Mammatumor (Hund)
Synonym: Gesäugetumor
Englisch: mammary tumor
Vorkommen
Zwischen 30 und 55 % aller Tumorerkrankungen bei der Hündin gehen von den Mammarkomplexen aus. Weibchen sind überpropertional häufiger betroffen als Rüden und Jungtiere.
Ältere Tiere sind prädisponiert für eine Erkrankung, sodass das Risiko ab dem 5. Lebensjahr deutlich ansteigt (> 80 % aller betroffenen Hunde sind älter als 7 Jahre). Die häufigsten Tumorerkrankungen werden bei intakten Hündinnen gefunden bzw. bei kastrierten Hündinnen, die erst nach der 3. Läufigkeit ovariohysterektomiert wurden.
Anatomie
Die Mammarkomplexe sind modifizierte exokrine tubuloalveoläre Schweißdrüsen. Das gesamte Gesäuge besteht aus einer rechten und einer linken Drüsenleiste mit insgesamt 10 Zitzen. Beide Milchleisten werden durch den Sulcus intermammarius voneinander getrennt.
Das Gesäuge wird umfangreich mit Blutgefäßen versorgt. Der 1. und 2. Drüsenkomplex wird von den Arteriae intercostales sowie der Arteria thoracica interna bzw. Arteria thoracica lateralis gespeist. Der 2. und 3. Drüsenkomplex erhält sein Blut aus Ästen der Arteria epigastrica cranialis superficialis, der 4. und 5. Drüsenkomplex hingegen von der Arteria epigastrica caudalis superficialis. Der venöse Abfluss erfolgt durch die gleichnamigen Venen.
Zu den regionären Lymphknoten zählen die Lymphonodi axillares, sternales und inguinales superficiales.
Ätiologie
Die Auslöser für Mammatumoren sind bislang (2021) unbekannt. Es wird jedoch von einem multifaktoriellen Geschehen ausgegangen, das durch unterschiedliche Einflüsse gesteuert wird:
- Hormone
- exogen zugeführte Gestagene (zur Läufigkeitsverhinderung)
- Adipositas im Welpenalter
- toxische und karzinogene Umwelteinflüsse
- immunologische Faktoren
- Genetik (Rasseprädisposition)
Pathogenese
Viele der Tumoren sind hormonabhängig, sodass das Wachstum maßgeblich von den Sexualhormonen gesteuert wird. Aus diesem Grund kann auch ein Großteil dieser Tumoren durch eine rechtzeitige Kastration verhindert werden. Das Risiko einer Hündin, an einem Mammatumor zu erkranken, liegt bei 0,05 %, wenn diese vor dem ersten Östrus kastriert wurde. Im Gegensatz dazu steigt das Risiko auf 8 % bzw. 26 % an, wenn erst nach der ersten bzw. zweiten Läufigkeit ovariohysterektomiert wird. Neben den Sexualhormonen spielen auch exogene Gestagene (v.a. Chlormadinoazetat) und genetische sowie dietätische Faktoren (Verfettung im Welpenalter) eine wichtige Rolle bei der Krankheitsentstehung.
Inflammatorische Karzinome sind nur wenig differenziert und weisen extensive mononukleäre und polymorphkernige zelluläre Infiltrate auf. Solche Tumoren wachsen äußerst schnell und invasiv in die Lymphbahnen der Haut ein und verursachen deutliche Ödeme, Entzündungen und Schmerzen. Sie können auch hämatogen oder lymphohämatogen metastasieren und sich in regionalen Lymphknoten (64 %), Lunge (53 %), Leber (13 %), Niere (11 %), Herz (11 %), Knochen (10 %) und anderen Organen ansiedeln. In den meisten Fällen sind die betroffenen Hunde anorektisch, schwach und verlieren an Gewicht. Solche Tumore sind nur schwach abgrenzbar, weisen eine feste Konsistenz auf, sind oftmals ulzerierend und können sowohl eine als auch beide Gesäugeleisten betreffen. Häufig kommt es durch die lymphatische Okklusion oder Infiltration sekundär zu ausgedehnten Lymphödemen der Gliedmaßen. Zusätzlich entwickeln die Tiere häufig eine disseminierte intravasale Koagulopathie (DIC).
Klassifikation
Rund 50 % aller Mammatumore sind maligne, ca. 35 % werden als benigne klassifiziert und die restlichen 15 % zählen zu sogenannten Dysplasieformen.
Bei den benignen Tumoren handelt es sich im Allgemeinen um Mischtumore (Fibroadenome), Adenome oder Mesenchymtumoren. Die Gruppe der malignen Mammatumoren werden hauptsächlich von Karzinomen dominiert, wobei aber auch Sarkome (< 5 %) und Karzinosarkome (Mischtumoren) vorkommen. Sarkome metastasieren dabei in der Regel schneller als Karzinome.
