Nervus glossopharyngeus (Veterinärmedizin)
Synonyme: 9. Hirnnerv, Nervus IX
Englisch: glossopharyngeal nerve
Definition
Der Nervus glossopharyngeus ist der 9. Hirnnerv der Haussäugetiere. Er führt gemischte Fasern und besitzt ein weitreichendes Innervationsgebiet.
Anatomie
Der Nervus glossopharyngeus ist u.a. für die Versorgung der Pharynxmuskulatur, des kaudalen Drittels der Zunge sowie einiger Speicheldrüsen verantwortlich.
Der Nervus glossopharyngeus bildet mit dem Nervus vagus (Nervus X) und durch diesen auch mit dem Nervus accessorius (Nervus XI) eine funktionell-topographische Gruppe, die als Vagusgruppe bezeichnet wird.
Topographie
Der Ursprungs- und Endkern liegt - zusammen mit jenem des Nervus vagus - in der Medulla oblongata (verlängertes Mark). Beide Nerven stehen gleichzeitig auch noch peripher durch verschiedene Geflechtsbildungen (z.B. Plexus pharyngeus) miteinander in Verbindung. Aufgrund ihrer engen Beziehung kommt es in ihren Versorgungsgebieten teilweise zu Doppelinnervationen.
Faserqualität
Der Nervus glossopharyngeus ist ein sogenannter maximal-gemischter Nerv, der alle Faserqualitäten eines Hirnnerven besitzt. Er führt
- sensible,
- sensorische,
- motorische und
- parasympathische Fasern.
Ganglien
Die afferenten somatosensiblen bzw. sensorischen Wurzelzellen liegen im Ganglion distale nervi glossopharyngei (Ganglion distale). Dieses ist durch zarte Fasern mit dem Ganglion proximale nervi vagi (Ganglion proximale) in Verbindung. Zusätzlich ist ein weiteres, kleineres und intrakranial gelegenes Ganglion proximale nervi glossopharyngei ausgebildet. Dieses Ganglion kommt bei der Katze, beim Schwein und beim Wiederkäuer regelmäßig vor, wohingegen es beim Hund und Pferd nicht vom Ganglion distale nervi glossopharyngei getrennt ist.
Kerngebiete
Die aus den Ganglien stammenden und in die Medulla oblongata eintretenden Fortsätze bilden - zusammen mit afferenten Fasern des Nervus facialis - den Tractus solitarius. Diese Fortsätze enden mit einem kürzeren auf- und einem längeren absteigenden Ast im Nucleus tractus solitarii sowie teilweise auch im Nucleus tractus spinalis nervi trigemini. Die sekundären Neurone, die aus den sensiblen Endkernen hervorgehen, verhalten sich im Wesentlichen wie die zentralen Trigeminusbahnen.
Die motorischen Wurzelzellen entstammen dem rostralen Teil des Nucleus ambiguus. Mit ihren Axonen bilden sie - ähnlich den motorischen Wurzelfasern aller Kiemenbogennerven - vor ihrem Austritt ein inneres Knie.
Die parasympathischen Fasern stammen aus dem Nucleus parasympathicus nervi glossopharyngei. Sie werden anschließend in mikroskopisch kleinen peripheren Ganglien umgeschaltet, die in die unterschiedlichen Äste des Nervus glossopharyngeus eingestreut sind.
Verlauf
Der Nervus glossopharyngeus verlässt hinter dem Nervus vestibulocochlearis in ventrolateraler Richtung die Medulla oblongata. Dabei tritt er mit einzelnen Faserbündeln aus, die sich von den kaudal unmittelbar anschließenden Wurzelfasern des Nervus vagus nicht scharf abgrenzen lassen.
Die einzelnen Bündel durchbohren die Dura mater und vereinigen sich zu einem einheitlichen Nerven. Dann verlassen sie die Schädelhöhle (Cavum cranii) durch das Foramen jugulare (Fleischfresser und Wiederkäuer) bzw. das Foramen lacerum caudale (Pferd und Schwein). Direkt im Bereich der Austrittsstelle ist das kleine - und für gewöhnlich schlecht isolierbare - Ganglion distale ausgebildet.
Proximale Äste
Der dünne Nervus tympanicus entspringt am Ganglion distale nervi glossopharyngei, zieht im Anschluss durch einen engen Spalt in die Paukenhöhle (Cavum tympani) und gibt dort zarte Fasern an die auskleidende Schleimhaut ab. Sein fortlaufender Stamm wird ab diesem Zeitpunkt als Nervus petrosus minor bezeichnet.
Der Nervus petrosus minor verbindet sich anschließend mit feinen Zweigen des Nervus facialis sowie des Nervus petrosus major. Gleichzeitig schließen sich ihm die aus dem Plexus caroticus internus in die Paukenhöhle ziehenden sympathischen Nervi caroticotympanici an, um den Plexus tympanicus zu bilden. Vom Plexus tympanicus ausgehend zieht ein Ramus tubarius an die Schleimhaut des Ductus pharyngotympanicus.
Der fortlaufende Nervus petrosus minor durchbohrt im Anschluss die Wand der Paukenhöhle und gelangt so zum Ganglion oticum. Auf diese Weise bildet der Nervus tympanicus bzw. der Nervus petrosus minor die sogenannte Jacobson'sche Schlinge. Sie stellt eine direkte Verbindung zwischen dem Ganglion distale nervi glossopharyngei und dem Ganglion oticum dar. Durch diesen Kontakt erhält das Ganglion oticum seine parasympathischen Glossopharyngeusfasern sowie möglicherweise auch afferente Geschmacksfasern, die zum verlängerten Mark ziehen.
