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Bei älteren Patienten erhöht die dauerhafte Einnahme von Benzodiazepin das Risiko, eine [[Demenz]] zu entwickeln.<ref>[http://www.bmj.com/content/345/bmj.e6231 De Gage et al.: Benzodiazepine use and risk of dementia: prospective population based study. BMJ 2012; 345]</ref> | Bei älteren Patienten erhöht die dauerhafte Einnahme von Benzodiazepin das Risiko, eine [[Demenz]] zu entwickeln.<ref>[http://www.bmj.com/content/345/bmj.e6231 De Gage et al.: Benzodiazepine use and risk of dementia: prospective population based study. BMJ 2012; 345]</ref> | ||
Version vom 4. September 2023, 18:43 Uhr
Englisch: benzodiazepine
Definition
Benzodiazepine sind sedativ und anxiolytisch wirkende Arzneistoffe.
Wirkmechanismus
Benzodiazepine entfalten ihre Wirkung durch eine allosterische Bindung an den GABA-A-Rezeptor. Sie binden zwischen einer α- und einer γ-Untereinheit des als Heteropentamer vorliegenden GABA-A-Rezeptors und führen durch die Bindung zu einer verstärkten Wirkung des Neurotransmitters Gamma-Aminobuttersäure (GABA). GABA selbst bindet zwischen einer α- und β-Untereinheit. Benzodiazepine sind ohne Anwesenheit von GABA nicht in der Lage, den Rezeptor zu aktivieren. Die Öffnung der mit den GABA-A-Rezeptoren verbundenen Chloridkanälen führt zu einer erhöhten Leitfähigkeit für Chlorid-Ionen, die eine Hyperpolarisation der Zellmembran induziert.
Durch die verstärkte Wirkung von GABA kommt es zu einer gedämpften Aktivität bestimmter ZNS-Areale und zu einer verminderten Antwort auf emotionelle und psychische Reize. Die einzelnen Benzodiazepine unterscheiden sich zwar hinsichtlich ihrer Pharmakokinetik, jedoch nicht in ihrer grundsätzlichen Pharmakodynamik, die im Wesentlichen durch die Dosierung bestimmt ist.
Wirkspektrum
Wirkung | Höhe der Dosis | Hirnregion |
---|---|---|
Anxiolyse | gering | limbisches System |
Muskelrelaxation | gering | Rückenmark |
Antikonvulsiv | mittel | Cortex cerebri, Basalganglien |
Sedierung / Schlaf | hoch | Hirnstamm |
Amnesie | sehr hoch | Hippocampus |
Benzodiazepine führen darüber hinaus zu einer Wirkungsverstärkung anderer zentral dämpfender Pharmaka.
Substanzen
Seit der Einführung des ersten Benzodiazepins, des Chlordiazepoxid (Librium®) in den 60er Jahren hat man zahlreiche Substanzen entwickelt, deren pharmakologisches Wirkprofil sich teilweise deutlich unterscheidet. Schon drei Jahre nach der Einführung von Chlordiazepoxid folgte Diazepam (Valium®).
- Alprazolam (Tafil®)
- Bromazepam (Lexotanil®)
- Brotizolam (Lendormin®)
- Clobazam (Frisium®)
- Clonazepam (Rivotril ®)
- Diazepam (Valium®)
- Dikaliumclorazepat (Tranxilium®)
- Flunitrazepam (Rohypnol®)
- Flurazepam (Staurodorm®)
- Nitrazepam (Mogadan®)
- Lorazepam (Tavor®)
- Lormetazepam (Noctamid®)
- Medazepam (Rudotel®)
- Midazolam (Dormicum®)
- Nordazepam (Madar®)
- Oxazepam (Praxiten®)
- Prazepam (Demetrin®)
- Remimazolam (Byfavo®)
- Temazepam (Remestan®)
- Triazolam (Halcion®)
- Tetrazepam (Musaril®) etc.
Flunitrazepam untersteht aufgrund eines erhöhten Missbrauchspotentials als einziges Benzodiazepin der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung (BTMVV).
Indikationen
Benzodiazepine werden bei einer Vielzahl von Indikationen als Medikamente eingesetzt, unter anderem bei:
Weiterhin verwendet man sie häufig zur Prämedikation vor chirurgischen Eingriffen. Die meisten Benzodiazepine sind nicht zur Dauerbehandlung zugelassen.
Kontraindikationen
- Myasthenia gravis
- Engwinkelglaukom
- Ataxie
- Bekannter Alkohol-, Drogen- oder Medikamentenabusus in der Anamnese
Die Anwendung von Benzodiazepinen während der Schwangerschaft kann den Fetus schädigen. Während der Schwangerschaft sollten daher keine Benzodiazepine verabreicht werden.
Nebenwirkungen
Bei regelmäßiger Einnahme besteht bei fast allen Benzodiazepinen eine ausgeprägte Suchtgefahr. Die Anwendungsdauer von Benzodiazepinen sollte daher so kurz wie möglich und die Dosis so gering wie möglich gehalten werden (5-K-Regel). Weitere mögliche Nebenwirkungen sind:
- Atemdepression: Vor allem bei gleichzeitigem Alkoholkonsum oder bei gleichzeitiger Gabe anderer ZNS-wirksamer Arzneimittel
- Beeinträchtigung der Reaktionszeit: Nach einer Einnahme von benzodiazepinhaltigen Arzneimitteln besteht eine Fahruntüchtigkeit.
- Auslösung eines Abhängigkeitssyndroms: Bei therapeutischen Dosen stellt sich eine Abhängigkeit nach etwa 4 bis 6 Monaten ein, bei hohen Dosen bereits nach 4 bis 6 Wochen. Das Abhängigkeitssyndrom betrifft besonders Patienten mit bestehender oder früherer Alkoholkrankheit. Mögliche Entzugssymptome sind Rebound-Insomnie, Tremor, Schwitzen, Krampfanfälle und Psychosen.
Bei älteren Patienten erhöht die dauerhafte Einnahme von Benzodiazepin das Risiko, eine Demenz zu entwickeln.[1]
Antidot
Im Falle einer Überdosierung von Benzodiazepinen kann Flumazenil als Antidot gegeben werden.
Labormedizin
Eine labormedizinische Testung kann sowohl zur Untersuchung des Medikamentenspiegels als auch im Rahmen eines Drogensuchtests erfolgen.
Material
Referenzbereiche
Präparat | therapeutischer Bereich (ng/ml) | toxischer Bereich (ng/ml) |
---|---|---|
Bromazepam | 80–159 | > 300 |
Clobazam | 100–400 | |
Clonazepam | 15–60 | > 80 |
Desalkylflurazepam | 30–80 | |
Desmethylclobazam | 1.000–4.000 | |
Desmethyldiazepam | 600–1.500 | > 2.000 |
Diazepam | 200–500 | > 1.000 |
Flunitrazepam | 2–15 | > 50 |
Flurazepam | 2–20 | > 200 |
Lorazepam | 20–250 | > 500 |
Nitrazepam | 30–90 | > 500 |
Oxazepam | 500–2.000 | > 2000 |
Da es sich beim Drogensuchtest im Urin um einen qualitativen Nachweis handelt, sollte dieser negativ ausfallen.
Hinweise
Der Urin für den Drogensuchtest muss zum Ausschluss einer Manipulation unter Aufsicht gewonnen werden.