Synonyme: Fibromyalgie-Syndrom, generalisierte Tendomyopathie, Faser-Muskel-Schmerz
Englisch: fibromyalgia
Die Fibromyalgie bzw. das Fibromyalgie-Syndrom, kurz FMS, ist ein funktionelles somatisches Syndrom mit chronischen Schmerzen in mehreren Körperregionen. Zusätzlich treten oft Schlafstörungen mit Müdigkeit und körperliche und/oder geistige Erschöpfungsneigung auf.
Die Angaben zur Prävalenz schwanken zwischen 0,6 und 4 %. Frauen sind neunmal häufiger betroffen, insbesondere um das 50. Lebensjahr. Die epidemiologischen Zahlen sind jedoch aufgrund der unscharfen Abgrenzung des Krankheitsbilds und der Schwierigkeit einer exakten Diagnosestellung nur begrenzt aussagekräftig.
Derzeit (2020) erlaubt die aktuelle Studienlage keine eindeutigen Aussagen zur Pathophysiologie des FMS. Die Ätiologie ist weitgehend ungeklärt - ebenso, ob die Fibromyalgie tatsächlich eine eigene Krankheitsentität darstellt.
Folgende Veränderungen im zentralen und peripheren Nervensystem (PNS) werden diskutiert, die evtl. auch einzelne Subgruppen des FMS präsentieren:
Darüber hinaus spielen biologische, physikalische und psychosoziale Faktoren in Zusammenhang mit einer entsprechenden genetischen und lerngeschichtlichen Prädisposition (biopsychosoziales Modell) eine Rolle in der Auslösung und Chronifizierung der Fibromyalgie.
Zu den möglichen Symptomen der Fibromyalgie zählen:
Das FMS kann zudem z.B. mit depressiven Störungen assoziiert sein.
Im Rahmen der Erstevaluation sollte zunächst eine ausführliche Anamnese mit Erfragen der Schmerzsymptomatik und Abfragen typischer Symptome wie Müdigkeit, Schlafstörungen oder Konzentrationsstörungen erfolgen. Zur Erfassung des Symptomkomplexes können spezielle Fragebögen hilfreich sein.
Anschließend ist eine vollständige körperliche Untersuchung (inlusive Haut, neurologischer und orthopädischer Befund) obligat. Eine laborchemische Messung zum Ausschluss von Differenzialdiagnosen sollte mindestens folgende Parameter einschließen:
Die Laborparameter sind bei der FMS unauffällig, wobei Veränderungen aufgrund von möglicherweise gleichzeitig vorliegenden Erkrankungen eine Fibromyalgie nicht ausschließen. Auch die Bildgebung bietet in der Regel keine spezifischen Befunde.
Die Diagnose basiert auf Kriterien, die 1990 von der American College of Rheumatology (ACR) erstellt und im Jahr 2016 zuletzt modifiziert wurden:[1]
Wenn alle Kriterien (A bis C) erfüllt sind, kann die Diagnose einer Fibromyalgie gestellt werden, unabhängig davon ob andere Diagnosen zu diesen Symptomen passen können. Im klinischen Alltag wird "Fibromyalgie" jedoch davon abweichend häufig als Verlegenheitsdiagnose eingesetzt.
Die Anzahl definierter Tenderpoints stellt kein Diagnosekriterium mehr dar.
Die Therapie des FMS erfolgt symptomatisch und multimodal. Primäres Ziel ist es die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Eine kausale Therapie ist derzeit (2020) nicht bekannt und aufgrund der unklaren Ätiologie auch nicht möglich.
Ein wichtiger Aspekt der Therapie ist die Patientenschulung, in der das Selbstmanagement der Patienten gefördert werden soll. Eine kontinuierliche Therapie mit klassischen Analgetika (z.B. NSAR) sollte vermieden werden.
Bei ungünstigen schweren Verläufen, wie bei ausgeprägter seelischer Begleitsymptomatik, ausgeprägter Beeinträchtigungen im Alltag oder mangelndem Ansprechen auf die oben genannten Maßnahmen sollte eine multidisziplinäre und multimodale Therapie durchgeführt werden. Am besten ist dies in einer Tagesklinik bzw. im stationären Setting möglich.
Medikamente ermöglichen zwar keine kausale Therapie, können in einigen Fällen die Symptomatik jedoch positiv beeinflussen. Sie sollten jedoch lediglich zeitlich befristet eingesetzt werden. Es kommen verschiedenen Wirkstoffe infrage, insbesondere Antidepressiva.
Eine besondere Rolle kommt dabei dem trizyklischen Antidepressivum Amitriptylin zu, welches niedrig dosiert (10 - 50 mg/d) eine langfristig schmerzlindernde und v. a. schmerzdistanzierende Wirkung haben kann. Bei Kontraindikationen oder Unverträglichkeit kann weiterhin das Antiepileptikum Pregabalin (150 - 450 mg/d) oder der SSNRI Duloxetin (60 mg/d) verabreicht werden.
Bei begleitenden depressiven Störungen oder Angststörungen kann Amitriptylin (10 - 50 mg/d) eingesetzt werden. Bei Therapieversagen kommen sekundär der SSNRI Duloxetin (60 mg/d), das atypische Antipsychotikum Quetiapin (50 - 300 mg/d) oder die beiden SSRI Fluoxetin (20 - 40 mg/d) oder Paroxetin (20 - 40 mg/d) in Frage.
In einzelnen Studien konnte ein positiver Effekt von 5-Hydroxytryptophan (5-HTP), einer Vorstufe von Serotonin, nachgewiesen werden.[2] Eine Erwähnung in den aktuellen Leitlinien findet dieser Wirkstoff jedoch nicht.[3] Seine Wirkung und die Wirkrationale sind umstritten.
Die Verwendung von Tramadol kann derzeit aufgrund unzureichender Datenlage nicht empfohlen werden.
Hinweis: Diese Dosierungsangaben können Fehler enthalten. Ausschlaggebend ist die Dosierungsempfehlung in der Herstellerinformation.
Eine möglichst hohe aerobe Fitness verbessert nachweislich den Gesundheitszustand von Fibromyalgiepatienten. Herz-Kreislauf-Training ist eines der wichtigsten Bestandteile einer effektiven Therapie gegen das Schmerzsyndrom. Folgende körperbezogene Therapien werden diesbezüglich empfohlen:
Die multimodale Therapie umfasst die Kombination von Entspannungstraining und/oder kognitiver Verhaltenstherapie mit Ausdauertraining.
Hinsichtlich der Lebenserwartung ist die Prognose gut, jedoch nicht hinsichtlich der Arbeitsfähigkeit. Aufgrund der Symptomatik kommt es häufig zur Frühberentung. Erwähnenswert ist, dass sich das Krankheitsbild nach dem 60. Lebensjahr oft spontan zurückbildet. Bei frühzeitiger Diagnose und Therapie in den ersten zwei Krankheitsjahren werden in bis zu 50 % d.F. komplette Remissionen beobachtet.
Tags: Schmerzsyndrom, Schmerztherapie
Fachgebiete: Rheumatologie
Diese Seite wurde zuletzt am 13. Oktober 2020 um 16:01 Uhr bearbeitet.
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