Aujeszky-Krankheit (Hund)
Synonyme: Mobus Aujeszky, Pseudowut, infektiöse Bulbärparese, Pseudorabies, Juckseuche, Juckpest
Englisch: Aujeszky's disease, pseudorabies, mad itch
Definition
Als Aujeszky-Krankheit oder Pseudowut bezeichnet man eine tödlich verlaufende Infektionskrankheit beim Hund, die durch Herpesviren ausgelöst wird.
Epidemiologie
Die Aujeszky-Krankheit tritt vorwiegend beim Schwein auf. Schweine gelten als Hauptwirt und stellen gleichzeitig auch ein Virusreservoir dar. Die Erkrankung äußert sich beim Schwein altersabhängig in verschiedenen Formen, kann aber auch asymptomatisch verlaufen. Neben Wiederkäuern stellen auch Hunde und Katzen sowie andere Fleischfresser Endwirte dar. Endwirte erkranken zwar an der Infektion, spielen aber für die Virusausbreitung keine Rolle.
Die Aujeszky-Krankheit ist weltweit in allen Ländern mit Schweinehaltung verbreitet. Die porzine Aujeszky-Krankheit ist in Österreich eine anzeigepflichtige Tierseuche. Die Prävalenz innerhalb der EU ist sehr unterschiedlich - teilweise sind hohe Durchseuchungsraten nachweisbar.
Ätiologie
Die Erkrankung wird durch das suide Herpesvirus 1 (SuHV-1) ausgelöst. SuHV-1 ist ein doppelsträngiges DNA-Virus aus der Familie der Herpesviridae. Ähnlich anderer Herpesviren kann SuHV-1 bei Schweinen eine latente Infektion hervorrufen, die dann v.a. unter Stress reaktiviert wird.
Die Virulenz ist je nach Virusstamm unterschiedlich. Bei günstigen Bedingungen (< 25 °C, pH-Wert zwischen 5 und 7) sind die Viren für längere Zeit in reifem Fleisch, Urin, Mist, Boden u.ä. infektiös. Neben Hitze (> 80 °C) wird das Virus auch durch quarternäre Ammoniumverbindungen und andere viruzide Desinfektionsmittel inaktiviert.
Pathogenese
Hunde infizieren sich meist durch die Aufnahme von virushaltigem rohem Schweinefleisch. In der Literatur sind auch Erkrankungen nach direktem Kontakt mit latent infizierten Schweinen sowie durch den Biss eines infizierten Schweines beschrieben. Tröpfcheninfektionen durch Nasen-, Augen- und Lungensekrete virustragender Schweine werden diskutiert, sind aber noch nicht bewiesen. Direkte Übertragungen zwischen zwei Hunden scheinen nicht stattzufinden.
Nach peroraler Infektion kommt es zunächst zu einer lokalen Virusvermehrung in lymphatischen Geweben. Im Anschluss wandern die Viren zentripetal aus den Tonsillen und der Maulschleimhaut über die Gehirnnerven (v.a. Nervus glossopharyngeus und Nervus vagus) zu den Ganglien- und Gliazellen des Hirnstamms. Die degenerativen Nervenläsionen entstehen letztendlich durch die massive Virusreplikation.
Klinik
Nach einer Inkubationszeit von 2 bis 9 Tagen entwickelt sich ein akuter bis perakuter Krankheitsverlauf, der in der Mehrheit der Fälle binnen 48 Stunden nach Ausbruch tödlich endet.
Initial sind Verhaltensänderungen wie Ratlosigkeit und Aggressivität, aber auch Apathie und Bewegungsunlust möglich. Zusätzlich kann es zu Durchfall, Erbrechen, Anorexie und Hypersalivation, Tachypnoe, Arrhythmien und Fieber kommen. Ein stark ausgeprägter Juckreiz ist pathognomonisch (Hyperästhesie) für die Erkrankung. Der Juckreiz beginnt oft an den Ohren und an der Nase und führt aufgrund des starken Kratzens und Beißens zu Automutilationen.
Abhängig von den Gehirnläsionen sind weitere zentralnervöse Symptome ausgebildet, u.a. Ausfälle kranialer Hirnnerven (Anisokorie, Mydriasis, Pupillenreflexdefizite, Trismus, Fazialisparese, Kopfschiefhaltung, Dysphagie und Stimmveränderungen). Zusätzlich werden Paresen und Paralysen der Gliedmaßen, generalisierte Krampfanfälle und plötzliche Todesfälle ohne vorhergehende Symptome beobachtet.
Differenzialdiagnosen
Bei zentralnervösen Symptomen muss unbedingt an folgende Differenzialdiagnosen gedacht werden:
- Tollwut
- nervöse Form der Staupe
- Toxoplasmose
- Allergien
- Vergiftungen (Organophosphate, Blei)
Labormedizin
Sowohl Blutbild als auch Serologie sind häufig unauffällig. Im Liquor cerebrospinalis lässt sich eine erhöhte Proteinkonzentration sowie erhöhte Zellzahl (Pleozytose) mononukleärer Zellen feststellen.
Diagnose
Eine Verdachtsdiagnose ergibt sich aus der Anamnese (Kontakt zu Schweinen in Endemiegebiet oder Aufnahme von rohem Schweinefleisch) und der typischen Klinik. Eine Diagnosesicherung kann jedoch erst post mortem gestellt werden. Der Erreger lässt sich mittels Immunfluoreszenz in histologischen Schnitten aus Tonsillen- oder Gehirngeweben nachweisen. Alternativ kann auch eine PCR durchgeführt werden.
Aufgrund des perakuten Krankheitsverlaufs ist ein Nachweis von Antikörpern gegen SuHV-1 nicht möglich.
Therapie
Eine Kausaltherapie existiert derzeit (2021) nicht. Eine Behandlung ist bestenfalls symptomatisch möglich, jedoch aussichtslos, da die Erkrankung beim Hunde nahezu immer tödlich verläuft.
Zoonotische Bedeutung
Da Menschen für das Virus nicht empfänglich sind, geht keine Zoonosegefahr von infizierten Hunden aus.
Quellen
- Niemand HG (Begr.). Suter PF, Kohn B, Schwarz G (Hrsg.). 2012. Praktikum der Hundeklinik. 11., überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Enke-Verlag in MVS Medizinverlag Stuttgart GmbH & Co. KG. ISBN: 978-3-8304-1125-3.