werden kann. Andere Erreger (z.B. Mykoplasmen, Pilze und Nematoden) sind nur sehr selten nachweisbar.
Erkrankungen
Harnwegsinfektionen können aufgrund unterschiedlicher Auslöser entstehen:
- im Zuge einer systemischen Erkrankung:
- neurologische Erkrankungen die zu Miktionsstörungen führen
- Endokrinopathien (z.B. Diabetes mellitus, Hyperthyreose, Hyperadrenokortizismus)
- als Komplikation einer anderen Erkrankung der Niere und ableitenden Harnwege:
- verzögerter Harnabfluss
- gestörte Mukosaoberfläche (z.B. Harnblasentumor)
- veränderte Harnzusammensetzung (z.B. chronische Niereninsuffizienz)
Risikofaktoren
Eine bereits bestehende FLUTD (feline lower urinary tract disease) kann zu einer veränderten Mukosaoberfläche, zu Harnstau und zu einer konstanten Harnblasendilatation führen und so eine Harnwegsinfektion begünstigen. Gleichzeitig wirken sich morphologische Störungen wie
- ektopische Ureteren,
- persistierende Urachusdivertikel oder
- polyzystische Nieren prädisponierend aus.
Eine gleichzeitig vorliegende systemische oder lokal begrenzte Immunschwäche (z.B. aufgrund FeLV, FIV, Urämie, Neoplasie, immunsupprimierende Medikamente oder chronische Antibiotikatherapie) erhöht die Anfälligkeit gegenüber pathogenen Mikroorganismen stark. Zusätzlich können Traumata sowie iatrogene Ursachen (Harnblasenkatheter oder eine perineale Urethrostomie) eine Harnwegsinfektion begünstigen.
Pathogenese
Unabhängig vom Auslöser (z.B. aszendierende Infektion) kommt es zu einer Besiedlung der Mukosaoberflächen mit pathogenen bzw. bedingt-pathogenen Erregern. Aufgrund einer verminderten lokalen Immunabwehr sowie einem gesteigerten Infektionsdruck kommt es zur massiven Erregervermehrung unter Ausbildung typischer Läsionen.
Neben den veränderten Abwehrmechanismen (z.B. Tumor-bedingt) sind v.a. spezielle keimspezifische Bedingungen für eine erfolgreiche Besiedlung im Harntrakt notwendig, um eine Harnwegsinfektion zu induzieren. Nur dann, wenn die Bakterien auch an die Mukosa anhaften können, werden sie bei der nächsten Miktion nicht ausgeschwemmt, sodass sie den Entzündungsprozess weiter fördern und zur Entstehung einer Infektionskrankheit führen.
Klinik
Das klinische Bild einer Harnwegsinfektion ist meistens unspezifisch.
Neben Dysurie, Polyurie, Pollakisurie und Hämaturie werden häufig auch Zeichen einer Harninkontinenz beobachtet. Dem Tierbesitzer fallen v.a. eine veränderte Harnfarbe und/oder ein penetranter Harngeruch auf. Sind die Nieren zusätzlich am Krankheitsgeschehen beteiligt, treten auch zusätzlich noch Lethargie sowie Palpationsschmerz (Pyelonephritis) auf.
Rund ein Drittel aller erkrankten Katzen sind asymptomatisch.
Diagnose
Der Goldstandard ist eine mittels Zystozentese entnommene Harnbakteriologie. Zusätzlich ist eine komplette Blut- und Harnanalyse (Zytologie, Harnsediment, Urinteststreifen u.ä.) sowie ein Übersichtsröntgen des Abdomens und eine Ultraschalluntersuchung indiziert.
Therapie
Die Therapie richtet sich nach der Klinik und der Art der Harnwegsinfektion.
Bakterielle Zystitiden stellen bei der Katze komplizierte Harnwegsinfektionen dar und benötigen eine antibiotische Therapie (entsprechend dem Antibiogramm). Initial ist eine Breitbandantibiose (Amoxicillin-Clavulansäure: 12,5 bis 25 mg/kgKG alle 8 bis 12 Stunden) einzuleiten. Die optimale Behandlungsdauer ist unbekannt, beträgt jedoch in den meisten Fällen zwischen 2 und 4 Wochen. Der Therapieerfolg muss dabei unbedingt kontrolliert werden, sodass nach Beginn der Antibiose sowie nach Absetzen der Behandlung (7 Tage später) eine erneute bakterielle Harnkultur (inkl. Antibiogramm) durchzuführen ist. Zusätzliche Maßnahmen (z.B. D-Mannose sowie Cranberrysaft) sind bei der Katze nicht ausreichend untersucht und daher nicht empfehlenswert.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Eine Pyelonephritis muss gemäß Antibiogramm über 6 Wochen hinweg behandelt werden. Hier kommen in den meisten Fällen Fluorchinolone (Marbofloxacin, initial intravenös) zum Einsatz. Bei einer Mischinfektion sind häufig auch mehrere Wirkstoffe gleichzeitig notwendig.
Literatur
- Schmidt V, Horzinek MC (Begr.), Lutz H, Kohn B, Forterre F (Hrsg.). 2015. Krankheiten der Katze. 5., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co KG. ISBN: 978-3-8304-1242-7