Der Nervus glossopharyngeus erhält unmittelbar distal vom Ganglion distale nervi glosspharyngei über den dünnen und grau erscheinenden Nervus jugularis postganglionäre sympathische Fasern. Diese aus dem Ganglion cervicale craniale stammenden Fasern verleihen dem Nervus glossopharyngeus letztendlich seine maximale Fasermischung.
Stamm
Der fortlaufende Stamm des Nervus glossopharyngeus legt sich kaudoventral dem großen Zungenbeinast an. Als relativ dünner Nerv ist er in lockerem Bindegewebe eingebettet und eng mit dem Nervus vagus, Nervus hypoglossus sowie dem Ganglion cervicale craniale verbunden. Beim Pferd ist der Nervus glossopharyngeus in diesem Bereich in die Hinterwand des Luftsacks (Diverticulum tubae auditivae) eingebettet.
Der Nervus glossopharyngeus zieht nach rostroventral, tauscht in seinem Verlauf Fasern mit dem Nervus vagus sowie mit dem Ganglion cervicale craniale aus und überkreuzt die Aufgabelung der Arteria carotis externa medialseitig. Kurz danach teilt er sich in einen Ramus pharyngeus und in einen Ramus lingualis.
Distale Äste
Bevor sich der Nervus glossopharyngeus in seine zwei Endäste aufteilt, entlässt er den dünnen Ramus sinus carotici an den Plexus caroticus im Bereich der Arteria carotis interna (Hund und Pferd) bzw. der Abgangsstelle der Arteria occipitalis (Wiederkäuer und Schwein). Gleichzeitig zieht ein Ramus glomus carotici an das Glomus caroticum.
Auf Höhe des Zungenbeinastes zweigen ein oder mehrere Rami pharyngei ab, die medial vom Stylohyoid in Richtung hinterer Rachenwand ziehen und dabei mehrere Zweige an den Plexus pharyngeus entlassen. Ein zusätzlich entspringender Ramus nervi stylopharyngei caudalis sorgt für die motorische Innervation des gleichnamigen Muskels, wobei gleichzeitig noch Verbindungszweige zum Plexus parotideus hervorgehen.
Der deutlich stärker ausgeprägte Ramus lingualis zieht zwischen dem - ihn bedeckenden - Stylohyoid und dem Truncus linguofacialis bzw. der Arteria lingualis zur Zunge. Während des Verlaufs entlässt er mehrere Zweige an den Schlundkopf (Pharynx) und das Gaumensegel (Velum palatinum). Im Winkel zwischen Stylo- und Epihyoid teilt sich der Ramus lingualis letztendlich in einen dorsalen und einen ventralen Ast, wobei unmittelbar vor der Aufgabelung ein großes Ganglion lateropharyngeum zwischengeschalten ist.
Der dorsale Ast innerviert die Schleimhaut des Gaumensegels sowie motorisch den Musculi levator und tensor veli palatini. Der ventrale Ast hingegen zieht zur Schleimhaut im Bereich der Zungenwurzel, gibt dabei mehrere Rami tonsillares sowie Zweige an die Papillae vallatae und foliatae. Der ventrale Ast steht zudem lateral der Zunge mit dem Nervus lingualis in Verbindung.
Innervationsgebiet
Das Innervationsgebiet des Nervus glossopharyngeus umfasst v.a. die Zunge und den Pharynx.
Sensorischer Anteil
Die sensorischen Fasern des Nervus glossopharyngeus dienen in ihrer Hauptsache der Geschmacksleitung von den Geschmacksknospen im hinteren Zungendrittel sowie der hinteren Abschnitte der Mundhöhle und des Schlundkopfes. Die vorderen zwei Drittel der Zunge entsenden ihre Geschmacksempfindungen über den Nervus lingualis, die Chorda tympani (Paukensaite) und das Ganglion geniculi des Nervus facialis zum verlängerten Mark.
Da der Nervus glossopharyngeus mit dem Nervus vagus über etliche Verbindungen in direktem Kontakt steht, besteht schließlich auch die Möglichkeit, dass Geschmacksempfindungen ebenfalls über den Nervus vagus zentral geleitet werden.
Sensibler Anteil
Die sensiblen Nervenfasern sind für die Berührungs-, Temperatur- und Schmerzempfindungen aus der Zungenwurzel, dem Gaumensegel, der hinteren und seitlichen Rachenwand, den Tonsillen sowie der Paukenhöhle, der Innenseite des Trommelfells und dem Ductus pharyngotympanicus zuständig.
Motorischer Anteil
Die motorischen Fasern des Nervus glossopharyngeus innervieren den Musculus stylopharyngeus caudalis und die Musculi levator und tensor veli palatini. Da jedoch der Nervus glossopharyngeus wesentliche Anteile an der Bildung des Plexus pharyngeus beisteuert, ist das gesamte motorische Innervationsgebiet nicht eindeutig abgeklärt. Der Nervus vagus wird von den meisten Autoren als wichtigster Innervator der Pharynxmuskulatur angesprochen.
Parasympathischer und sympathischer Anteil
Die parasympathischen sowie die vom Nervus jugularis stammenden postganglionären sympathischen Fasern des Nervus glossopharyngeus versorgen einerseits die Blutgefäße, andererseits die Schleimhautdrüsen des gesamten Innervationsgebietes. Zusätzlich innerviert er über das Ganglion oticum und die Rami parotidei des Nervus mandibularis die Glandula parotis.
Literatur
- Nickel, Richard, August Schummer, Eugen Seiferle. Band IV: Nervensystem. Lehrbuch der Anatomie der Haustiere. Parey, 2004
- König, Horst Erich, Hans-Georg Liebich. Anatomie der Haussäugetiere: Lehrbuch und Farbatlas für Studium und Praxis. Schattauer Verlag, 2014.
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