Small-Fiber-Neuropathie
Englisch: small fiber neuropathy
1. Definition
Die Small-Fiber-Neuropathie, kurz SFN, ist eine Neuropathie mit distalen Sensibilitätsstörungen und neuropathischen Schmerzen. Sie betrifft die C-Fasern (Schmerz) und Aδ-Fasern (Temperatur).
- ICD-10: G62.88
2. Hintergrund
Die Aδ-Faser sind dünne myelinisierte, die C-Fasern kleine unmyelinisierte Nervenfasern. Sie kommen in der Haut als somatische Fasern vor, in den Organen bilden sie autonome Fasern.
3. Epidemiologie
4. Ätiologie
Es gibt zahlreiche Erkrankungen, die eine Small-Fiber-Neuropathie verursachen:
- Hereditäre Ursachen:
- Mutationen in spannungsgesteuerten Natriumkanälen (SCN9A, SCN10A und SCN11A): 10–30 %
- CANVAS-Syndrom
- Hereditäre sensible und autonome Neuropathien (HSAN I, HSAN III)
- Morbus Fabry
- Wilson-Krankheit
- Familiäre Amyloidpolyneuropathie
- Ehlers-Danlos-Syndrom
- Metabolische Ursachen:
- Infektiöse Ursachen:
- Toxische Ursachen:
- Autoimmunologische Ursachen:
Lässt sich keine auslösende Erkrankung identifizieren, spricht man von einer idiopathischen Small-Fiber-Neuropathie.
5. Klinik
Klassische Symptome der Small-Fiber-Neuropathie sind distal betonte neuropathische Schmerzen (Brennen, Stechen), Hypästhesien und Temperaturempfindungsstörungen. Des Weiteren können auch autonome Dysfunktionen auftreten.
6. Diagnostik
In der klinisch-neurologischen Untersuchung sind die Muskeleigenreflexe klassischerweise erhalten, wobei in fortgeschrittenen Fällen abgeschwächte Achillessehnenreflexe beobachtet werden können.
Die neurophysiologische Diagnostik (Nervenleitgeschwindigkeit) zeigt meist einen unauffälligen Befund, da sie hauptsächlich die nicht betroffenen großen, myelinisierten Nervenfasern erfasst.
Am verlässlichsten lässt sich die Diagnose durch eine Hautstanzbiopsie mit mikroskopischer Erfassung der intraepidermalen Nervenfaserdichte (IENFD) durch ein neuropathologisches Labor sichern. Die Sensitivität dieser Methode wird mit 94,3 %, die Spezifität mit 91,9 % angegeben.[1]
Weitere diagnostische Möglichkeiten sind:
- Messung der Schmerzempfindlichkeit mittels Quantitativer Sensorischer Testung (QST)
- Funktionsüberprüfung der autonomen Nervenfasern der Schweißdrüsen mit dem quantitativen sudomotorischen Axonreflex-Test (QSART)
7. Diagnosekriterien
Nach den Besta-Kriterien lässt sich die Diagnose einer SFN stellen, wenn mindestens 2 der 3 folgenden Bedingungen erfüllt sind:[2]
- klinische Zeichen einer Beteiligung kleinkalibriger Nervenfasern (Sensibilitätsverlust und/oder Allodynie und/oder Hyperalgesie)
- auffällige Warm- und/oder Kaltwahrnehmungsschwellen in der QST im Bereich der Füße
- reduzierte IENFD am distalen Unterschenkel
8. Therapie
Die Therapie der Small-Fiber-Neuropathie richtet sich primär symptomatisch gegen die neuropathischen Schmerzen. Zudem erfolgt die Behandlung der auslösenden Ursachen (z.B. bei Diabetes mellitus). Zum Einsatz kommen u.a. Antikonvulsiva, Antidepressiva, Lokalanästhetika und Opiate.
Weitere Therapiekonzepte umfassen transkutane Elektrostimulationen, Massagen und Akupunktur.
9. Prognose
Die Small-Fiber-Neuropathie verläuft in der Regel langsam progredient mit einem gutartigen Verlauf ohne schwerwiegende Einschränkungen der Lebensqualität.
10. Literatur
- Raasing et al., Current View of Diagnosing Small Fiber Neuropathy, J Neuromuscul Dis, 2021
- Wikipedia - Small-Fiber-Neuropathie, abgerufen am 5.12.2022
- Heuß et al., Diagnostik bei Polyneuropathien, S1-Leitlinie, 2024; in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (Hrsg.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie
- Flossdorf et al., Long-Time Course of Idiopathic Small Fiber Neuropathy, European neurology, 2018
11. Quellen
- ↑ H. Krämer, H. Diagnose der Small-Fiber-Neuropathie. InFo Neurologie 22, 23 (2020). https://doi.org/10.1007/s15005-020-1323-4
- ↑ Sachau J, Enax-Krumova E. Small-Fiber-Neuropathien. DGNeurologie. 2022;5(6):487–98. German. doi: 10.1007/s42451-022-00488-x. Epub 2022 Oct 13. PMCID: PMC9559077.