Benigne Tumoren | Maligne Tumoren |
---|---|
|
|
Klinik
Die Symptome hängen von der Art des Tumors, dem Wachstum (invasiv vs. nicht-invasiv) und der Beteiligung zusätzlicher Organsysteme ab.
Ein großer Teil der Mammatumoren werden bei Routineuntersuchungen entdeckt. Häufig werden die Tiere aufgrund einer Umfangsvermehrung und/oder eines abnormen Ausflusses aus der Milchdrüse vorstellig. Manchmal zeigen betroffene Hunde auch nur Dyspnoe oder Lahmheit, die sekundär durch Metastasen hervorgerufen werden. Abhängig vom Fortschreiten der Erkrankung kommt es zusätzlich noch zu Inappetenz oder Anorexie, Schwäche und Schmerzen in der Mammaregion.
Differezialdiagnosen
Mögliche Differenzialdiagnosen sind u.a. mammäre Hypertrophie, Mastitis, Granulome, Duktektasie, Hauttumoren oder Fremdkörper.
Diagnose
Die Diagnose wird sowohl adspektorisch, als auch unter Zuhilfenahme verschiedener bildgebender Verfahren gestellt.
Neben der adspektorischen und palpatorischen Befundung der Umfangsvermehrungen (Lokalisation, Verteilung und Größe, Konsistenz, Verschieblichkeit, Abgrenzbarkeit, Oberfläche, Sekretion, Entzündung) empfiehlt sich ein Tumorstaging nach folgendem Schema:
- klinische Untersuchung
- gynäkologische Untersuchung
- Blutbild
- Serologie und Hormonanalyse (Östradiol, Progesteronspiegel)
- Harnuntersuchung
- Thoraxröntgen in 3 Ebene (Metastasensuche)
- Abdomenultraschall (Metastasensuche)
- Feinnadelaspirationsbiopsie (FNAB) vom Primärtumor
- Feinnadelaspirationsbiopsie von Lymphknoten (wenn palpierbar verändert)
Anhand der erhobenen Befunde können die Tumore nach der TNM-Klassifikation eingeteilt werden:
Stadium | Größe | Lymphknoten/Metastasen |
---|---|---|
1 | T1 (< 3 cm) | N0/M0 |
2 | T2 (3-5 cm) | N0/M0 |
3 | T3 (> 5 cm) | N0/M0 |
4 | T1, T2 oder T3 | N1/M0 |
5 | T1, T2 oder T3 | N1, N2 oder N3, M1 |
Therapie
Es liegen keine Berichte über die Wirksamkeit einer konservativen Behandlung vor. Versuchsweise können jedoch Antiöstrogene (z.B. Tamoxifen), Antigestagene (z.B. Aglepriston) oder Dopamin-Rezeptor-Agonisten (z.B. Cabergolin) verabreicht werden. Die medikamentöse Therapie stellt aber keine echte Alternative dar, weshalb die radikale Chirurgie (Mastektomie) der Goldstandard ist.
Je nachdem, wieviele Gesäugekomplexe bzw. Gesäugeleisten betroffen sind, ist zwischen folgenden Operationstechniken auszuwählen:
- Lumpektomie (partielle Mammektomie): Exzision der Zubildung mit einem großzügig bemessenen Rand von gesundem Milchdrüsengewebe (≥ 1 cm)
- einfache Mastektomie: Entfernung der ganzen Milchdrüse, die den Tumor enthält
- regionale Mastektomie: Exzision der betroffenen sowie der benachbarten Milchdrüse(n)
- unilaterale Mastektomie: Entfernung einer gesamten Gesäugeleiste
- bilaterale Mastektomie: Entfernung beider Gesäugeleisten
Prognose
Papilläre oder tubuläre Karzinome weisen eine deutlich bessere Prognose auf als solide oder anaplastische Karzinome. Die Prognose hängt jedoch maßgeblich von der Größe, Art und Metastasierung des Tumors ab. Grundsätzlich gilt: je größer der Tumor und so mehr Lymphknoten beteiligt sind, desto schlechter ist die Prognose.
Mäßig bis schlecht differenzierte Tumoren sowie Tumoren mit einer COX-2-Überexpression besitzen ebenso eine schlechtere Prognose.
Literatur
- Fossum TW. 2007. Chirurgie der Kleintiere. 2. Auflage. München: Elsevier GmbH, Urban & Fischer Verlag. ISBN: 978-3-437-57091-9
- Niemand HG (Begr.). Suter PF, Kohn B, Schwarz G (Hrsg.). 2012. Praktikum der Hundeklinik. 11., überarbeitete und erweiterte Auflage. Stuttgart: Enke-Verlag in MVS Medizinverlag Stuttgart GmbH & Co. KG. ISBN: 978-3-8304-1125-3
um diese Funktion zu nutzen.