Mitomycin C
Synonyme: Mutamycin, Mitomycin
Englisch: mitomycin
Definition
Mitomycin C ist ein Arzneistoff aus der Gruppe der Zytostatika und wird vom Bakterium Streptomyces caespitosus produziert.
Chemie
Mitomycin C hat die Summenformel C15H18N4O5 und eine molare Masse von 334,33 g/mol. Es handelt sich um eine stickstoffhaltige heterozyklische Kohlenstoffverbindung, der Grundstruktur liegt Mitosan zugrunde. Von pharmakologischer Bedeutung sind eine Urethan- und Chinongruppe sowie ein Aziridin-Ring. Die Substanz liegt bei Raumtemperatur als bläulich-violetter (teilweise weißlicher), kristalliner Feststoff vor und ist schwer löslich in Wasser.
Pharmakologie
Mitomycin C ist ein Antibiotikum. Es besitzt eine hohe unspezifische Toxizität und ist daher nicht zur antibiotischen Behandlung bakterieller Infektionen geeignet. Aufgrund seiner zytotoxischen Effekte findet es Anwendung als Zytostatikum. Als Wirkmechanismus liegen alkylierende Eigenschaften zugrunde. Mitomycin kann als Prodrug betrachtet werden. Die aktiven Metabolite entstehen intrazellulär, also nach Eintritt in die jeweilige Zelle. Dabei wird der Chinonrest zu Hydrochinon reduziert, die Methoxygruppe und Urethan-Seitenkette abgespalten sowie der Aziridin-Ring geöffnet. Von der Chinon-, Aziridin- und Urethangruppe stammen jeweils ein Radikal. Somit kann jede dieser drei Teilstrukturen kovalente Bindungen mit der DNA eingehen. Es kommt zu einem Cross-linking von DNA und einer Unterbindung der weiteren Replikation von Tumorzellen. Weiterhin erfolgt die Freisetzung von Peroxidradikalen, welche DNA-Strangbrüche bewirken.
Zwar ist die Wirkung prinzipiell zellzyklusunspezifisch, dennoch sind proliferierende Zellen empfindlicher gegenüber Mitomycine als Zellen in der Ruhephase (G0-Phase).
Pharmakokinetik
Mitomycin C weist nach parenteraler Applikation eine variable Plasmahalbwertszeit auf (4-8 min bzw. 30-70 min). Dies ist auf Unterschiede in der Leberfunktion der Patienten zurückzuführen. Nach drei Stunden sinkt der Serumspiegel zumeist unter die Nachweisgrenze für Mitomycin C.
Bei intravesikaler Applikation wird Mitomycin C aufgrund geringfügiger Resorption kaum systemisch wirksam. Parenteral appliziert erfolgt eine Distribution im gesamten Organismus mit Ausnahme von Milz, Haut und Gehirn (Mitomycin C überwindet nicht die Blut-Hirn-Schranke). Hohe Konzentrationen werden besonders in Niere, Leber, Herz, Lunge, Urin, Galle und Muskulatur gemessen. Der Metabolismus erfolgt hepatisch. Die Elimination erfolgt hauptsächlich biliär, teilweise renal. Möglicherweise unterliegt Mitomycin C einem enterohepatischen Kreislauf.
Prinzipiell tritt Mitomycin C in die Muttermilch über. Aufgrund der kurzen Halbwertszeit sind die Konzentrationen in der Muttermilch jedoch sehr gering.
Indikationen
- Die Anwendung von Mitomycin C kann bei verschiedenen und unter Umständen metastasierten malignen Neoplasien indiziert sein: kolorektales Karzinom, Leberzellkarzinom, Magenkarzinom, Ösophaguskarzinom, Pankreaskarzinom, Zervixkarzinom, Mammakarzinom, Nicht-kleinzelliges Bronchialkarzinom, Kopf-Hals-Tumor, Harnblasenkarzinome (intravesikal).
- Weiterhin wird die Substanz in Form von Augentropfen (Rezeptur) nach chirurgischen Eingriffen, etwa aufgrund eines Glaukoms, am Auge eingesetzt. Sie führt zu einer Verminderung der Narbenbildung.
- Zusätzlich wird Mitomycin C häufig bei der Chemoembolisation eingesetzt
Toxikologie
Mitomycin C besitzt eine unspezifische Toxizität. Hieraus resultieren die zahlreichen Nebenwirkungen an verschiedensten Organen. Der Stoff ist als CMR-Stoff zu betrachten. Die mittlere Letaldosis beträgt akut 30 mg/kg (Tierversuch, Ratte). Lokal zeigen sich Reizungen von Haut und Schleimhäuten. Bei der Arbeit mit Mitomycin C und mitomycinhaltigen Zubereitungen sowie der Entsorgung derselben sind entsprechende Sicherheits- und Arbeitsschutzmaßnahmen sowie Sondervorschriften (Sonderabfall) zu beachten.
Nebenwirkungen
Mitomycin C besitzt zahlreiche unerwünschte Arzneimittelwirkungen. Die häufigsten sind Myelosuppression, Leukopenie, Thrombopenie, Nausea, Emesis, interstitielle Pneumonie, allergische Reaktionen, Nierenfunktionsstörungen sowie Nekrosen (Paravasate).
Kriterien für den Abbruch einer Mitomycintherapie sind pulmonale, nephrologische und hämolytische Nebenwirkungen.
Wechselwirkungen
Mitomycin C kann Wechselwirkungen mit Vincaalkaloiden und Bleomycin (verstärkte pulmotoxische Wirkung), Adriamycin (verstärkte kardiotoxische Wirkung), myelosuppressive Arzneistoffe (verstärkte Knochenmarkssupression) und Vitamin B6 eingehen. Unter einer Mitomycintherapie sollen keine Impfungen mit Lebendimpfstoffen durchgeführt werden.
Handelspräparate
Es stehen Fertigarzneimittel verschiedener Hersteller zur Verfügung, beispielsweise Urocin® (Apogepha), Mitem® (Dr. Pfleger) und Mito Medac®. Bei den jeweiligen Präparaten liegt Pulver (Trockensubstanz) zur Herstellung einer Lösung vor. Die Rekonstitution erfolgt in der Regel mit Wasser für Injektionszwecke oder NaCl-Lösung 0,9%ig auf eine Konzentration von 1 mg/ml.
Literatur
- Mutschler et al.: Mutschler Arzneimittelwirkungen, 8. Aufl, Wissenschaftl. Verlagsgesellschaft.
- Dingermann et al.: Pharmazeutische Biologie - Molekulare Grundlagen und klinische Anwendung, Springer Verlag, Frankfurt und München 2002.
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