Gynäkologischer Untersuchungsgang (Fleischfresser)
Synonym: Gynäkologische Untersuchung
Englisch: gynecological examination
Definition
Der gynäkologische Untersuchungsgang ist ein standardisierter Untersuchungsgang, der die Grundlage einer gynäkologischen Diagnose beim Fleischfresser bildet.
Hintergrund
Der gynäkologische Untersuchungsgang wird bei gynäkologischen Fragestellungen (Erkrankungen) und im Rahmen der Zuchttauglichkeitsuntersuchung sowie zur Feststellung und Überwachung einer Trächtigkeit durchgeführt. Er bildet die Grundlage der gynäkologischen Befunderstellung.
Vor der gynäkologischen Untersuchung ist stets eine gründliche Anamnese und eine allgemeine klinische Untersuchung durchzuführen.
Untersuchungsgang
Der gynäkologische Untersuchungsgang setzt sich aus zwei einzelnen Untersuchungen zusammen:
- Voruntersuchung
- Spezielle gynäkologische Untersuchung
Voruntersuchung
Nationale
Bei der Erhebung der Nationale sind folgende Daten zu erfragen:
- Rasse
- Alter
- Farbe
- Abzeichen (angeboren, erworben)
- Identifizierung des subkutanen Mikrochips
Anamnese
Bei der Erstellung der Anamnese sind gezielt Fragen bezüglich des Zyklus und den Begleiterscheinungen zu stellen.
- bisherige Trächtigkeiten (Anzahl, Verlauf)
- Zeitpunkt und Verlauf der letzten Trächtigkeit und Geburt
- Verlauf des Puerperiums
- Auftreten von Läufigkeitssymptomen
- Dauer und Intensität der Läufigkeitssymptome
- Läufigkeitsintervalle
- Vaginalausfluss
- künstliche Besamung oder Bedeckung
- Allgemeinerkrankungen
- Vorbehandlungen
Allgemeine klinische Untersuchung
Die allgemeine klinische Untersuchung wird grob orientierend durchgeführt und konzentriert sich neben den Vitalparametern auf Befunde, die hinweisend für eine gynäkologische Erkrankung sein können:
- Körperhaltung
- Verhalten
- Habitus
- Ernährungszustand
- Atemfrequenz und -qualität
- Herzfrequenz und periphere Pulsqualität
- innere Körpertemperatur
- Beurteilung der Kopfschleimhäute
Spezielle gynäkologische Untersuchung
Äußere Untersuchung
Bei der Adspektion des Genitale können erste Hinweise auf eine Erkrankung des Geschlechtstraktes erhoben werden. Bei der Hündin beinhaltet die Untersuchung neben der adspektorischen Befundung auch die Erhebung palpatorischer Veränderungen. Zusätzlich sollte immer eine abdominale Palpation durchgeführt werden. Folgende Punkte müssen beurteilt werden:
- Lage und Schluss der Vulva
- Beschaffenheit der Vulva
- Ödematisierungsgrad und Farbe der Vulva (von weich über teigig bis prall)
- Palpation der Vulva auf Verhärtungen, Narben und Konsistenz
- Haltung des Schwanzes
- Überprüfung der Schenkelinnenseite auf möglichen Vaginalausfluss
- Pathologische Befunde: Rötungen, Schwellungen, Verhärtungen, unphysiologische Ausflüsse (Blut, Eiter, Schleim)
- Physiologischer Befund: Vulva dem Reproduktionszyklus entsprechend
Innere Untersuchung
Die innere Untersuchung besteht aus einer rektalen Palpation und einer vaginalen Inspektion. Die rektale digitale Untersuchung spielt im Rahmen der gynäkologischen Diagnostik bei der Hündin eine untergeordnete Rolle. Im Einzelfall kann sie zum Ertasten einer Umfangsvermehrung (z.B. Tumor oder Fremdkörper) im Bereich der kaudalen Vagina sinnvoll sein. Bei Hauskatzen ist sie aufgrund der Körpergröße nicht durchführbar. Im Gegensatz dazu wird bei Kleintieren häufig eine transabdominale Ultraschalluntersuchung angewendet, die neben der Trächtigkeitsuntersuchung auch bei Verdacht auf Erkrankungen des Genitales (z.B. Pyometra, bei Geburts- oder Puerperalstörungen) zum Einsatz kommt.
