Chronische Periaortitis
Englisch: chronic periaortitis
Definition
Die chronische Periaortitis, kurz CP, umfasst ein Spektrum seltener, entzündlich-fibrosierender Erkrankungen, die vom Bindegewebe der Gefäßwand (Adventitia) ausgehen. Hauptsächlich betroffen sind die infrarenale Aorta abdominalis und die Iliakalarterien.
Einteilung
Folgende Erkrankungen werden unter dem Krankheitsbild der chronischen Periaortitis eingeordnet:
- isolierte chronische Periaortitis
- inflammatorisches Bauchaortenaneurysma
- retroperitoneale Fibrose
- perianeurysmatische retroperitoneale Fibrose
Epidemiologie
Derzeit (2025) fehlen verlässliche epidemiologische Daten. Die jährliche Inzidenz der retroperitonealen Fibrose beträgt ca. 0,1 - 1,4/100.000. Männer sind 2-3 mal häufiger betroffen als Frauen. Der Altersgipfel liegt zwischen dem 40. - 60. Lebensjahr.
Ätiologie
Die Ätiologie ist nicht abschließend geklärt. Neben der idiopathischen CP werden diskutiert:
- autoimmun-assoziiert: z.B. im Rahmen einer Hashimoto-Thyreoiditis oder ANCA-assoziierten Vaskulitis
- IgG4-assoziierte Erkankungen
- Exogene Noxen: Asbest, Rauchen, Radiatio
- Medikamente: Dopaminagonisten, Methysergid, Betablocker, Ergotaminderivate
- Malignome: neuroendokrine Tumoren
- Genetik: Assoziation mit HLA-DRB1*03, CCR5-Polymorphismen
siehe auch: IgG4-assoziierte Periaortitis
Pathogenese
Die Pathogenese ist multifaktoriell und bisher (2025) nicht abschließend geklärt. Eine zentrale Rolle bei der CP spielen CD4-positive T-Zellen. Sie werden nach der Erkennung eines Antigens in der Aortenwand oder im retroperitonealen Gewebe aktiviert. Anschließend setzen sie Zytokine frei, welche die Entzündung verstärken.
Interleukin-6 aktiviert dabei B-Zellen, die sich zu Plasmazellen entwickeln. Diese präsentieren erneut Antigene an CD4-positive T-Zellen und tragen so wesentlich zur Dauerhaftigkeit der Entzündung bei.
Zusätzlich regt Interleukin-6 die Fibroblasten direkt an. Indirekt wirkt es über eosinophile Granulozyten, die durch Interleukin-5 ins Gewebe gelangen und dort weitere Signale aussenden. Die Fibroblasten beginnen daraufhin zu wachsen, wandern in das betroffene Gebiet und produzieren vermehrt Kollagen. Dadurch entsteht das typische fibrotische Gewebe.
Klinik
Das klinische Erscheinungsbild ist häufig unspezifisch. Mögliche Symptome sind dumpfe Bauch- oder Rückenschmerzen, meist mit Ausstrahlung in die Flanke, Hüfte oder Leiste. Bei diffuser CP mit Beteiligung mehrerer Arteriensegmente kommt es zudem häufig zu systemischen Beschwerden wie Fieber, Müdigkeit und Gewichtsabnahme.
Die Retroperitonealfibrose kann zur Ureterobstruktion mit Harnstau und postrenalem Nierenversagen führen. Zudem ist eine Kompression der Vena cava inferior oder anderer venöser Gefäße möglich, die Beinödeme oder Varikozelen zur Folge haben können.
Diagnostik
Die Diagnose wird mittels bildgebender Verfahren gestellt. Die Evidenz zur diagnostischen Wertigkeit einzelner Verfahren ist aufgrund der Seltenheit des Krankheitsbildes schlecht. In der Bildgebung zeigt sich meist eine homogene, periaortale Raumforderung. Die Gefäßhinterwand ist oft ausgespart, die Ureteren zum Teil nach medial verdrängt. Folgende diagnostische Verfahren werden eingesetzt:
- Bildgebung: CT/MRT, ggf. PET-CT
- Labor: Entzündungsparameter, Anämie, evtl. Nierenwerte, Autoantikörper (ANA, Anti-TPO), IgG4
- Histologie: Fibrose mit lymphoplasmazellulärem Infiltrat, oft IgG4-positive Plasmazellen
Differenzialdiagnosen
- Maligne retroperitoneale Tumoren (z.B. Lymphom, Metastasen)
- Infektionen (z.B. Tuberkulose, Aktinomykose)
- Vaskulitiden: Riesenzellarteriitis, Takayasu-Arteriitis
- Erdheim-Chester-Erkrankung
Therapie
Die Therapie umfasst medikamentöse und interventionelle/operative Maßnahmen. In über 90 % spricht die Erkrankung gut auf eine Behandlung mit Glukokortikoiden an. Bei Bedarf kommen zusätzlich Immunsuppressiva (Methotrexat, Azathioprin, Mycophenolat-Mofetil) und Biologika (Tocilizumab oder Rituximab), seltener auch Tamoxifen zum Einsatz.
Bei Harnstauung ist häufig eine interventionelle Entlastung nötig – etwa durch Einlage eines DJ-Katheters oder eine perkutane Nephrostomie.
Die chirurgische Therapie eines inflammatorischen Bauchaortenaneurysmas kann endovaskulär mittels EVAR oder konventionell operativ (Rohr- oder Y-Prothese) erfolgen.
Prognose
Die Prognose ist abhängig von Komorbiditäten und dem Zeitpunkt der Diagnose. Bei frühzeitiger Therapie sind schwerwiegende Komplikationen (Aneurysmaruptur, terminale Niereninsuffizienz) selten.
Literatur
- Czihal: Chronische Periaortitis. Springerm, e.Medpedia, 2021
- Koster et al.: Incidence, prevalence, and mortality of chronic periaortitis: a population-based study, Clin Exp Rheumatol, 2023
- Palmisano et al.: Chronic Periaortitis: an Update. Curr Rheumatol Rep, 2018