Tetrazepam
Handelsname: Musaril®, u.a.
Englisch: tetrazepam
Definition
Tetrazepam ist ein zur Substanzklasse der Benzodiazepine gehörendes zentral wirksames Muskelrelaxans, das 2013 in Deutschland vom Markt genommen wurde.
Chemie
Die chemische Bezeichnung (IUPAC-Name) für Tetrazepam ist 7-Chlor-5-(cyclohex-1-enyl)-1-methyl-1,3-dihydro-2H-1,4-benzodiazepin-2-on.
Wirkung
Tetrazepam wirkt den übrigen Benzodiazepinen entsprechend:
- anxiolytisch
- sedierend
- hypnotisch
- antikonvulsiv
- muskelrelaxierend
Indikationen
Tetrazepam findet überwiegend als Muskelrelaxans Anwendung. Zur Anxiolyse, Sedation und als Hypnotikum sind dem Tetrazepam gegenüber besser geeignete Benzodiazepin(-Derivate) verfügbar.
Als Muskelrelaxans wird Tetrazepam vor allem zur symptomatischen Therapie von Muskelverspannungen infolge chronischer Schmerzzustände des Bewegungsapparates eingesetzt, insbesondere auch bei Rückenschmerzen und durch Fehlhaltung der Gelenke, verspannungsbedingt entstehenden Schmerzen.
Ferner kann Tetrazepam bei mit Spastik einhergehenden Erkrankungen zur Minderung spastischer Anspannungen eingesetzt werden.
Wirkmechanismus
Als Benzodiazepin wirkt Tetrazepam als allosterischer Modulator an GABA-A-Rezeptoren. Es verstärkt in Anwesenheit des Neurotransmitters GABA dessen Effekt. Ein zunehmender Einstrom von Chloridionen in die Zelle führt zu einer Hyperpolarisation, wodurch die Zelle für exzitatorische Reize unempfindlicher wird - genauer gesagt wird das GABA-induzierte inhibitorische postsynaptische Potential (IPSP) verstärkt. Benzodiazepine erhöhen die Affinität von GABA zu seiner Bindungstelle am Rezeptor und erhöhen somit, GABA-abhängig (ohne GABA keine Wirkung!), die Öffnungswahrscheinlichkeit des Chloridkanals. Sie können also nur an Neuronen wirken, deren GABA-Rezeptoren gerade durch GABA aktiviert werden.
Im Gegensatz zu Barbituraten, welche einen GABA-unabhängigen Chlorideinstrom bewirken, weisen Benzodiazepine deshalb auch ein geringeres Risiko für eine Atemdepression auf. Gleichzeitig kann es hier aber auch zu einem Benzodiazepinabusus kommen, da der Wirkstoff relativ schnell zu einer Gewöhnung führt.
Pharmakokinetik
Tetrazepam wird nach oraler Applikation rasch und vollständig über den Gastrointestinaltrakt resorbiert. Der Arzneistoff liegt im Blut zu 83-87% an Plasmaproteine gebunden vor. Nach 1,5 bis 2 Stunden werden maximale Plasmakonzentrationen erreicht.
Tetrazepam wird hepatisch zu den aktiven Metaboliten (Nortetrazepam, 3-Hydroxytetrazepam, 3-Hydroxynortetrazepam und deren Glukuronide) abgebaut, welche aber aufgrund von geringen Plasmakonzentrationen nicht zur Wirkung beitragen. Eine Elimitation der Metaboliten erfolgt nahezu ausschließlich über den Urin. Ein Steady-State wird nach ca. 3 Tagen erreicht.
Nebenwirkungen
Die Nebenwirkungen des Tetrazepams sind gruppenspezifisch. Zu nennen sind als häufiger auftretende Nebenwirkungen vor allem:
- Müdigkeit
- beeinträchtigte Reaktionsfähigkeit
- Hypotonie
- gastrointestinale Nebenwirkungen (Übelkeit, Erbrechen)
Seltener treten ein Verlust der Libido, Mundtrockenheit, Miktionsstörungen, Polydipsie und schwere Hautreaktionen auf.
Zu beachten ist, dass neben den im Einklang zur Hauptwirkung stehenden Nebenwirkungen auch paradoxe Reaktionen mit Unruhe, Verwirrtheit, Aggression und Muskelspasmen auftreten können.
Das Ausmaß und die Streubreite eintretender Nebenwirkungen unterscheiden sich interindividuell stark.
Führen von Fahrzeugen
Das Führen von Kraftfahrzeugen und Bedienen von Maschinen sollte zumindest in den ersten Einnahmetagen unterlassen werden. Je nach Ausmaß der Nebenwirkungen können diese Tätigkeiten in Absprache mit dem behandelnden Arzt wieder aufgenommen werden.
Kontraindikationen
Tetrazepam sollte nicht angewendet werden:
- bei bekannter Allergie gegen den Wirkstoff
- bei schwerer Funktionsstörung der Leber
- bei schweren Nierenfunktionsstörungen
- bei vorliegender Myasthenia gravis
- bei vorliegender Ataxie
- nach Intoxikation mit Alkohol, Hypnotika, Analgetika, Antidepressiva und Neuroleptika
- während der Schwangerschaft und Stillzeit
- Patienten mit bekanntem Alkohol-, Medikamenten- und Drogenabusus
Arzneimittelsicherheit
Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) überprüfte Tetrazepam aufgrund sehr selten auftretender, schwerer Haut- und Überempfindlichkeitsreaktionen bis hin zum anaphylaktischen Schock. Französische Behörden haben 1.600 Meldungen zu Nebenwirkungen ausgewertet, von denen 650 schwerwiegend waren.
Etwa die Hälfte der Nebenwirkungen betraf die Haut, darunter Urtikaria, Erythema multiforme, Lyell-Syndrom, Stevens-Johnson-Syndrom, schwere Nekrosen. Mindestens elf Fälle endeten tödlich. Auch neurologische Nebenwirkungen wurden gemeldet.
Zum 01.08.2013 wurde Tetrazepam daher vom deutschen Markt genommen. Dies beschloss der Ausschuss für Risikobewertung (PRAC) der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) auf Frankreichs Antrag zur Neubewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses von Tetrazepam.
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