Medulla oblongata (Veterinärmedizin)
Synonyme: verlängertes Mark, Bulbus medullae spinalis
Englisch: medulla oblongata
Definition
Die Medulla oblongata ist die kaudale Hälfte des Rautenhirns (Rhombencephalon) bzw. rostrale Verlängerung des Rückenmarks (Medulla spinalis) beim Haussäugetier. Sie entspricht der Medulla oblongata des Menschen.
Topographie
Das verlängerte Mark stellt eine Verlängerung des Rückenmarks auf das Gehirngebiet dar. Aufgrund der Häufung grauer Kernbezirke kommt es in diesem Bereich zu einer beträchtlichen Massezunahme, v.a. aber zu einer erheblichen Verbreiterung. Die Medulla oblongata bildet den hintersten Abschnitt des Hirnstammes (Truncus cerebri) und geht kaudal allmählich in das Rückenmark über.
Während die rostrale Grenze des verlängerten Markes durch den Hinterrand der Brücke (Pons) eindeutig markiert ist, wird die Grenze zum Rückenmark durch eine willkürliche Querebene angegeben. Diese Grenze wird durch die Austrittsstelle der vordersten Wurzeläste des 1. Halsnerven (Nervus cervicalis I) gekennzeichnet.
Die Medulla oblongata kommt in der Impressio medularis des Basioccipitale und mit dem hinteren Ende im Bereich des Foramen magnum zum liegen.
Anatomie
Die Medulla oblongata ist der am weitesten kaudal gelegene Teil des Gehirns. Zusammen mit dem kaudalen Abschnitt des 4. Ventrikels und dessen Dach (hinteres Marksegel, Velum medullare caudale) bildet sie das Myelencephalon (Nachhirn).
An der Medulla unterscheidet man grob drei Seiten, an denen jeweils markante anatomische Strukturen ausgebildet sind:
- die Ventralansicht,
- die Seitenflächen und
- die Dorsalansicht.
Ventralansicht
An der ventralen Seite der Medulla oblongata ist als Fortsetzung der Fissura mediana ventralis eine mediane Rinne ausgebildet, die am Hinterrand der Brücke endet. Diese Rinne wird von zwei Längswülsten flankiert, die unter der Brücke hervortreten und als Pyramides medullae oblongatae bezeichnet werden. Dabei handelt es sich um Faserbündel des Truncus corticospinalis. Während ihres Verlaufs kreuzen sich die Fasern des Truncus corticospinalis und werden als Pyramidenkreuzung (Decussatio pyramidum) sichtbar. Die durch den Sulcus parapyramidalis lateral begrenzten Pyramiden sind bei den Haussäugetieren deutlich schwächer ausgebildet als beim Menschen.
Direkt im Anschluss an die Brücke entspringt aus dem Sulcus parapyramidalis der Nervus abducens (VI). Parallel zum Hinterrand der Brücke ist ein flaches Querband ausgebildet, das als Trapezkörper (Corpus trapezoideum) bezeichnet wird. Unmittelbar hinter diesem liegt eine kleine und flache Erhebung (Tuberculum faciale ventrale), an deren medialem Rand eine seichte Längsrinne rostral endet. Aus ihr treten seitlich vom hinteren Ende der Pyramiden die Wurzeläste des Nervus hypoglossus (XII) aus.
Die beim Menschen und Primaten als flache und längsovale Erhebung erkennbare Olive (Oliva) ist beim Haussäugetier äußerlich nicht oder nur undeutlich sichtbar. Sie tritt v.a. beim Fleischfresser im hinteren Bereich der Pyramiden als vorwölbende Eminentia olivaris in Erscheinung.
Seitenfläche
Die Seitenflächen der Medulla oblongata sind in ihrem dorsalen Abschnitt vom Funiculus cuneatus und dem Pedunculus cerebellaris caudalis zu einer flachen Längswulst aufgetrieben. Diese Längswulst entsteht durch die Anschwellung der Substantia gelatinosa am rostralen Ende der Dorsalhörner (Cornu dorsale medualle spinalis) sowie der sich ihr auflagernden Fasern des Truncus spinalis nervi trigemini.
Unmittelbar vor der Anschwellung sind zarte, schief dorsorostral verlaufende Faserzüge erkennbar, die als äußere Bogenfasern (Fibrae arcuatae superficiales) bezeichnet werden. Sie stammen teils aus der Fissura mediana ventralis, teils aus der Seitenfläche der Medulla oblongata, um in Richtung des Pedunculus cerebellaris caudalis zu ziehen. Lateral vom Tuberculum faciale ventrale treten aus der Seitenfläche in einer kontinuierlichen Reihe die zarten Wurzeläste der Vagusgruppe aus. Da es zwischen den einzelnen Wurzelästen zu einem mehrfachen Faseraustausch kommt, können die Nerven erst nach dem Austritt aus dem Schädel eindeutig als Nervus glossopharyngeus, Nervus vagus und Nervus accessorius bezeichnet werden.
Dorsalfläche
An der Dorsalfläche der Medulla oblongata setzt sich der Sulcus medianus dorsalis des Rückenmarks fort. Beim Fleischfresser wird dieser von den zarten Fasciculi graciles flankiert. Die Fasciculi graciles werden aufgrund der nach rostral divergierenden Fasciculi cuneati durch einen kurzen Sulcus intermedius begrenzt. Nach rostral setzen sie sich in den Pedunculi cerebellaris caudales fort.
Seitlich vom Fasciculus cuneatus ist ein wulstartiger Höcker ausgebildet, unter dem sich die Substantia gelatinosa dorsalis und der Tractus spinalis nervi trigemini verbergen.
Literatur
- Nickel, Richard, August Schummer, Eugen Seiferle. Band IV: Nervensystem. Lehrbuch der Anatomie der Haustiere. Parey, 2004.