Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer
Handelsnamen: Trevilor®, Cymbalta®, Ixel®, Efectin®, Yentreve®
Synonyme: selektive Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, SNRI
Englisch: selective Serotonin-Noradrenalin-Reuptake-Inhibitor (SNRI), Serotonin-Noradrenalin-Reuptake-Inhibitor, Serotonin-norepinephrine reuptake inhibitor
Definition
Serotonin-Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer, kurz SSNRI, sind Arzneistoffe, welche die Rückaufnahme ("reuptake") der Neurotransmitter Serotonin und Noradrenalin in präsynaptische Neuronen hemmen. SSNRIs erhöhen so die extrazelluläre Konzentration von Serotonin und Noradrenalin. Sie wirken antidepressiv und antriebssteigernd.
Hintergrund
Depressionen zeichnen sich vor allem durch fehlenden Antrieb, gedrückte Stimmung und Interessen- bzw. Freudlosigkeit aus. Eine Vermutung zur Genese dieser Symptome ist, dass ein Mangel an Monoaminen wie Noradrenalin oder Serotonin im synaptischen Spalt besteht ("Monoamin-Hypothese"). Ursächlich könnte eine verminderte Neurotransmitter-Produktion oder auch eine veränderte Expression der Rezeptoren bzw. eine veränderte Bindung der Neurotransmitter an die Rezeptoren sein. Gestützt wird diese These durch den Wirkmechanismus vieler Antidepressiva, die zu einem Anstieg der Monoamin-Konzentration im synaptischen Spalt führen.
Wirkmechanismus
SSNRI entfalten ihre Wirkung durch Eingriff in den Noradrenalin- und Serotoninhaushalt des menschlichen Gehirns. Sie binden an die Transportsysteme der beiden Neurotransmitter. Dadurch wird deren Rücktransport in die präsynaptische Zelle gehemmt und der Gehalt der Neurotransmitter im synaptischen Spalt - und damit deren Verfügbarkeit - steigt an.
Substanzen
In der EU zugelassene SSNRI sind:
- Venlafaxin (Trevilor®)
- Duloxetin (Cymbalta®)
Darüber hinaus ist Milnacipran (Dalcipran®) in einigen Ländern der EU zugelassen.
Die bekannten Wirkstoffe unterscheiden sich in ihrer relativen Affinität zum Serotonin- und Noradrenalin-Transportsystem. Venlafaxin weist eine 30-fach höhere Affinität zum Serotonin- als zum Noradrenalintransporter auf, in absteigender Reihenfolge gefolgt von Duloxetin und Milnacipran.[1] Daraus ergeben sich im Detail unterschiedliche Anwendungsgebiete.
Indikation
SSNRI sind zur Behandlung einer Major Depression und teilweise auch zur Behandlung von generalisierten Angststörungen, sozialen Phobien und in hoher Dosierung zur Behandlung von Zwangserkrankungen geeignet. Des Weiteren werden sie zur Rezidivprophylaxe depressiver Episoden eingesetzt.
Duloxetin kann auch zur Behandlung bestimmter Schmerzen genutzt werden (z.B. bei diabetischer Polyneuropathie oder Fibromyalgie).[1]
Anwendung
SSNRIs werden oral in Tablettenform verabreicht.
Aufgrund der antriebssteigernden Wirkung werden SSNRI üblicherweise am Morgen oder auf zwei Dosisgaben, am Morgen und zum Mittag, verabreicht. SSNRI sollten nicht mehr nach 16:00 Uhr eingenommen werden, da sie sonst häufig Schlafstörungen verursachen. Aufgrund der Antriebssteigerung ist eine Anwendung bei Kindern und Jugendlichen mit Suizidgefahr risikoreich.[2]
Nebenwirkungen
SSNRIs weisen vergleichsweise weniger Nebenwirkungen auf als tri- oder tetrazyklische Antidepressiva. Zu den häufigeren Nebenwirkungen zählen:
Magen-Darm-Trakt
Stoffwechsel und Ernährung
- Gewichtsabnahme
- Gewichtszunahme
- Appetitlosigkeit
- Verminderter Appetit
- Erhöhte Cholesterinwerte
Sexualität
- Libidoabnahme
- Sexuelle Funktionsstörungen (Anorgasmie)
- Spermaveränderungen bis hin zur Zeugungsunfähigkeit
Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass im Anschluss an die Anwendung im Einzelfall langfristige sexuelle Funktionsstörungen auftreten (PSSD).[3]
Nervensystem/Psyche
- Ungewöhnliche Trauminhalte
- Erhöhter Muskeltonus
- Verwirrtheitszustände
- Bewegungsunruhe
- Innere Unruhe
- Hyperhidrose (vermehrtes Schwitzen)
- Tremor
- Herabsetzung der Krampfschwelle mit Neigung zu epileptischen Anfällen
- Schlafstörungen
Herz-Kreislaufsystem
Urogenitalsystem
Wechselwirkungen
SSNRI können in Kombination mit anderen Psychopharmaka zu teilweise unvorhersehbaren Wechselwirkungen führen. Oftmals liegen nicht ausreichend Studien vor, um eine Prognose bei jahrelanger Einnahme stellen zu können. Das Trinken von Alkohol sollte grundsätzlich bei der Einnahme von SSNRI und anderen zentral wirksamen Medikamenten bzw. Psychopharmaka, vermieden werden. Die gleichzeitige Einnahme von MAO-Hemmern bringt das Risiko eines Serotonin-Syndroms mit sich.
Besondere Vorsichtsmaßnahmen
Die Teilnahme im Straßenverkehr sollte unterlassen werden, genauso das Bedienen von Maschinen, da SSNRI das Reaktionsvermögen negativ beeinflussen können.
Quellen
- ↑ 1,0 1,1 Shelton RC. Serotonin and Norepinephrine Reuptake Inhibitors. Handb Exp Pharmacol. 2019;250:145-180. doi: 10.1007/164_2018_164. PMID: 30838456.
- ↑ Antidepressiva: Wissenschaftliche Neubewertung der SSRI/SNRI abgeschlossen - Neue Warnhinweise auf suizidales Verhalten bei Kindern und Jugendlichen, BfArM 12,7.2005, abgerufen am 5.7.2024
- ↑ Peleg LC, Rabinovitch D, Lavie Y, Rabbie DM, Horowitz I, Fruchter E, Gruenwald I. Post-SSRI Sexual Dysfunction (PSSD): Biological Plausibility, Symptoms, Diagnosis, and Presumed Risk Factors. Sex Med Rev. 2022 Jan;10(1):91-98. doi: 10.1016/j.sxmr.2021.07.001. Epub 2021 Oct 7. PMID: 34627736.
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