Die vaginale Inspektion hingegen wird regelmäßig durchgeführt und umfasst die Beurteilung der Vulva, der Klitoris, der Vagina und der Portio vaginalis cervicis. Sie liefert in erster Linie Hinweise zum Zyklusstand und zeigt etwaige Erkrankungen in diesen Abschnitten an. Bei der Hündin werden eine Vaginoskopie, eine Vaginalzytologie und eine Messung der Progesteronkonzentration im peripheren Blut durchgeführt. Mithilfe eines Spekulums können folgende Parameter erhoben werden:
- Form der Portio vaginalis cervicis
- Öffnungsgrad der Portio vaginalis cervicis
- Farbe und Feuchtigkeit der Vagina und der Zervix
- Beurteilung des Sekrets im äußeren Genitaltrakt
- Beurteilung des Ödematisierungsgrades und der Fältelung der Schleimhaut (gering- bis hochgradig, Längs- bzw. Querfältelung)
- Pathologische Befunde: Rötung, Schwellung, Umfangsvermehrungen, Hypertrophien, Verletzungen, unphysiologische Sekretansammlungen (Schleim, Eiter, Blut)
- Physiologische Befunde: Vagina und Zervix dem Reproduktionszyklus entsprechend
Durch eine zusätzliche endoskopische Untersuchung können Verengungen im Bereich des Hymenalringes und der Vagina beurteilt werden.
Weiterführende Untersuchung
Im Anschluss an die adspektorische und palpatorische Untersuchung des äußeren und inneren Genitals können - je nach Fragestellung - ergänzende Untersuchungsverfahren zur weiterführenden Diagnostik angewendet werden.
- Bakteriologische Untersuchung: Mittels Tupferproben aus Vagina, Zervix oder Uteruslumen können pathogene bzw. bedingt-pathogene Mikroorganismen identifiziert und gegenüber antimikrobiellen Wirkstoffen (Antibiogramm) getestet werden. Sowohl bei krankhaften Veränderungen als auch bei zuchthygienischen Fragestellungen sind Tupferproben indiziert.
- Vaginalzytologie: Durch Schleimhautabstriche aus der Vagina kann das Zellbild einen eindeutigen Rückschluss auf die Zyklusansprache bei der Hündin und der Kätzin geben. Die Vaginalzytologie stellt im Rahmen der Fertilitätsdiagnostik ein wertvolles Verfahren dar.
- Hormonbestimmungen: Für die gynäkologische Diagnostik sind v.a. die im Ovar und z.T. auch in der Plazenta synthetisierten Steroidhormone (Progesteron, Östrogen, Testosteron) von diagnostischer Bedeutung. Für einen hormonellen Trächtigkeitsnachweis wird bei der Hündin zusätzlich noch Relaxin untersucht.
- Röntgen: Röntgenuntersuchungen werden vor allem zur Trächtigkeitsbestätigung, zur Feststellung des Trächtigkeitsverlaufs und zur Überprüfung der Anzahl der Welpen durchgeführt.
- Untersuchung des Mammarkomplexes: Die Untersuchung der Milchdrüsen ist ein wichtiger Bestandteil der gynäkologischen Untersuchung und gliedert sich in die Adspektion und Palpation der Milchdrüsen und der Zitzen, der Überprüfung der Melkbarkeit und der Erfassung etwa vorhandener Verhärtungen.
Literatur
- Baumgartner, Walter. Klinische Propädeutik der Haus- und Heimtiere. 8., aktualisierte Auflage. Enke-Verlag, 2014.