Akute hepatische Nekrose (Katze)
Definition
Als akute hepatische Nekrose der Katze bezeichnet man ein klinisches Syndrom, das durch einen plötzlichen Untergang und Verlust von funktionellem Lebergewebe und eine sekundäre Cholestase gekennzeichnet ist.
Ätiologie
Leberschädigungen mit konsekutivem Zelluntergang können aufgrund unterschiedlicher Auslöser entstehen. Ursächlich sind v.a.
- toxische (Vergiftungen),
- metabolische (Perfusionsstörungen durch Thrombosen, DIC u.ä.),
- neoplastische (primäre oder metastatische Lebertumoren, z.B. Lymphom oder hepatozelluläre Karzinome),
- hypoxische und
- infektiöse Noxen (FIP, systemische Toxoplasmose).
Oftmals ist eine toxische Ursache der Auslöser der hepatischen Nekrose. Meistens entstehen die Läsionen infolge idiosynkratischer Reaktionen auf verschiedene Medikamente (z.B. Griseofulvin, Itraconazol, Methimazol, Paracetamol, perorales Diazepam). Alternativ können auch Vergiftungen mit den Amatoxinen des Knollenblätterpilzes zu Leberzellschädigungen führen.
Pathogenese
Unabhängig vom Auslöser kommt es entweder zu akuten Nekrosen und/oder zu diffusen hochgradigen Lipidosen und zellulären Infiltrationen.
Klinik
Die meisten betroffenen Katze leiden an einem akuten Verlauf. Die Erkrankung geht mit Schwäche, Anorexie, Ikterus, Erbrechen, Hypersalivation und Durchfall einher. In schweren Fällen sind auch neurologische Störungen infolge einer hepatischen Enzephalopathie möglich.
Aufgrund des plötzlichen Funktionsausfalls der Leber kann es rasch zu einem Mangel an Gerinnungsfaktoren kommen, sodass akute hämorrhagische Diathesen auftreten können.
Diagnose
Die Diagnose gestaltet sich vielfältig und beinhaltet neben einer umfangreichen Anamnese auch:
Labormedizin
Bei der Blutuntersuchung dominiert (aufgrund des Zellzerfalls) eine massive Erhöhung der hepatozellulären Enzyme (ALT, AST). Während in der initialen Krankheitsphase v.a. die GGT erhöht ist, nehmen die Aktivitäten der Cholestasemarker erst im späteren Verlauf zu. Parallel dazu kommt es zu einem Anstieg von Ammoniak, Bilirubin und Gallensäuren sowie zu einem gleichzeitigen Abfall von Blutzucker, Blutharnstoff und Gerinnungsfaktoren.
Im Gegensatz dazu sind die hämatologischen Befunde vielfältig und daher auch oftmals unspezifisch. Aufgrund der oxidativen Schädigung des Hämoglobins infolge toxischer Einwirkungen bilden sich Heinz-Körperchen. Da nekrotische Prozesse auch mit einer starken Ausschüttung von neutrophilen Granulozyten einhergehen, darf eine vorliegende Neutrophilie nicht gleich mit einer bakteriellen Infektion in Verbindung gebracht werden.
Zusätzlich kommt es im Rahmen der Verbrauchskoagulopathie auch zu einer Thrombozytopenie sowie zu einer Verlängerung der Gerinnungszeiten (inkl. Absinken der Fibrinogen- und Antithrombinspiegel).
Bildgebende Verfahren
Typische sonographische Zeichen einer hepatischen Nekrose sind eine Hepatomegalie sowie eine ausgeprägte Hypo- oder gemischte Echogenität des Parenchyms. Eine sonographisch normal erscheinende Leber schließt jedoch eine akute Nekrose nicht aus.
Diagnosestellung
Die Sicherung der Diagnose setzt sich aus den Befunden der einzelnen Untersuchungen zusammen.
Sowohl der plötzliche Krankheitsverlauf als auch der exorbitante Anstieg der Transaminasen, gefolgt von steigenden cholestatischen Enzymaktivitäten, ist pathognomonisch. Mithilfe einer Feinnadelaspiration können Blutungen und manchmal auch nekrotische Herde histologisch bestätigt werden. Zytologisch lässt sich oft auch ein stark erhöhter Anteil an eosinophilen Granulozyten nachweisen. Diese Eosinophilie kann ein Hinweis auf ein zugrunde liegendes Lymphom, Mastozytom oder (selten) auch auf ein zum Leberversagen führendes Hypereosinophilie-Syndrom sein.
Im letzteren Fall sind auch die im Blut zirkulierenden eosinophilen Granulozyten erhöht.
Therapie
Ziel der Therapie ist die Beseitigung sämtlicher auslösender Noxen. Parallel dazu ist eine symptomorientierte Therapie einzuleiten.
Im Vordergrund der Behandlung steht die Aufrechterhaltung des Kreislaufs. Neben einer parenteralen Flüssigkeitssubstitution sollten regelmäßig Blutdruck- sowie Elektrolytkontrollen durchgeführt werden. Bei einer bestehenden Hypoglykämie kommt zusätzlich Glukose zum Einsatz. Darüber hinaus ist eine antiemetische Behandlung mit Metoclopramid indiziert.
Neben der symptomatischen Behandlung ist eine antioxidative Therapie unbedingt erforderlich:
- S-Adenosyl-Methionin (SAMe): erhöht den Glutathionspiegel und bewirkt eine gallensäureunabhängige Cholerese
- N-Acetylcystein (140 mg/kgKG als 20%ige Lösung i.v.): wirkt antioxidativ, indem es Cystein als Substrat für die Glutathionsynthese bereitstellt
- α-Tocopherol (10 I.E./kgKG p.o.): wirkt antioxidativ und antiphlogistisch
- Vitamin K: hilft die Gerinnung zu normalisieren
- Antibiotika (z.B. Amoxicillin 15 bis 20 mg/kgKG 3x tägl.): um die Einschwemmung von Bakterien über die Pfortader oder über die Gallengänge zu behandeln
- Carnitin (250 bis 500 mg/kgKG/Tag): unterstützt die im katabolen Zustand anflutenden Fettsäuren oxidativ zu nutzen
- Omeprazol (1 mg/kgKG i.v. 2x tägl.): bei Verdacht auf gastrointestinale Blutungen
Sobald die Katze stabilisiert wurde, muss mit einer enteralen Ernährung begonnen werden. Da sich Katzen nur schwer zwangsfüttern lassen, ist auf eine Ösophagussonde zurückzugreifen. Die weiteren therapeutischen Maßnahmen richten sich nach den vorliegenden Symptomen (z.B. Behandlung der hepatischen Enzephalopathie).
Literatur
- Schmidt V, Horzinek MC (Begr.), Lutz H, Kohn B, Forterre F (Hrsg.). 2015. Krankheiten der Katze. 5., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Enke Verlag in MVS Medizinverlage Stuttgart GmbH & Co KG. ISBN: 978-3-8304-1242-7